Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

oder Zusätze.
[Spaltenumbruch] sich erst nieder/ darnach die andern/ als man
sich pflegt um Rathschläge zu setzen. Und ei-
ner unter ihnen stund auff/ und winckte mit sei-
ner Hand/ als ein Redener/ und hatte ein lang
Kleid an. Da dieser ausgeredet/ und sich wie-
der niedergesetzet/ stund auch der auff/ der die
Krone auff hatte/ und oben an saß/ und zog sein
Schwerdt aus/ hielt auff zwey Finger/ als ei-
ner/ der da schweret.

Da sich nun dieser wieder gesetzet/ steckten die
Männer alle miteinander ihre Häupter zu-
sammen/ als redeten sie einander heimlich et-
was zu/ stunden darnach auff/ und schlugen
in ihre Hände/ und setzeten sich wieder nie-
der.

Und in dem Niedersitzen/ siehe/ da erhebet sich
ein greuliches Ungestüm als eines gewalti-
gen Sturmwindes; darnach kam Blitzen
und Donner mit einem sehr erschrecklichen
Feuer/ und im Feuer war ein glüend eiser-
nes Schrenck-Werck/ als ein feuriger Rost;
daran hiengen krumme und eingebogene
Feuer-Brände/ als wären sie voll Schwe-
fels und Pechs gewesen/ dieselben sprungen
von einander/ fielen auff die alle/ so in dem
Saal bey einander sassen/ und das Feuer
verzehrete sie/ daß sie alle als Wachs ver-
schmeltzten plötzlich/ also/ daß man weder
Saal noch Männer mehr sahe.

Und über dem feurigen Rost stund eine lange
regalische (realsche) Person/ derselbe hatte
ein feurig Schwerdt in seiner Hand/ und
schlug das Feuer von einander/ daß die Fun-
cken um ihn her stäubeten. Hinter diesem
stund ein anderer/ der war noch länger denn
der/ der das Feuer von einander schlug/
gleicher Gestalt als der HErr JEsus auff
dem Grabe gemahlet stehet; derselbe hatte
an seinen Händen und Füssen Wunden/
und auch die Wunden seiner Seiten geblös-
set/ und einen rothen Mantel/ als wäre er
von Seyde gewesen/ übergehencket/ und füh-
rete in seiner rechten Hand ein Panier/ und
sprach mit lauter Stimme: Also will ich
euch alle zerschmeissen/ als diese zerschmissen
sind/ wo ihr nicht rechtschaffene Busse thut/
etc.

Und da ich diß alles/ als hier oben angezeiget
ist/ sahe/ und hörete diese Stimme; konte ich
vor grossem Schrecken und Angst bey einer
Stunde nichts reden/ öffnete wohl offt den
Mund/ als einer der reden will/ aber die
Zunge konte ich nicht regen/ und mir ward
also bange/ daß mich dünckete/ Himmel und
Erde hätten mir auff dem Leibe gelegen.
Mir ist auch zu keiner Zeit also bange gewe-
sen/ auch vielleicht nimmermehr werden
kan; bat dennoch im Geiste und Hertzen al-
so: O barmhertziger und güter HErr
Christe/ du einiger Erlöser und Mittler/ der
du zwischen uns und deinem lieben Vater
stehest/ und bittest ohn Unterlaß vor uns;
Jch bitte dich aus Hertzens-Grund/ du wol-
lest uns armen Menschen gnädig und barm-
hertzig seyn/ zu wahrer Reu und Leid unser
Sünden kommen lassen/ damit wir auff dein
Verdienst alleine sehen/ und darauff ver-
trauen/ und biß an unser Ende im Glauben
[Spaltenumbruch] beständiglich verharren mögen mit einem
gottfürchtigen Wandel/ und wollest uns
deine Mitt-Erben nicht als diese so plötzlich
verderben/ sondern unsern recht schwachen
Glauben/ erkaltete Liebe und alle sündliche
Neigung durch deinen werthen heiligen
Geist stärcken/ vermehren und heiligen/ etc.

Diß Gebet that ich mit Thränen/ und
lag im Bette/ und schwitzte/ als hätte ich in
einem Kübel Wassers gelegen/ und da ich
also auffmerckte (tuchtede) an dem Him-
mel/ schlug das Feuer in die Kammer hinein/
und Autor mein Sohn rieff mit lauter
Stimme auff/ und schrie: Ach Mutter/ wie
heiß und geschwüle (lecht) ist es. Aber
die Mutter erwachte nicht/ und ward dieses
Gesichts nicht gewahr/ hörte auch das
Schreyen des Knabens nicht; Jch hörete
es aber wohl/ aber ich konte ihm vor grosser
Angst und Bangigkeit nicht antworten.
Als es aber Tag ward/ fragte ich ihn/ was
er gehöret und gesehen hätte; da antworte-
te er/ Jch habe nichts gehöret/ Vater/ son-
dern ich sahe ein grosses Feuer/ das wolte
mir meine Haare anzünden. Hierum fra-
ge ich ihn offte/ auff daß ich ihn in dem Ge-
dächtniß dieses Gesichtes behalten möge.

Um 4. Schläge darnach verschwand diß alles
miteinander plötzlich/ und ward sehr finster/
und gab einen kleinen Platz-Regen.

Und ich hörete eine Stimme/ die sprach: Schrei-
be diß zur Besserung der Auserwehlten/ und
zum Schrecken der Gottlosen und Blut-
dürstigen.

Auslegung dieses Gesichts
Matthiae Flacii Illyrici,
aus dem Lateinischen übersetzet.

Dessen Vision, mein Herr Autor, habe wohl
erhalten/ welche mir scheinet drey verschiede-
ne Handlungen in sich zu begreiffen: nem-
lich

1. Die Wiederbringung des Evangelischen
Lichtes: denn dieses meyne ich/ daß es der
gedeckte Tisch bedeute.
2. Die Wiederabschaffung desselben Evan-
gelii.
3. Die immerwährende Bestraffung der
Gottlosen.

Jch achte aber/ daß derselbe nicht wohl un-
terlassen könne/ es zu ediren; weil ihm befohlen
ist/ daß ers schreiben soll. Dieses wird nicht
nur so verstanden/ daß derselbe es einem oder
dem andern guten Freunde mittheile/ sondern
daß er es der gantzen Kirche offenbahre. Und
es ist auch keine Ursache/ daß er/ um des Nah-
mens des HErrn willen/ der Papisten und fal-
schen Brüder Schmähungen fliehen möge.
Siehet er mich nicht selber? der ich durch die
gantze Welt denen Praeceptoribus undanckbar/
und ein Verwirrer der Kirche Christi heissen
muß; und solches nicht bey denen/ deren Ur-
theile zu verachten seyn möchten/ sondern bey
den Vornehmsten und Liebsten. Derohalben
sehe er wohl zu/ daß er nicht das Licht unter den
Scheffel setze/ sondern auff den Leuchter/ damit
es allen leuchten möge. Dabey sage demsel-

ben
a 3

oder Zuſaͤtze.
[Spaltenumbruch] ſich erſt nieder/ darnach die andern/ als man
ſich pflegt um Rathſchlaͤge zu ſetzen. Und ei-
ner unter ihnen ſtund auff/ und winckte mit ſei-
ner Hand/ als ein Redener/ und hatte ein lang
Kleid an. Da dieſer ausgeredet/ und ſich wie-
der niedergeſetzet/ ſtund auch der auff/ der die
Krone auff hatte/ und oben an ſaß/ und zog ſein
Schwerdt aus/ hielt auff zwey Finger/ als ei-
ner/ der da ſchweret.

Da ſich nun dieſer wieder geſetzet/ ſteckten die
Maͤnner alle miteinander ihre Haͤupter zu-
ſammen/ als redeten ſie einander heimlich et-
was zu/ ſtunden darnach auff/ und ſchlugen
in ihre Haͤnde/ und ſetzeten ſich wieder nie-
der.

Und in dem Niederſitzen/ ſiehe/ da erhebet ſich
ein greuliches Ungeſtuͤm als eines gewalti-
gen Sturmwindes; darnach kam Blitzen
und Donner mit einem ſehr erſchrecklichen
Feuer/ und im Feuer war ein gluͤend eiſer-
nes Schrenck-Werck/ als ein feuriger Roſt;
daran hiengen krumme und eingebogene
Feuer-Braͤnde/ als waͤren ſie voll Schwe-
fels und Pechs geweſen/ dieſelben ſprungen
von einander/ fielen auff die alle/ ſo in dem
Saal bey einander ſaſſen/ und das Feuer
verzehrete ſie/ daß ſie alle als Wachs ver-
ſchmeltzten ploͤtzlich/ alſo/ daß man weder
Saal noch Maͤnner mehr ſahe.

Und uͤber dem feurigen Roſt ſtund eine lange
regaliſche (realſche) Perſon/ derſelbe hatte
ein feurig Schwerdt in ſeiner Hand/ und
ſchlug das Feuer von einander/ daß die Fun-
cken um ihn her ſtaͤubeten. Hinter dieſem
ſtund ein anderer/ der war noch laͤnger denn
der/ der das Feuer von einander ſchlug/
gleicher Geſtalt als der HErr JEſus auff
dem Grabe gemahlet ſtehet; derſelbe hatte
an ſeinen Haͤnden und Fuͤſſen Wunden/
und auch die Wunden ſeiner Seiten gebloͤſ-
ſet/ und einen rothen Mantel/ als waͤre er
von Seyde geweſen/ uͤbergehencket/ und fuͤh-
rete in ſeiner rechten Hand ein Panier/ und
ſprach mit lauter Stimme: Alſo will ich
euch alle zerſchmeiſſen/ als dieſe zerſchmiſſen
ſind/ wo ihr nicht rechtſchaffene Buſſe thut/
ꝛc.

Und da ich diß alles/ als hier oben angezeiget
iſt/ ſahe/ und hoͤrete dieſe Stimme; konte ich
vor groſſem Schrecken und Angſt bey einer
Stunde nichts reden/ oͤffnete wohl offt den
Mund/ als einer der reden will/ aber die
Zunge konte ich nicht regen/ und mir ward
alſo bange/ daß mich duͤnckete/ Himmel und
Erde haͤtten mir auff dem Leibe gelegen.
Mir iſt auch zu keiner Zeit alſo bange gewe-
ſen/ auch vielleicht nimmermehr werden
kan; bat dennoch im Geiſte und Hertzen al-
ſo: O barmhertziger und guͤter HErr
Chriſte/ du einiger Erloͤſer und Mittler/ der
du zwiſchen uns und deinem lieben Vater
ſteheſt/ und bitteſt ohn Unterlaß vor uns;
Jch bitte dich aus Hertzens-Grund/ du wol-
leſt uns armen Menſchen gnaͤdig und barm-
hertzig ſeyn/ zu wahrer Reu und Leid unſer
Suͤnden kom̃en laſſen/ damit wir auff dein
Verdienſt alleine ſehen/ und darauff ver-
trauen/ und biß an unſer Ende im Glauben
[Spaltenumbruch] beſtaͤndiglich verharren moͤgen mit einem
gottfuͤrchtigen Wandel/ und wolleſt uns
deine Mitt-Erben nicht als dieſe ſo ploͤtzlich
verderben/ ſondern unſern recht ſchwachen
Glauben/ erkaltete Liebe und alle ſuͤndliche
Neigung durch deinen werthen heiligen
Geiſt ſtaͤrcken/ vermehren und heiligen/ ꝛc.

Diß Gebet that ich mit Thraͤnen/ und
lag im Bette/ und ſchwitzte/ als haͤtte ich in
einem Kuͤbel Waſſers gelegen/ und da ich
alſo auffmerckte (tuchtede) an dem Him-
mel/ ſchlug das Feueꝛ in die Kammer hinein/
und Autor mein Sohn rieff mit lauter
Stimme auff/ und ſchrie: Ach Mutter/ wie
heiß und geſchwuͤle (lecht) iſt es. Aber
die Mutter erwachte nicht/ und ward dieſes
Geſichts nicht gewahr/ hoͤrte auch das
Schreyen des Knabens nicht; Jch hoͤrete
es aber wohl/ aber ich konte ihm vor groſſer
Angſt und Bangigkeit nicht antworten.
Als es aber Tag ward/ fragte ich ihn/ was
er gehoͤret und geſehen haͤtte; da antworte-
te er/ Jch habe nichts gehoͤret/ Vater/ ſon-
dern ich ſahe ein groſſes Feuer/ das wolte
mir meine Haare anzuͤnden. Hierum fra-
ge ich ihn offte/ auff daß ich ihn in dem Ge-
daͤchtniß dieſes Geſichtes behalten moͤge.

Um 4. Schlaͤge darnach verſchwand diß alles
miteinander ploͤtzlich/ und ward ſehr finſter/
und gab einen kleinen Platz-Regen.

Und ich hoͤrete eine Stim̃e/ die ſprach: Schrei-
be diß zur Beſſerung der Auserwehlten/ und
zum Schrecken der Gottloſen und Blut-
duͤrſtigen.

Auslegung dieſes Geſichts
Matthiæ Flacii Illyrici,
aus dem Lateiniſchen uͤberſetzet.

Deſſen Viſion, mein Herr Autor, habe wohl
erhalten/ welche mir ſcheinet drey verſchiede-
ne Handlungen in ſich zu begreiffen: nem-
lich

1. Die Wiederbringung des Evangeliſchen
Lichtes: denn dieſes meyne ich/ daß es der
gedeckte Tiſch bedeute.
2. Die Wiederabſchaffung deſſelben Evan-
gelii.
3. Die immerwaͤhrende Beſtraffung der
Gottloſen.

Jch achte aber/ daß derſelbe nicht wohl un-
terlaſſen koͤnne/ es zu ediren; weil ihm befohlen
iſt/ daß ers ſchreiben ſoll. Dieſes wird nicht
nur ſo verſtanden/ daß derſelbe es einem oder
dem andern guten Freunde mittheile/ ſondern
daß er es der gantzen Kirche offenbahre. Und
es iſt auch keine Urſache/ daß er/ um des Nah-
mens des HErrn willen/ der Papiſten und fal-
ſchen Bruͤder Schmaͤhungen fliehen moͤge.
Siehet er mich nicht ſelber? der ich durch die
gantze Welt denen Præceptoribus undanckbar/
und ein Verwirrer der Kirche Chriſti heiſſen
muß; und ſolches nicht bey denen/ deren Ur-
theile zu verachten ſeyn moͤchten/ ſondern bey
den Vornehmſten und Liebſten. Derohalben
ſehe er wohl zu/ daß er nicht das Licht unter den
Scheffel ſetze/ ſondern auff den Leuchter/ damit
es allen leuchten moͤge. Dabey ſage demſel-

ben
a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f1161" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">oder Zu&#x017F;a&#x0364;tze.</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;ich er&#x017F;t nieder/ darnach die andern/ als man<lb/>
&#x017F;ich pflegt um Rath&#x017F;chla&#x0364;ge zu &#x017F;etzen. Und ei-<lb/>
ner unter ihnen &#x017F;tund auff/ und winckte mit &#x017F;ei-<lb/>
ner Hand/ <hi rendition="#fr">als ein Redener/</hi> und hatte ein lang<lb/>
Kleid an. Da die&#x017F;er ausgeredet/ und &#x017F;ich wie-<lb/>
der niederge&#x017F;etzet/ &#x017F;tund auch der auff/ der die<lb/>
Krone auff hatte/ und oben an &#x017F;aß/ und zog &#x017F;ein<lb/>
Schwerdt aus/ hielt auff zwey Finger/ als ei-<lb/>
ner/ der da &#x017F;chweret.</p><lb/>
              <p>Da &#x017F;ich nun die&#x017F;er wieder ge&#x017F;etzet/ &#x017F;teckten die<lb/>
Ma&#x0364;nner alle miteinander ihre Ha&#x0364;upter zu-<lb/>
&#x017F;ammen/ als redeten &#x017F;ie einander heimlich et-<lb/>
was zu/ &#x017F;tunden darnach auff/ und &#x017F;chlugen<lb/>
in ihre Ha&#x0364;nde/ und &#x017F;etzeten &#x017F;ich wieder nie-<lb/>
der.</p><lb/>
              <p>Und in dem Nieder&#x017F;itzen/ &#x017F;iehe/ da erhebet &#x017F;ich<lb/>
ein greuliches Unge&#x017F;tu&#x0364;m als eines gewalti-<lb/>
gen Sturmwindes; darnach kam Blitzen<lb/>
und Donner mit einem &#x017F;ehr er&#x017F;chrecklichen<lb/>
Feuer/ und im Feuer war ein glu&#x0364;end ei&#x017F;er-<lb/>
nes Schrenck-Werck/ als ein feuriger Ro&#x017F;t;<lb/>
daran hiengen krumme und eingebogene<lb/>
Feuer-Bra&#x0364;nde/ als wa&#x0364;ren &#x017F;ie voll Schwe-<lb/>
fels und Pechs gewe&#x017F;en/ die&#x017F;elben &#x017F;prungen<lb/>
von einander/ fielen auff die alle/ &#x017F;o in dem<lb/>
Saal bey einander &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en/ und das Feuer<lb/>
verzehrete &#x017F;ie/ daß &#x017F;ie alle als Wachs ver-<lb/>
&#x017F;chmeltzten plo&#x0364;tzlich/ al&#x017F;o/ daß man weder<lb/>
Saal noch Ma&#x0364;nner mehr &#x017F;ahe.</p><lb/>
              <p>Und u&#x0364;ber dem feurigen Ro&#x017F;t &#x017F;tund eine lange<lb/>
regali&#x017F;che (<hi rendition="#aq">real&#x017F;che</hi>) Per&#x017F;on/ der&#x017F;elbe hatte<lb/>
ein feurig Schwerdt in &#x017F;einer Hand/ und<lb/>
&#x017F;chlug das Feuer von einander/ daß die Fun-<lb/>
cken um ihn her &#x017F;ta&#x0364;ubeten. Hinter die&#x017F;em<lb/>
&#x017F;tund ein anderer/ der war noch la&#x0364;nger denn<lb/>
der/ der das Feuer von einander &#x017F;chlug/<lb/>
gleicher Ge&#x017F;talt als der HErr JE&#x017F;us auff<lb/>
dem Grabe gemahlet &#x017F;tehet; der&#x017F;elbe hatte<lb/>
an &#x017F;einen Ha&#x0364;nden und Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Wunden/<lb/>
und auch die Wunden &#x017F;einer Seiten geblo&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et/ und einen rothen Mantel/ als wa&#x0364;re er<lb/>
von Seyde gewe&#x017F;en/ u&#x0364;bergehencket/ und fu&#x0364;h-<lb/>
rete in &#x017F;einer rechten Hand ein Panier/ und<lb/>
&#x017F;prach mit lauter Stimme: Al&#x017F;o will ich<lb/>
euch alle zer&#x017F;chmei&#x017F;&#x017F;en/ als die&#x017F;e zer&#x017F;chmi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ind/ wo ihr nicht recht&#x017F;chaffene Bu&#x017F;&#x017F;e thut/<lb/>
&#xA75B;c.</p><lb/>
              <p>Und da ich diß alles/ als hier oben angezeiget<lb/>
i&#x017F;t/ &#x017F;ahe/ und ho&#x0364;rete die&#x017F;e Stimme; konte ich<lb/>
vor gro&#x017F;&#x017F;em Schrecken und Ang&#x017F;t bey einer<lb/>
Stunde nichts reden/ o&#x0364;ffnete wohl offt den<lb/>
Mund/ als einer der reden will/ aber die<lb/>
Zunge konte ich nicht regen/ und mir ward<lb/>
al&#x017F;o bange/ daß mich du&#x0364;nckete/ Himmel und<lb/>
Erde ha&#x0364;tten mir auff dem Leibe gelegen.<lb/>
Mir i&#x017F;t auch zu keiner Zeit al&#x017F;o bange gewe-<lb/>
&#x017F;en/ auch vielleicht nimmermehr werden<lb/>
kan; bat dennoch im Gei&#x017F;te und Hertzen al-<lb/>
&#x017F;o: O barmhertziger und gu&#x0364;ter HErr<lb/>
Chri&#x017F;te/ du einiger Erlo&#x0364;&#x017F;er und Mittler/ der<lb/>
du zwi&#x017F;chen uns und deinem lieben Vater<lb/>
&#x017F;tehe&#x017F;t/ und bitte&#x017F;t ohn Unterlaß vor uns;<lb/>
Jch bitte dich aus Hertzens-Grund/ du wol-<lb/>
le&#x017F;t uns armen Men&#x017F;chen gna&#x0364;dig und barm-<lb/>
hertzig &#x017F;eyn/ zu wahrer Reu und Leid un&#x017F;er<lb/>
Su&#x0364;nden kom&#x0303;en la&#x017F;&#x017F;en/ damit wir auff dein<lb/>
Verdien&#x017F;t alleine &#x017F;ehen/ und darauff ver-<lb/>
trauen/ und biß an un&#x017F;er Ende im Glauben<lb/><cb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndiglich verharren mo&#x0364;gen mit einem<lb/>
gottfu&#x0364;rchtigen Wandel/ und wolle&#x017F;t uns<lb/>
deine Mitt-Erben nicht als die&#x017F;e &#x017F;o plo&#x0364;tzlich<lb/>
verderben/ &#x017F;ondern un&#x017F;ern recht &#x017F;chwachen<lb/>
Glauben/ erkaltete Liebe und alle &#x017F;u&#x0364;ndliche<lb/>
Neigung durch deinen werthen heiligen<lb/>
Gei&#x017F;t &#x017F;ta&#x0364;rcken/ vermehren und heiligen/ &#xA75B;c.</p><lb/>
              <p>Diß Gebet that ich mit Thra&#x0364;nen/ und<lb/>
lag im Bette/ und &#x017F;chwitzte/ als ha&#x0364;tte ich in<lb/>
einem Ku&#x0364;bel Wa&#x017F;&#x017F;ers gelegen/ und da ich<lb/>
al&#x017F;o auffmerckte (<hi rendition="#fr">tuchtede</hi>) an dem Him-<lb/>
mel/ &#x017F;chlug das Feue&#xA75B; in die Kammer hinein/<lb/>
und Autor mein Sohn rieff mit lauter<lb/>
Stimme auff/ und &#x017F;chrie: Ach Mutter/ wie<lb/>
heiß und ge&#x017F;chwu&#x0364;le (<hi rendition="#fr">lecht</hi>) i&#x017F;t es. Aber<lb/>
die Mutter erwachte nicht/ und ward die&#x017F;es<lb/>
Ge&#x017F;ichts nicht gewahr/ ho&#x0364;rte auch das<lb/>
Schreyen des Knabens nicht; Jch ho&#x0364;rete<lb/>
es aber wohl/ aber ich konte ihm vor gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Ang&#x017F;t und Bangigkeit nicht antworten.<lb/>
Als es aber Tag ward/ fragte ich ihn/ was<lb/>
er geho&#x0364;ret und ge&#x017F;ehen ha&#x0364;tte; da antworte-<lb/>
te er/ Jch habe nichts geho&#x0364;ret/ Vater/ &#x017F;on-<lb/>
dern ich &#x017F;ahe ein gro&#x017F;&#x017F;es Feuer/ das wolte<lb/>
mir meine Haare anzu&#x0364;nden. Hierum fra-<lb/>
ge ich ihn offte/ auff daß ich ihn in dem Ge-<lb/>
da&#x0364;chtniß die&#x017F;es Ge&#x017F;ichtes behalten mo&#x0364;ge.</p><lb/>
              <p>Um 4. Schla&#x0364;ge darnach ver&#x017F;chwand diß alles<lb/>
miteinander plo&#x0364;tzlich/ und ward &#x017F;ehr fin&#x017F;ter/<lb/>
und gab einen kleinen Platz-Regen.</p><lb/>
              <p>Und ich ho&#x0364;rete eine Stim&#x0303;e/ die &#x017F;prach: Schrei-<lb/>
be diß zur Be&#x017F;&#x017F;erung der Auserwehlten/ und<lb/>
zum Schrecken der Gottlo&#x017F;en und Blut-<lb/>
du&#x0364;r&#x017F;tigen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Auslegung die&#x017F;es Ge&#x017F;ichts</hi><lb/> <hi rendition="#aq">Matthiæ Flacii Illyrici,</hi><lb/> <hi rendition="#b">aus dem Lateini&#x017F;chen u&#x0364;ber&#x017F;etzet.</hi> </head><lb/>
              <p>De&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Vi&#x017F;ion,</hi> mein Herr <hi rendition="#aq">Autor,</hi> habe wohl<lb/>
erhalten/ welche mir &#x017F;cheinet drey ver&#x017F;chiede-<lb/>
ne Handlungen in &#x017F;ich zu begreiffen: nem-<lb/>
lich</p><lb/>
              <list>
                <item>1. Die Wiederbringung des Evangeli&#x017F;chen<lb/>
Lichtes: denn die&#x017F;es meyne ich/ daß es der<lb/>
gedeckte Ti&#x017F;ch bedeute.</item><lb/>
                <item>2. Die Wiederab&#x017F;chaffung de&#x017F;&#x017F;elben Evan-<lb/>
gelii.</item><lb/>
                <item>3. Die immerwa&#x0364;hrende Be&#x017F;traffung der<lb/>
Gottlo&#x017F;en.</item>
              </list><lb/>
              <p>Jch achte aber/ daß der&#x017F;elbe nicht wohl un-<lb/>
terla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nne/ es zu <hi rendition="#aq">edi</hi>ren; weil ihm befohlen<lb/>
i&#x017F;t/ daß ers &#x017F;chreiben &#x017F;oll. Die&#x017F;es wird nicht<lb/>
nur &#x017F;o ver&#x017F;tanden/ daß der&#x017F;elbe es einem oder<lb/>
dem andern guten Freunde mittheile/ &#x017F;ondern<lb/>
daß er es der gantzen Kirche offenbahre. Und<lb/>
es i&#x017F;t auch keine Ur&#x017F;ache/ daß er/ um des Nah-<lb/>
mens des HErrn willen/ der Papi&#x017F;ten und fal-<lb/>
&#x017F;chen Bru&#x0364;der Schma&#x0364;hungen fliehen mo&#x0364;ge.<lb/>
Siehet er mich nicht &#x017F;elber? der ich durch die<lb/>
gantze Welt denen <hi rendition="#aq">Præceptoribus</hi> undanckbar/<lb/>
und ein Verwirrer der Kirche Chri&#x017F;ti hei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
muß; und &#x017F;olches nicht bey denen/ deren Ur-<lb/>
theile zu verachten &#x017F;eyn mo&#x0364;chten/ &#x017F;ondern bey<lb/>
den Vornehm&#x017F;ten und Lieb&#x017F;ten. Derohalben<lb/>
&#x017F;ehe er wohl zu/ daß er nicht das Licht unter den<lb/>
Scheffel &#x017F;etze/ &#x017F;ondern auff den Leuchter/ damit<lb/>
es allen leuchten mo&#x0364;ge. Dabey &#x017F;age dem&#x017F;el-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">a</hi> 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ben</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/1161] oder Zuſaͤtze. ſich erſt nieder/ darnach die andern/ als man ſich pflegt um Rathſchlaͤge zu ſetzen. Und ei- ner unter ihnen ſtund auff/ und winckte mit ſei- ner Hand/ als ein Redener/ und hatte ein lang Kleid an. Da dieſer ausgeredet/ und ſich wie- der niedergeſetzet/ ſtund auch der auff/ der die Krone auff hatte/ und oben an ſaß/ und zog ſein Schwerdt aus/ hielt auff zwey Finger/ als ei- ner/ der da ſchweret. Da ſich nun dieſer wieder geſetzet/ ſteckten die Maͤnner alle miteinander ihre Haͤupter zu- ſammen/ als redeten ſie einander heimlich et- was zu/ ſtunden darnach auff/ und ſchlugen in ihre Haͤnde/ und ſetzeten ſich wieder nie- der. Und in dem Niederſitzen/ ſiehe/ da erhebet ſich ein greuliches Ungeſtuͤm als eines gewalti- gen Sturmwindes; darnach kam Blitzen und Donner mit einem ſehr erſchrecklichen Feuer/ und im Feuer war ein gluͤend eiſer- nes Schrenck-Werck/ als ein feuriger Roſt; daran hiengen krumme und eingebogene Feuer-Braͤnde/ als waͤren ſie voll Schwe- fels und Pechs geweſen/ dieſelben ſprungen von einander/ fielen auff die alle/ ſo in dem Saal bey einander ſaſſen/ und das Feuer verzehrete ſie/ daß ſie alle als Wachs ver- ſchmeltzten ploͤtzlich/ alſo/ daß man weder Saal noch Maͤnner mehr ſahe. Und uͤber dem feurigen Roſt ſtund eine lange regaliſche (realſche) Perſon/ derſelbe hatte ein feurig Schwerdt in ſeiner Hand/ und ſchlug das Feuer von einander/ daß die Fun- cken um ihn her ſtaͤubeten. Hinter dieſem ſtund ein anderer/ der war noch laͤnger denn der/ der das Feuer von einander ſchlug/ gleicher Geſtalt als der HErr JEſus auff dem Grabe gemahlet ſtehet; derſelbe hatte an ſeinen Haͤnden und Fuͤſſen Wunden/ und auch die Wunden ſeiner Seiten gebloͤſ- ſet/ und einen rothen Mantel/ als waͤre er von Seyde geweſen/ uͤbergehencket/ und fuͤh- rete in ſeiner rechten Hand ein Panier/ und ſprach mit lauter Stimme: Alſo will ich euch alle zerſchmeiſſen/ als dieſe zerſchmiſſen ſind/ wo ihr nicht rechtſchaffene Buſſe thut/ ꝛc. Und da ich diß alles/ als hier oben angezeiget iſt/ ſahe/ und hoͤrete dieſe Stimme; konte ich vor groſſem Schrecken und Angſt bey einer Stunde nichts reden/ oͤffnete wohl offt den Mund/ als einer der reden will/ aber die Zunge konte ich nicht regen/ und mir ward alſo bange/ daß mich duͤnckete/ Himmel und Erde haͤtten mir auff dem Leibe gelegen. Mir iſt auch zu keiner Zeit alſo bange gewe- ſen/ auch vielleicht nimmermehr werden kan; bat dennoch im Geiſte und Hertzen al- ſo: O barmhertziger und guͤter HErr Chriſte/ du einiger Erloͤſer und Mittler/ der du zwiſchen uns und deinem lieben Vater ſteheſt/ und bitteſt ohn Unterlaß vor uns; Jch bitte dich aus Hertzens-Grund/ du wol- leſt uns armen Menſchen gnaͤdig und barm- hertzig ſeyn/ zu wahrer Reu und Leid unſer Suͤnden kom̃en laſſen/ damit wir auff dein Verdienſt alleine ſehen/ und darauff ver- trauen/ und biß an unſer Ende im Glauben beſtaͤndiglich verharren moͤgen mit einem gottfuͤrchtigen Wandel/ und wolleſt uns deine Mitt-Erben nicht als dieſe ſo ploͤtzlich verderben/ ſondern unſern recht ſchwachen Glauben/ erkaltete Liebe und alle ſuͤndliche Neigung durch deinen werthen heiligen Geiſt ſtaͤrcken/ vermehren und heiligen/ ꝛc. Diß Gebet that ich mit Thraͤnen/ und lag im Bette/ und ſchwitzte/ als haͤtte ich in einem Kuͤbel Waſſers gelegen/ und da ich alſo auffmerckte (tuchtede) an dem Him- mel/ ſchlug das Feueꝛ in die Kammer hinein/ und Autor mein Sohn rieff mit lauter Stimme auff/ und ſchrie: Ach Mutter/ wie heiß und geſchwuͤle (lecht) iſt es. Aber die Mutter erwachte nicht/ und ward dieſes Geſichts nicht gewahr/ hoͤrte auch das Schreyen des Knabens nicht; Jch hoͤrete es aber wohl/ aber ich konte ihm vor groſſer Angſt und Bangigkeit nicht antworten. Als es aber Tag ward/ fragte ich ihn/ was er gehoͤret und geſehen haͤtte; da antworte- te er/ Jch habe nichts gehoͤret/ Vater/ ſon- dern ich ſahe ein groſſes Feuer/ das wolte mir meine Haare anzuͤnden. Hierum fra- ge ich ihn offte/ auff daß ich ihn in dem Ge- daͤchtniß dieſes Geſichtes behalten moͤge. Um 4. Schlaͤge darnach verſchwand diß alles miteinander ploͤtzlich/ und ward ſehr finſter/ und gab einen kleinen Platz-Regen. Und ich hoͤrete eine Stim̃e/ die ſprach: Schrei- be diß zur Beſſerung der Auserwehlten/ und zum Schrecken der Gottloſen und Blut- duͤrſtigen. Auslegung dieſes Geſichts Matthiæ Flacii Illyrici, aus dem Lateiniſchen uͤberſetzet. Deſſen Viſion, mein Herr Autor, habe wohl erhalten/ welche mir ſcheinet drey verſchiede- ne Handlungen in ſich zu begreiffen: nem- lich 1. Die Wiederbringung des Evangeliſchen Lichtes: denn dieſes meyne ich/ daß es der gedeckte Tiſch bedeute. 2. Die Wiederabſchaffung deſſelben Evan- gelii. 3. Die immerwaͤhrende Beſtraffung der Gottloſen. Jch achte aber/ daß derſelbe nicht wohl un- terlaſſen koͤnne/ es zu ediren; weil ihm befohlen iſt/ daß ers ſchreiben ſoll. Dieſes wird nicht nur ſo verſtanden/ daß derſelbe es einem oder dem andern guten Freunde mittheile/ ſondern daß er es der gantzen Kirche offenbahre. Und es iſt auch keine Urſache/ daß er/ um des Nah- mens des HErrn willen/ der Papiſten und fal- ſchen Bruͤder Schmaͤhungen fliehen moͤge. Siehet er mich nicht ſelber? der ich durch die gantze Welt denen Præceptoribus undanckbar/ und ein Verwirrer der Kirche Chriſti heiſſen muß; und ſolches nicht bey denen/ deren Ur- theile zu verachten ſeyn moͤchten/ ſondern bey den Vornehmſten und Liebſten. Derohalben ſehe er wohl zu/ daß er nicht das Licht unter den Scheffel ſetze/ ſondern auff den Leuchter/ damit es allen leuchten moͤge. Dabey ſage demſel- ben a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1161
Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1161>, abgerufen am 20.11.2024.