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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Fortgesetzte allgemeine anmerckungen
[Spaltenumbruch] anders/ denn diß: die Ketzer haben diß und das
gethan: Ergo, so sollen die Christen der gleichen auch
thun/ denn alles/ was die ketzerische Käyser thun/
ist recht gethan/ darum muß mans ihnen alles
nachthun. Wenn man all eurem geschwätze
solte glauben geben/ so müste das jenige daraus
geschlossen werden/ dazu ihr nicht würdet bey-
stimmen wollen. Jst das nicht ein thörichter
beweiß? Und mit solcher eitelkeit füllet man
die bücher an.

Des 25. hauptstücks.

Daß auch den Heiligen Gregorio Na-
zianzeno
in Orient, und Augustino in Africa
und dem Pabst Johann. dem I. dieses Na-
mens/ zu letzt ihre gelindigkeit gegen die
Ketzer gereuet hat.

Antwort:

Hier bestehet er mit dem beweiß seiner vor-
stellung/ eben wie er hievorn mit dem beweiß
von einigen Ketzern bey ihm bestanden ist. Die
zulassung mehrerer Religionen von den Käy-
sern/ nach innhalt ihrer vorigen zweiffelhafftig
geschriebenen Kirchen-historien kan er nicht
leugnen/ derohalben fliehet er zu solchem
schlupffloch/ als wenn hernach den Käysern ih-
re zulassung gereuet hätte. Und solches
bestättiget er hier mit seinen drey Heiligen.
Sind es denn lauter Heiligen/ die von unhei-
ligen Menschen heilig geurtheilet werden? o-
der ist zwischen dem Göttlichen und mensch-
lichen urtheil kein unterscheid? Wie bestehet
doch Pamelius hier dieser seiner drey vorerzehl-
ten Heiligen unweißheit zu beweisen. Denn
das ist keine weißheit etwas gethan haben/ das
einen doch hernach gereuet: Solches aber sagt
er selbst/ daß es von ihne geschehen sey. Sie wä-
ren erstlich nicht so weise menschen/ als sie ver-
meinten zu seyn/ da sie gerathen hätten/ mit den
Ketzern gelinde umzugehen. Wo seyd ihr ver-
sichert/ daß sie nachmahls/ als sie solch ihr vo-
riges thun gereuet/ weiser waren? Das folget
nothwendig/ daß ein jeder Mensch/ je länger er
lebet/ je älter er wird. Aber es folgt auch nicht
nothwendig/ daß/ je älter man wird/ je weiser
man worden ist. Entweder sie hatten zu erst
den Geist der weißheit nicht/ da sie das jeni-
ge/ was sie thaten/ gereuete; was zeigt ihr vor
eine gewißheit/ daß sie darnach den Geist der
weisheit gehabt? Erstlich folgen sie der sanfft-
muth des sanfftmüthigen Lammes GOttes
nach/ und seinem befehl/ daß wir die sanfft-
muth von ihm solten lernen. Matth. XI. 29.
Diese verwarffen sie nachmals/ und folgten
nach (so ihr wahrheit schreibet) der strengigkeit
Mosis/ und verwandelten sich also aus gelin-
den schaafen Christi in harte Mosaische Pha-
riseer. Solte man daraus vermuthen/ daß sie
in ihrem alterthum wären weiser worden? Chri-
sti sanfftmuth hat niemanden mit gewalt zu
ihm zu kommen gezwungen/ noch auch bey
ihm zu bleiben: Wollt ihr auch weggehen/
(sprach er Joh. VI.) Sein befehl ist/ daß man
sie soll vor Heiden halten/ nicht aber/ daß man
sie soll belästigen ihre Gottes-dienste zu thun/
welche anders/ denn die seinen gesinnt sind.
Mit worten und vermahnungen befihlet er zu
handeln/ nicht mit Obrigkeitlicher macht zu
zwingen. Solches erzehlet dieser Pamelius
selbst/ daß es Augustinus zu erst gethan habe
[Spaltenumbruch] mit diesen worten Augustini: Erst war"
mein sinn/ daß man niemanden zu der einig-"
keit Christi zu zwingen befugt wäre/ daß mans"
mit dem worte müsse handeln/ mit disputir-"
lichem streite und mit reden gewinnen/ da-"
mit wir die jenigen nicht möchten zu heuch-"
lerischen Catholischen haben/ die wir erst vor"
offenbare Ketzer erkanten/ u. s. w. f. 130." Ge-
setzt nun/ daß der zwang/ zu welchem er hernach
mitgerathen/ die Ketzer verursachte/ sich aus
zwang zu seiner Kirche zu begeben; wo ist er
versichert/ daß sie keine heuchlerische Catholi-
ken waren? oder sind diese besser denn offen-
bare Ketzer? Ja so viel als heimliche feinde/
die man vor freunde hält/ in einer Stadt bes-
ser seyn/ denn offenbare feinde ausser der mau-
ren; die frucht seines thuns ist kund worden.
Er will seine Religion allein haben/ nun
ist keine Religion mehr/ denn der Chri-
sten name. Derowegen ist die Experienz Au-
gustini
unsicher und besorglich/ und der sol-
te man nachfolgen wider den ausdrückli-
chen befehl Christi/ unserm gutdüncken fol-
gen/ und des HERRN gebot verachten/
CHristi glieder verfolgen und tödten/ aus un-
serer guten meinung/ daß wir GOtt damit ei-
nen angenehmen dienst thun solten? Joh. XVI.
2. Solte das nun weißheit seyn/ weiser seyn wol-
len/ dann unser HErr und Meister/ die Göttli-
che weißheit selber? Die Fürsten/ welche dann
thöricht seyn wollen/ mögen hierinn solchen
wahnheiligen nachfolgen und Augustinum
weiser halten denn CHristum. Dieser hat ge-
sagt/ daß sie solten friede haben in ihm/ nicht
in der welt/ nein/ da sollen sie trübsal haben
(XVI. 33.) Diese wollen sie nicht leiden/ son-
dern machen/ daß sie andere durch der Obrig-
keit macht leiden sollen/ auff daß sie hier nicht
mit CHristo streiten/ sondern hienieden/ als
ob sie in einem irrdischen himmel wären/ sich
freuen. Jst denn CHristus nicht kommen das
schwerd zu senden auff erden/ den sohn zu erre-
gen wider den vater/ die tochter wider die mut-
ter/ die schnur wider die schwieger/ ja daß auch
des menschen eigne haußgenossen seine seinde
seyn sollen/ Matth. X. 34. 36.

Wovon solte der streit wol anders seyn/ denn
um der sache willen von CHristo und von der
wahrheit/ welche er selbst ist? Joh. XIV. 6.
Diese wird von der welt und vornemlich von den
scheinheiligen gehasset. So euch die welt has-
set/ so wisset/ daß sie mich vor euch gehasset hat/
sagt CHristus Joh. XV. 18. Hieraus entste-
het der streit zwischen den haußgenossen/ so daß
auch ein bruder den andern zum tode überlief-
fert/ ja der vater das kind/ und die kinder wi-
der die eltern aufftreten und sie tödten. Matth.
X.
21. Aber diesen frieden begehren die schein-
heiligen nicht/ denn sie suchen geliebt und ge-
ehret/ aber nicht geunehret und geschmähet zu
werden von allen menschen um CHristi namen
willen. Matth. X. 22. Solche jünger wollen
auch weiser denn der weise Lehrer seyn. Sie ver-
folgen durch die Obrigkeitliche macht andere/
aber sie wollen nicht verfolgt werden von einer
stadt zur andern. Matth. X. 13. Jst das keine
weißheit? Wer kan dem Mönch/ beym Platina
gedacht/ nun unrecht geben/ in|seiner predigt vor
dem Pabst selbst/ (welchen er mit mehr denn
Käyserlichem pracht zum sermon kommen sahe)

weil

Th. IV. Fortgeſetzte allgemeine anmerckungen
[Spaltenumbruch] anders/ denn diß: die Ketzer haben diß und das
gethan: Ergò, ſo ſollẽ die Chriſten der gleichen auch
thun/ deñ alles/ was die ketzeriſche Kaͤyſer thun/
iſt recht gethan/ darum muß mans ihnen alles
nachthun. Wenn man all eurem geſchwaͤtze
ſolte glauben geben/ ſo muͤſte das jenige daraus
geſchloſſen werden/ dazu ihr nicht wuͤrdet bey-
ſtimmen wollen. Jſt das nicht ein thoͤrichter
beweiß? Und mit ſolcher eitelkeit fuͤllet man
die buͤcher an.

Des 25. hauptſtuͤcks.

Daß auch den Heiligen Gregorio Na-
zianzeno
in Orient, und Auguſtino in Africa
und dem Pabſt Johann. dem I. dieſes Na-
mens/ zu letzt ihre gelindigkeit gegen die
Ketzer gereuet hat.

Antwort:

Hier beſtehet er mit dem beweiß ſeiner vor-
ſtellung/ eben wie er hievorn mit dem beweiß
von einigen Ketzern bey ihm beſtanden iſt. Die
zulaſſung mehrerer Religionen von den Kaͤy-
ſern/ nach innhalt ihrer vorigen zweiffelhafftig
geſchriebenen Kirchen-hiſtorien kan er nicht
leugnen/ derohalben fliehet er zu ſolchem
ſchlupffloch/ als wenn hernach den Kaͤyſern ih-
re zulaſſung gereuet haͤtte. Und ſolches
beſtaͤttiget er hier mit ſeinen drey Heiligen.
Sind es denn lauter Heiligen/ die von unhei-
ligen Menſchen heilig geurtheilet werden? o-
der iſt zwiſchen dem Goͤttlichen und menſch-
lichen urtheil kein unterſcheid? Wie beſtehet
doch Pamelius hier dieſer ſeiner drey vorerzehl-
ten Heiligen unweißheit zu beweiſen. Denn
das iſt keine weißheit etwas gethan haben/ das
einen doch hernach gereuet: Solches aber ſagt
er ſelbſt/ daß es von ihnē geſchehen ſey. Sie waͤ-
ren erſtlich nicht ſo weiſe menſchen/ als ſie ver-
meinten zu ſeyn/ da ſie gerathen haͤtten/ mit den
Ketzern gelinde umzugehen. Wo ſeyd ihr ver-
ſichert/ daß ſie nachmahls/ als ſie ſolch ihr vo-
riges thun gereuet/ weiſer waren? Das folget
nothwendig/ daß ein jeder Menſch/ je laͤnger er
lebet/ je aͤlter er wird. Aber es folgt auch nicht
nothwendig/ daß/ je aͤlter man wird/ je weiſer
man worden iſt. Entweder ſie hatten zu erſt
den Geiſt der weißheit nicht/ da ſie das jeni-
ge/ was ſie thaten/ gereuete; was zeigt ihr vor
eine gewißheit/ daß ſie darnach den Geiſt der
weisheit gehabt? Erſtlich folgen ſie der ſanfft-
muth des ſanfftmuͤthigen Lammes GOttes
nach/ und ſeinem befehl/ daß wir die ſanfft-
muth von ihm ſolten lernen. Matth. XI. 29.
Dieſe verwarffen ſie nachmals/ und folgten
nach (ſo ihr wahrheit ſchreibet) der ſtrengigkeit
Moſis/ und verwandelten ſich alſo aus gelin-
den ſchaafen Chriſti in harte Moſaiſche Pha-
riſeer. Solte man daraus vermuthen/ daß ſie
in ihrem alterthum waͤren weiſer worden? Chri-
ſti ſanfftmuth hat niemanden mit gewalt zu
ihm zu kommen gezwungen/ noch auch bey
ihm zu bleiben: Wollt ihr auch weggehen/
(ſprach er Joh. VI.) Sein befehl iſt/ daß man
ſie ſoll vor Heiden halten/ nicht aber/ daß man
ſie ſoll belaͤſtigen ihre Gottes-dienſte zu thun/
welche anders/ denn die ſeinen geſinnt ſind.
Mit worten und vermahnungen befihlet er zu
handeln/ nicht mit Obrigkeitlicher macht zu
zwingen. Solches erzehlet dieſer Pamelius
ſelbſt/ daß es Auguſtinus zu erſt gethan habe
[Spaltenumbruch] mit dieſen worten Auguſtini: Erſt war“
mein ſinn/ daß man niemanden zu der einig-“
keit Chriſti zu zwingen befugt waͤre/ daß mans“
mit dem worte muͤſſe handeln/ mit diſputir-
lichem ſtreite und mit reden gewinnen/ da-“
mit wir die jenigen nicht moͤchten zu heuch-“
leriſchen Catholiſchen haben/ die wir erſt vor“
offenbare Ketzer erkanten/ u. ſ. w. f. 130.“ Ge-
ſetzt nun/ daß der zwang/ zu welchem er hernach
mitgerathen/ die Ketzer verurſachte/ ſich aus
zwang zu ſeiner Kirche zu begeben; wo iſt er
verſichert/ daß ſie keine heuchleriſche Catholi-
ken waren? oder ſind dieſe beſſer denn offen-
bare Ketzer? Ja ſo viel als heimliche feinde/
die man vor freunde haͤlt/ in einer Stadt beſ-
ſer ſeyn/ denn offenbare feinde auſſer der mau-
ren; die frucht ſeines thuns iſt kund worden.
Er will ſeine Religion allein haben/ nun
iſt keine Religion mehr/ denn der Chri-
ſten name. Derowegen iſt die Experienz Au-
guſtini
unſicher und beſorglich/ und der ſol-
te man nachfolgen wider den ausdruͤckli-
chen befehl Chriſti/ unſerm gutduͤncken fol-
gen/ und des HERRN gebot verachten/
CHriſti glieder verfolgen und toͤdten/ aus un-
ſerer guten meinung/ daß wir GOtt damit ei-
nen angenehmen dienſt thun ſolten? Joh. XVI.
2. Solte das nun weißheit ſeyn/ weiſer ſeyn wol-
len/ dann unſer HErꝛ und Meiſter/ die Goͤttli-
che weißheit ſelber? Die Fuͤrſten/ welche dann
thoͤricht ſeyn wollen/ moͤgen hierinn ſolchen
wahnheiligen nachfolgen und Auguſtinum
weiſer halten denn CHriſtum. Dieſer hat ge-
ſagt/ daß ſie ſolten friede haben in ihm/ nicht
in der welt/ nein/ da ſollen ſie truͤbſal haben
(XVI. 33.) Dieſe wollen ſie nicht leiden/ ſon-
dern machen/ daß ſie andere durch der Obrig-
keit macht leiden ſollen/ auff daß ſie hier nicht
mit CHriſto ſtreiten/ ſondern hienieden/ als
ob ſie in einem irrdiſchen himmel waͤren/ ſich
freuen. Jſt denn CHriſtus nicht kommen das
ſchwerd zu ſenden auff erden/ den ſohn zu erre-
gen wider den vater/ die tochter wider die mut-
ter/ die ſchnur wider die ſchwieger/ ja daß auch
des menſchen eigne haußgenoſſen ſeine ſeinde
ſeyn ſollen/ Matth. X. 34. 36.

Wovon ſolte der ſtreit wol anders ſeyn/ denn
um der ſache willen von CHriſto und von der
wahrheit/ welche er ſelbſt iſt? Joh. XIV. 6.
Dieſe wird von der welt uñ vornemlich von den
ſcheinheiligen gehaſſet. So euch die welt haſ-
ſet/ ſo wiſſet/ daß ſie mich vor euch gehaſſet hat/
ſagt CHriſtus Joh. XV. 18. Hieraus entſte-
het der ſtreit zwiſchen den haußgenoſſen/ ſo daß
auch ein bruder den andern zum tode uͤberlief-
fert/ ja der vater das kind/ und die kinder wi-
der die eltern aufftreten und ſie toͤdten. Matth.
X.
21. Aber dieſen frieden begehren die ſchein-
heiligen nicht/ denn ſie ſuchen geliebt und ge-
ehret/ aber nicht geunehret und geſchmaͤhet zu
werden von allen menſchen um CHriſti namen
willen. Matth. X. 22. Solche juͤnger wollen
auch weiſer denn der weiſe Lehrer ſeyn. Sie ver-
folgen durch die Obrigkeitliche macht andere/
aber ſie wollen nicht verfolgt werden von einer
ſtadt zur andern. Matth. X. 13. Jſt das keine
weißheit? Wer kan dem Moͤnch/ beym Platina
gedacht/ nun unrecht geben/ in|ſeiner predigt vor
dem Pabſt ſelbſt/ (welchen er mit mehr denn
Kaͤyſerlichem pracht zum ſermon kommen ſahe)

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[34/0330] Th. IV. Fortgeſetzte allgemeine anmerckungen anders/ denn diß: die Ketzer haben diß und das gethan: Ergò, ſo ſollẽ die Chriſten der gleichen auch thun/ deñ alles/ was die ketzeriſche Kaͤyſer thun/ iſt recht gethan/ darum muß mans ihnen alles nachthun. Wenn man all eurem geſchwaͤtze ſolte glauben geben/ ſo muͤſte das jenige daraus geſchloſſen werden/ dazu ihr nicht wuͤrdet bey- ſtimmen wollen. Jſt das nicht ein thoͤrichter beweiß? Und mit ſolcher eitelkeit fuͤllet man die buͤcher an. Des 25. hauptſtuͤcks. Daß auch den Heiligen Gregorio Na- zianzeno in Orient, und Auguſtino in Africa und dem Pabſt Johann. dem I. dieſes Na- mens/ zu letzt ihre gelindigkeit gegen die Ketzer gereuet hat. Antwort: Hier beſtehet er mit dem beweiß ſeiner vor- ſtellung/ eben wie er hievorn mit dem beweiß von einigen Ketzern bey ihm beſtanden iſt. Die zulaſſung mehrerer Religionen von den Kaͤy- ſern/ nach innhalt ihrer vorigen zweiffelhafftig geſchriebenen Kirchen-hiſtorien kan er nicht leugnen/ derohalben fliehet er zu ſolchem ſchlupffloch/ als wenn hernach den Kaͤyſern ih- re zulaſſung gereuet haͤtte. Und ſolches beſtaͤttiget er hier mit ſeinen drey Heiligen. Sind es denn lauter Heiligen/ die von unhei- ligen Menſchen heilig geurtheilet werden? o- der iſt zwiſchen dem Goͤttlichen und menſch- lichen urtheil kein unterſcheid? Wie beſtehet doch Pamelius hier dieſer ſeiner drey vorerzehl- ten Heiligen unweißheit zu beweiſen. Denn das iſt keine weißheit etwas gethan haben/ das einen doch hernach gereuet: Solches aber ſagt er ſelbſt/ daß es von ihnē geſchehen ſey. Sie waͤ- ren erſtlich nicht ſo weiſe menſchen/ als ſie ver- meinten zu ſeyn/ da ſie gerathen haͤtten/ mit den Ketzern gelinde umzugehen. Wo ſeyd ihr ver- ſichert/ daß ſie nachmahls/ als ſie ſolch ihr vo- riges thun gereuet/ weiſer waren? Das folget nothwendig/ daß ein jeder Menſch/ je laͤnger er lebet/ je aͤlter er wird. Aber es folgt auch nicht nothwendig/ daß/ je aͤlter man wird/ je weiſer man worden iſt. Entweder ſie hatten zu erſt den Geiſt der weißheit nicht/ da ſie das jeni- ge/ was ſie thaten/ gereuete; was zeigt ihr vor eine gewißheit/ daß ſie darnach den Geiſt der weisheit gehabt? Erſtlich folgen ſie der ſanfft- muth des ſanfftmuͤthigen Lammes GOttes nach/ und ſeinem befehl/ daß wir die ſanfft- muth von ihm ſolten lernen. Matth. XI. 29. Dieſe verwarffen ſie nachmals/ und folgten nach (ſo ihr wahrheit ſchreibet) der ſtrengigkeit Moſis/ und verwandelten ſich alſo aus gelin- den ſchaafen Chriſti in harte Moſaiſche Pha- riſeer. Solte man daraus vermuthen/ daß ſie in ihrem alterthum waͤren weiſer worden? Chri- ſti ſanfftmuth hat niemanden mit gewalt zu ihm zu kommen gezwungen/ noch auch bey ihm zu bleiben: Wollt ihr auch weggehen/ (ſprach er Joh. VI.) Sein befehl iſt/ daß man ſie ſoll vor Heiden halten/ nicht aber/ daß man ſie ſoll belaͤſtigen ihre Gottes-dienſte zu thun/ welche anders/ denn die ſeinen geſinnt ſind. Mit worten und vermahnungen befihlet er zu handeln/ nicht mit Obrigkeitlicher macht zu zwingen. Solches erzehlet dieſer Pamelius ſelbſt/ daß es Auguſtinus zu erſt gethan habe mit dieſen worten Auguſtini: Erſt war“ mein ſinn/ daß man niemanden zu der einig-“ keit Chriſti zu zwingen befugt waͤre/ daß mans“ mit dem worte muͤſſe handeln/ mit diſputir-“ lichem ſtreite und mit reden gewinnen/ da-“ mit wir die jenigen nicht moͤchten zu heuch-“ leriſchen Catholiſchen haben/ die wir erſt vor“ offenbare Ketzer erkanten/ u. ſ. w. f. 130.“ Ge- ſetzt nun/ daß der zwang/ zu welchem er hernach mitgerathen/ die Ketzer verurſachte/ ſich aus zwang zu ſeiner Kirche zu begeben; wo iſt er verſichert/ daß ſie keine heuchleriſche Catholi- ken waren? oder ſind dieſe beſſer denn offen- bare Ketzer? Ja ſo viel als heimliche feinde/ die man vor freunde haͤlt/ in einer Stadt beſ- ſer ſeyn/ denn offenbare feinde auſſer der mau- ren; die frucht ſeines thuns iſt kund worden. Er will ſeine Religion allein haben/ nun iſt keine Religion mehr/ denn der Chri- ſten name. Derowegen iſt die Experienz Au- guſtini unſicher und beſorglich/ und der ſol- te man nachfolgen wider den ausdruͤckli- chen befehl Chriſti/ unſerm gutduͤncken fol- gen/ und des HERRN gebot verachten/ CHriſti glieder verfolgen und toͤdten/ aus un- ſerer guten meinung/ daß wir GOtt damit ei- nen angenehmen dienſt thun ſolten? Joh. XVI. 2. Solte das nun weißheit ſeyn/ weiſer ſeyn wol- len/ dann unſer HErꝛ und Meiſter/ die Goͤttli- che weißheit ſelber? Die Fuͤrſten/ welche dann thoͤricht ſeyn wollen/ moͤgen hierinn ſolchen wahnheiligen nachfolgen und Auguſtinum weiſer halten denn CHriſtum. Dieſer hat ge- ſagt/ daß ſie ſolten friede haben in ihm/ nicht in der welt/ nein/ da ſollen ſie truͤbſal haben (XVI. 33.) Dieſe wollen ſie nicht leiden/ ſon- dern machen/ daß ſie andere durch der Obrig- keit macht leiden ſollen/ auff daß ſie hier nicht mit CHriſto ſtreiten/ ſondern hienieden/ als ob ſie in einem irrdiſchen himmel waͤren/ ſich freuen. Jſt denn CHriſtus nicht kommen das ſchwerd zu ſenden auff erden/ den ſohn zu erre- gen wider den vater/ die tochter wider die mut- ter/ die ſchnur wider die ſchwieger/ ja daß auch des menſchen eigne haußgenoſſen ſeine ſeinde ſeyn ſollen/ Matth. X. 34. 36. Wovon ſolte der ſtreit wol anders ſeyn/ denn um der ſache willen von CHriſto und von der wahrheit/ welche er ſelbſt iſt? Joh. XIV. 6. Dieſe wird von der welt uñ vornemlich von den ſcheinheiligen gehaſſet. So euch die welt haſ- ſet/ ſo wiſſet/ daß ſie mich vor euch gehaſſet hat/ ſagt CHriſtus Joh. XV. 18. Hieraus entſte- het der ſtreit zwiſchen den haußgenoſſen/ ſo daß auch ein bruder den andern zum tode uͤberlief- fert/ ja der vater das kind/ und die kinder wi- der die eltern aufftreten und ſie toͤdten. Matth. X. 21. Aber dieſen frieden begehren die ſchein- heiligen nicht/ denn ſie ſuchen geliebt und ge- ehret/ aber nicht geunehret und geſchmaͤhet zu werden von allen menſchen um CHriſti namen willen. Matth. X. 22. Solche juͤnger wollen auch weiſer denn der weiſe Lehrer ſeyn. Sie ver- folgen durch die Obrigkeitliche macht andere/ aber ſie wollen nicht verfolgt werden von einer ſtadt zur andern. Matth. X. 13. Jſt das keine weißheit? Wer kan dem Moͤnch/ beym Platina gedacht/ nun unrecht geben/ in|ſeiner predigt vor dem Pabſt ſelbſt/ (welchen er mit mehr denn Kaͤyſerlichem pracht zum ſermon kommen ſahe) weil

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/330>, abgerufen am 20.11.2024.