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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettae Lebenslauff.
[Spaltenumbruch] wann wir in den umgängen/ dem kreutze fol-
gen/ und es darum thun/ daß wir den fußstapf-
fen des Herrn Jesus/ die er uns im außwircken
unserer seligkeit hinterlassen/ folgen; in dem
wir durch eine bewegung des leibes/ anzeigen/
daß wir ihm/ als wahre Christen zu folgen ge-
willet. Wann alle solche bewegung des lei-
bes/ auß der zuneygung und liebe/ die wir zu
Gott tragen/ herrühren/ so seynd sie ihm gewißlich
angenehm/ und die eigenen mittel uns mit ihm
gleichsam zu besprechen/ durch die betrachtung
der gnaden/ die er uns durch den gang/ den er
unser seligkeit wegen gethan/ erwiesen.

19. Aber es ist zu beklagen und würdig zu
mißpreisen/ daß wir alle solche gute dinge/ auß
menschlicher und natürlicher ein sicht/ ohne in-
nerliche bewegung für uns selbsten thun.
Und also nützet es uns nichts: Weil diese äus-
serliche dinge nichts anders seye solten/ als
zeugniße der liebe/ die wir zu Gott tragen; die
aber falsche zeugnisse seyndt/ wann unser liebe
solcher gestalt nicht beschaffen/ wie wir sie
durch unser äusserliches thun blicken lassen.
Dann das creutz/ und die bilder oder überblei-
bungen der heiligen lieben/ ohne diesen vorsatz/ da-
mit sie unser hertz bewegen möchten Gott zu lie-
ben/ gleich wie die liebe gegen unsere eltern/ die
todt oder weit vor uns seynd/ sich durch die be-
trachtung ihrer gestalt erneuert? das wäre
nichts anders als die bilder nicht mehr lieben/
als unsern rock oder irgend was von unserm
haußrathe. Und derselbe findet sich betrogen/
der in das paradieß zu gehen glaubet/ weil er
die bilder geschmücket/ oder einigen heiligen ge-
glaubet/ geliebet; in dem er zum öfftern
Gott in denselben nicht betrachtet/ noch auch
sein hertz/ vermittelst solcher bilder/ oder an-
der gottseligen dingen in der liebe Gottes/
brünstig zu seyn geworden verspühret; sondern
sie nur auß gewohnheit oder weil es andere
thun/ derer bewegursachen solches zuthun man
nicht weiß/ küsset und ehret. So öffnet man
dasselbe nach/ was man thun sihet/ gleichwie
die affen/ und bringet seine zeit vergeblich zu/
ja stirbet ohne verdienst; in dem man sich um-
sonst eingebildet/ mit guten scheinwercken/
die nicht warhafftig gewesen/ selig zu werden:
Welches man im tode viel zu späte gewahr
werden wird/ weil man alsdann nicht wider-
kehren kan/ solches zu bereuen.

Das neunte Capitel.
Jnhalt.

Daß unser gerechtigkeiten sollen verdammet
"werden; weil sie in den augen Gottes die-
"selben nicht seynd/ die sie in den unsrigen
"scheinen; und weil sie machen/ daß wir in ein-
"bildung leben/ und ohne busse sterben/ daß
"die lehrer/ die uns darinnen unterhalten/ fal-
"sche Propheten seynd/ die uns in der sänffte
"sehr leichtlich nach der hölle zu führen; in dem
"wir unsere sinnlichkeit und eigen liebe fol-
"gen; daß alles unser äuserlichesthun an-
"ders nichts sey als zeugnüß der liebe unsers
"hertzens/ daß dasselbe thun weder die tugend
"noch die sünde verursache/ sondern nur das
"was unser hertz thut/ anzeige: Weil wir
"ohne die äusserliche böse that allerhand
"sünden begehen können/ in dem alles was dö-
"se ist/ allein auß dem hertzen herrühret.

[Spaltenumbruch]

1. Es wäre viel besser/ man hätte diese leib
liche andachten nicht verrichtet/ als daß man
sich darauff/ als auff einen gebrochenen stab/
der unsere todes reise gefährlicher machet/ leh-
nen wil. Dann wir werden uns allda mit leh-
ren händen befinden/ in dem uns alle unsere äu-
serliche wercke nicht selig machen können; zu-
mahl weil der HErr Jesus selbst saget: Wann
eure gerechtigkeit nicht besser ist/ als dieselbe
der Pharisäer/ so werdet ihr in das Himmel-
reich nicht kommen.

2. Die Pharisäer waren in ihren äuserli-
chen wercken viel vollkommener als wir; gleich-
wohl saget der HErr Jesus/ daß man besser
seyn müsse/ wann man in das Himmelreich ein-
gehen wolte. Sie gaben armen steuren sie
entrichteten den zehenden. Sie fasteten und
beobachteten alle gebräuche des gesetzes. Und
wir thun alles dasselbe lange so vollkommen
nicht als sie. Gleichwohl glauben wir selig zu
werden/ in dem wir nicht bedencken/ daß sol-
ches uns zur warnung gesaget sey/ und daß
unser wercke/ wie gut wir sie halten/ nicht als
leiblich und äuserlich seynd/ und nach
unserer eigenen zuneigung geschehen.

3. Wir solten ehe für forcht zittern/ als uns
die seligkeit selbst verheissen: weil eben dersel-
be HErr Jesus sagt/ daß er unsere gerechtig-
keiten bewähren wolte/ daß ist so viel zu sagen/
als daß er solches mit unsern äuserlichen guten
wercken/ dadurch wir uns zu rechtfertigen ge-
dachten/ thun wolle. Diese seynd unsere ge-
rechtigkeiten; weil sie vor unsern augen recht
scheinen/ doch gleichwohl von Gott werden
gerichtet und verdammet werden/ in dem sie
nicht geschehen seynd in seiner gerechtigkeit/
sondern in der unsrigen/ die uns viel leichter in
das ewige verderben stürtzet/ als zuweiln ei-
nige grobe sünden/ die uns allezeit in der furcht
halten würden/ dahingegen diese wercke/ wel-
che wir für gut schätzen/ machen/ daß wir in der
einbildung unserer seligkeit ohne reue und bu-
se hinleben/ und hinsterben. Jch sage die-
ses nicht zu denen seelen/ die sich den sünden und
bösen wercken ergeben; weil dieselben schon
verdammet seynd/ und weder durch das liecht
noch durch warnung können bewogen werden/
als solche/ derer hertz gantz verstocktist. Son-
dern ich rede zu denen seelen/ welche noch die
begierde haben Gott zu gefallen/ und unter des-
sen in der dicken finsternüß stecken/ dergestalt/
daß sie nicht sehen können/ wo sie wandeln.

4. Daher ist es/ daß sie auff dem wege der
verdammnüß seynd/ in dem sie meinen densel-
ben zur seligkeit zu gehen: Zu mahl weil wir je-
tzund in der zeit leben/ da der teuffel über al-
les herrschet und die meisten frommen leute/ so
fern sie sich nicht wohl hüten/ unter dem Schei-
ne der Gottseligkeit verführet wird. Er ist all-
bereit so hoch gekommen daß die besten leibeige-
ne/ und die bösen seine lohnknechte seynd.
Und also hat er alles in seiner gnade: Ja man
mag von dieser unser zeit wohl sagen/ daß das
Wort Davids erfüllet sey/ wann er spricht: Daß
Gott vom himmel auff alle Menschen-Kinder
gesehen; und keinen gefunden/ der gutes thue auch
nicht einen. Jst dieses nicht erschrecklich zu hö-
ren? Unterdessen findet sich gleichwohl keiner
der darauff mercke.

5. Man laufft blindlings nach der hölle zu/

oder

Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettæ Lebenslauff.
[Spaltenumbruch] wann wir in den umgaͤngen/ dem kreutze fol-
gen/ und es darum thun/ daß wir den fußſtapf-
fen des Herꝛn Jeſus/ die er uns im außwircken
unſerer ſeligkeit hinterlaſſen/ folgen; in dem
wir durch eine bewegung des leibes/ anzeigen/
daß wir ihm/ als wahre Chriſten zu folgen ge-
willet. Wann alle ſolche bewegung des lei-
bes/ auß der zuneygung und liebe/ die wir zu
Gott tragẽ/ herruͤhrẽ/ ſo ſeynd ſie ihm gewißlich
angenehm/ und die eigenen mittel uns mit ihm
gleichſam zu beſprechen/ durch die betrachtung
der gnaden/ die er uns durch den gang/ den er
unſer ſeligkeit wegen gethan/ erwieſen.

19. Aber es iſt zu beklagen und wuͤrdig zu
mißpreiſen/ daß wir alle ſolche gute dinge/ auß
menſchlicher und natuͤrlicher ein ſicht/ ohne in-
nerliche bewegung fuͤr uns ſelbſten thun.
Und alſo nuͤtzet es uns nichts: Weil dieſe aͤuſ-
ſerliche dinge nichts anders ſeye ſolten/ als
zeugniße der liebe/ die wir zu Gott tragen; die
aber falſche zeugniſſe ſeyndt/ wann unſer liebe
ſolcher geſtalt nicht beſchaffen/ wie wir ſie
durch unſer aͤuſſerliches thun blicken laſſen.
Dann das creutz/ und die bilder oder uͤberblei-
bungẽ der heiligẽ lieben/ ohne dieſen vorſatz/ da-
mit ſie unſer hertz bewegen moͤchten Gott zu lie-
ben/ gleich wie die liebe gegen unſere eltern/ die
todt oder weit vor uns ſeynd/ ſich durch die be-
trachtung ihrer geſtalt erneuert? das waͤre
nichts anders als die bilder nicht mehr lieben/
als unſern rock oder irgend was von unſerm
haußrathe. Und derſelbe findet ſich betrogen/
der in das paradieß zu gehen glaubet/ weil er
die bilder geſchmuͤcket/ oder einigen heiligen ge-
glaubet/ geliebet; in dem er zum oͤfftern
Gott in denſelben nicht betrachtet/ noch auch
ſein hertz/ vermittelſt ſolcher bilder/ oder an-
der gottſeligen dingen in der liebe Gottes/
bruͤnſtig zu ſeyn geworden verſpuͤhret; ſondern
ſie nur auß gewohnheit oder weil es andere
thun/ derer bewegurſachen ſolches zuthun man
nicht weiß/ kuͤſſet und ehret. So oͤffnet man
daſſelbe nach/ was man thun ſihet/ gleichwie
die affen/ und bringet ſeine zeit vergeblich zu/
ja ſtirbet ohne verdienſt; in dem man ſich um-
ſonſt eingebildet/ mit guten ſcheinwercken/
die nicht warhafftig geweſen/ ſelig zu werden:
Welches man im tode viel zu ſpaͤte gewahr
werden wird/ weil man alsdann nicht wider-
kehren kan/ ſolches zu bereuen.

Das neunte Capitel.
Jnhalt.

Daß unſer gerechtigkeiten ſollen verdammet
„werden; weil ſie in den augen Gottes die-
„ſelben nicht ſeynd/ die ſie in den unſrigen
„ſcheinen; und weil ſie machen/ daß wir in ein-
„bildung leben/ und ohne buſſe ſterben/ daß
„die lehrer/ die uns darinnen unterhalten/ fal-
„ſche Propheten ſeynd/ die uns in der ſaͤnffte
„ſehr leichtlich nach der hoͤlle zu fuͤhren; in dem
„wir unſere ſinnlichkeit und eigen liebe fol-
„gen; daß alles unſer aͤuſerlichesthun an-
„ders nichts ſey als zeugnuͤß der liebe unſers
„hertzens/ daß daſſelbe thun weder die tugend
„noch die ſuͤnde verurſache/ ſondern nur das
„was unſer hertz thut/ anzeige: Weil wir
„ohne die aͤuſſerliche boͤſe that allerhand
„ſuͤnden begehen koͤnnen/ in dem alles was doͤ-
„ſe iſt/ allein auß dem hertzen herruͤhret.

[Spaltenumbruch]

1. Es waͤre viel beſſer/ man haͤtte dieſe leib
liche andachten nicht verrichtet/ als daß man
ſich darauff/ als auff einen gebrochenen ſtab/
der unſere todes reiſe gefaͤhrlicher machet/ leh-
nen wil. Dann wir werden uns allda mit leh-
ren haͤnden befinden/ in dem uns alle unſere aͤu-
ſerliche wercke nicht ſelig machen koͤnnen; zu-
mahl weil der HErꝛ Jeſus ſelbſt ſaget: Wann
eure gerechtigkeit nicht beſſer iſt/ als dieſelbe
der Phariſaͤer/ ſo werdet ihr in das Himmel-
reich nicht kommen.

2. Die Phariſaͤer waren in ihren aͤuſerli-
chen weꝛcken viel vollkommener als wir; gleich-
wohl ſaget der HErꝛ Jeſus/ daß man beſſer
ſeyn muͤſſe/ wann man in das Himmelreich ein-
gehen wolte. Sie gaben armen ſteuren ſie
entrichteten den zehenden. Sie faſteten und
beobachteten alle gebraͤuche des geſetzes. Und
wir thun alles daſſelbe lange ſo vollkommen
nicht als ſie. Gleichwohl glauben wir ſelig zu
werden/ in dem wir nicht bedencken/ daß ſol-
ches uns zur warnung geſaget ſey/ und daß
unſer wercke/ wie gut wir ſie halten/ nicht als
leiblich und aͤuſerlich ſeynd/ und nach
unſerer eigenen zuneigung geſchehen.

3. Wir ſolten ehe fuͤr forcht zittern/ als uns
die ſeligkeit ſelbſt verheiſſen: weil eben derſel-
be HErꝛ Jeſus ſagt/ daß er unſere gerechtig-
keiten bewaͤhren wolte/ daß iſt ſo viel zu ſagen/
als daß er ſolches mit unſern aͤuſerlichen guten
wercken/ dadurch wir uns zu rechtfertigen ge-
dachten/ thun wolle. Dieſe ſeynd unſere ge-
rechtigkeiten; weil ſie vor unſern augen recht
ſcheinen/ doch gleichwohl von Gott werden
gerichtet und verdammet werden/ in dem ſie
nicht geſchehen ſeynd in ſeiner gerechtigkeit/
ſondern in der unſrigen/ die uns viel leichter in
das ewige verderben ſtuͤrtzet/ als zuweiln ei-
nige grobe ſuͤnden/ die uns allezeit in der furcht
halten wuͤrden/ dahingegen dieſe wercke/ wel-
che wir fuͤr gut ſchaͤtzen/ machen/ daß wir in der
einbildung unſerer ſeligkeit ohne reue und bu-
ſe hinleben/ und hinſterben. Jch ſage die-
ſes nicht zu denen ſeelen/ die ſich den ſuͤnden und
boͤſen wercken ergeben; weil dieſelben ſchon
verdammet ſeynd/ und weder durch das liecht
noch durch warnung koͤnnen bewogen werden/
als ſolche/ derer hertz gantz verſtocktiſt. Son-
dern ich rede zu denen ſeelen/ welche noch die
begierde haben Gott zu gefallen/ und unter deſ-
ſen in der dicken finſternuͤß ſtecken/ dergeſtalt/
daß ſie nicht ſehen koͤnnen/ wo ſie wandeln.

4. Daher iſt es/ daß ſie auff dem wege der
verdammnuͤß ſeynd/ in dem ſie meinen denſel-
ben zur ſeligkeit zu gehen: Zu mahl weil wir je-
tzund in der zeit leben/ da der teuffel uͤber al-
les herꝛſchet und die meiſten frommen leute/ ſo
fern ſie ſich nicht wohl huͤten/ unter dem Schei-
ne der Gottſeligkeit verfuͤhret wird. Er iſt all-
bereit ſo hoch gekommen daß die beſten leibeige-
ne/ und die boͤſen ſeine lohnknechte ſeynd.
Und alſo hat er alles in ſeiner gnade: Ja man
mag von dieſer unſer zeit wohl ſagen/ daß das
Wort Davids erfuͤllet ſey/ wañ er ſpricht: Daß
Gott vom himmel auff alle Menſchen-Kinder
geſehen; und keinẽ gefunden/ der gutes thue auch
nicht einen. Jſt dieſes nicht erſchrecklich zu hoͤ-
ren? Unterdeſſen findet ſich gleichwohl keiner
der darauff mercke.

5. Man laufft blindlings nach der hoͤlle zu/

oder
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[756/1064] Th. IV. Sect. III. Num. XVII. Antoinettæ Lebenslauff. wann wir in den umgaͤngen/ dem kreutze fol- gen/ und es darum thun/ daß wir den fußſtapf- fen des Herꝛn Jeſus/ die er uns im außwircken unſerer ſeligkeit hinterlaſſen/ folgen; in dem wir durch eine bewegung des leibes/ anzeigen/ daß wir ihm/ als wahre Chriſten zu folgen ge- willet. Wann alle ſolche bewegung des lei- bes/ auß der zuneygung und liebe/ die wir zu Gott tragẽ/ herruͤhrẽ/ ſo ſeynd ſie ihm gewißlich angenehm/ und die eigenen mittel uns mit ihm gleichſam zu beſprechen/ durch die betrachtung der gnaden/ die er uns durch den gang/ den er unſer ſeligkeit wegen gethan/ erwieſen. 19. Aber es iſt zu beklagen und wuͤrdig zu mißpreiſen/ daß wir alle ſolche gute dinge/ auß menſchlicher und natuͤrlicher ein ſicht/ ohne in- nerliche bewegung fuͤr uns ſelbſten thun. Und alſo nuͤtzet es uns nichts: Weil dieſe aͤuſ- ſerliche dinge nichts anders ſeye ſolten/ als zeugniße der liebe/ die wir zu Gott tragen; die aber falſche zeugniſſe ſeyndt/ wann unſer liebe ſolcher geſtalt nicht beſchaffen/ wie wir ſie durch unſer aͤuſſerliches thun blicken laſſen. Dann das creutz/ und die bilder oder uͤberblei- bungẽ der heiligẽ lieben/ ohne dieſen vorſatz/ da- mit ſie unſer hertz bewegen moͤchten Gott zu lie- ben/ gleich wie die liebe gegen unſere eltern/ die todt oder weit vor uns ſeynd/ ſich durch die be- trachtung ihrer geſtalt erneuert? das waͤre nichts anders als die bilder nicht mehr lieben/ als unſern rock oder irgend was von unſerm haußrathe. Und derſelbe findet ſich betrogen/ der in das paradieß zu gehen glaubet/ weil er die bilder geſchmuͤcket/ oder einigen heiligen ge- glaubet/ geliebet; in dem er zum oͤfftern Gott in denſelben nicht betrachtet/ noch auch ſein hertz/ vermittelſt ſolcher bilder/ oder an- der gottſeligen dingen in der liebe Gottes/ bruͤnſtig zu ſeyn geworden verſpuͤhret; ſondern ſie nur auß gewohnheit oder weil es andere thun/ derer bewegurſachen ſolches zuthun man nicht weiß/ kuͤſſet und ehret. So oͤffnet man daſſelbe nach/ was man thun ſihet/ gleichwie die affen/ und bringet ſeine zeit vergeblich zu/ ja ſtirbet ohne verdienſt; in dem man ſich um- ſonſt eingebildet/ mit guten ſcheinwercken/ die nicht warhafftig geweſen/ ſelig zu werden: Welches man im tode viel zu ſpaͤte gewahr werden wird/ weil man alsdann nicht wider- kehren kan/ ſolches zu bereuen. Das neunte Capitel. Jnhalt. Daß unſer gerechtigkeiten ſollen verdammet „werden; weil ſie in den augen Gottes die- „ſelben nicht ſeynd/ die ſie in den unſrigen „ſcheinen; und weil ſie machen/ daß wir in ein- „bildung leben/ und ohne buſſe ſterben/ daß „die lehrer/ die uns darinnen unterhalten/ fal- „ſche Propheten ſeynd/ die uns in der ſaͤnffte „ſehr leichtlich nach der hoͤlle zu fuͤhren; in dem „wir unſere ſinnlichkeit und eigen liebe fol- „gen; daß alles unſer aͤuſerlichesthun an- „ders nichts ſey als zeugnuͤß der liebe unſers „hertzens/ daß daſſelbe thun weder die tugend „noch die ſuͤnde verurſache/ ſondern nur das „was unſer hertz thut/ anzeige: Weil wir „ohne die aͤuſſerliche boͤſe that allerhand „ſuͤnden begehen koͤnnen/ in dem alles was doͤ- „ſe iſt/ allein auß dem hertzen herruͤhret. 1. Es waͤre viel beſſer/ man haͤtte dieſe leib liche andachten nicht verrichtet/ als daß man ſich darauff/ als auff einen gebrochenen ſtab/ der unſere todes reiſe gefaͤhrlicher machet/ leh- nen wil. Dann wir werden uns allda mit leh- ren haͤnden befinden/ in dem uns alle unſere aͤu- ſerliche wercke nicht ſelig machen koͤnnen; zu- mahl weil der HErꝛ Jeſus ſelbſt ſaget: Wann eure gerechtigkeit nicht beſſer iſt/ als dieſelbe der Phariſaͤer/ ſo werdet ihr in das Himmel- reich nicht kommen. 2. Die Phariſaͤer waren in ihren aͤuſerli- chen weꝛcken viel vollkommener als wir; gleich- wohl ſaget der HErꝛ Jeſus/ daß man beſſer ſeyn muͤſſe/ wann man in das Himmelreich ein- gehen wolte. Sie gaben armen ſteuren ſie entrichteten den zehenden. Sie faſteten und beobachteten alle gebraͤuche des geſetzes. Und wir thun alles daſſelbe lange ſo vollkommen nicht als ſie. Gleichwohl glauben wir ſelig zu werden/ in dem wir nicht bedencken/ daß ſol- ches uns zur warnung geſaget ſey/ und daß unſer wercke/ wie gut wir ſie halten/ nicht als leiblich und aͤuſerlich ſeynd/ und nach unſerer eigenen zuneigung geſchehen. 3. Wir ſolten ehe fuͤr forcht zittern/ als uns die ſeligkeit ſelbſt verheiſſen: weil eben derſel- be HErꝛ Jeſus ſagt/ daß er unſere gerechtig- keiten bewaͤhren wolte/ daß iſt ſo viel zu ſagen/ als daß er ſolches mit unſern aͤuſerlichen guten wercken/ dadurch wir uns zu rechtfertigen ge- dachten/ thun wolle. Dieſe ſeynd unſere ge- rechtigkeiten; weil ſie vor unſern augen recht ſcheinen/ doch gleichwohl von Gott werden gerichtet und verdammet werden/ in dem ſie nicht geſchehen ſeynd in ſeiner gerechtigkeit/ ſondern in der unſrigen/ die uns viel leichter in das ewige verderben ſtuͤrtzet/ als zuweiln ei- nige grobe ſuͤnden/ die uns allezeit in der furcht halten wuͤrden/ dahingegen dieſe wercke/ wel- che wir fuͤr gut ſchaͤtzen/ machen/ daß wir in der einbildung unſerer ſeligkeit ohne reue und bu- ſe hinleben/ und hinſterben. Jch ſage die- ſes nicht zu denen ſeelen/ die ſich den ſuͤnden und boͤſen wercken ergeben; weil dieſelben ſchon verdammet ſeynd/ und weder durch das liecht noch durch warnung koͤnnen bewogen werden/ als ſolche/ derer hertz gantz verſtocktiſt. Son- dern ich rede zu denen ſeelen/ welche noch die begierde haben Gott zu gefallen/ und unter deſ- ſen in der dicken finſternuͤß ſtecken/ dergeſtalt/ daß ſie nicht ſehen koͤnnen/ wo ſie wandeln. 4. Daher iſt es/ daß ſie auff dem wege der verdammnuͤß ſeynd/ in dem ſie meinen denſel- ben zur ſeligkeit zu gehen: Zu mahl weil wir je- tzund in der zeit leben/ da der teuffel uͤber al- les herꝛſchet und die meiſten frommen leute/ ſo fern ſie ſich nicht wohl huͤten/ unter dem Schei- ne der Gottſeligkeit verfuͤhret wird. Er iſt all- bereit ſo hoch gekommen daß die beſten leibeige- ne/ und die boͤſen ſeine lohnknechte ſeynd. Und alſo hat er alles in ſeiner gnade: Ja man mag von dieſer unſer zeit wohl ſagen/ daß das Wort Davids erfuͤllet ſey/ wañ er ſpricht: Daß Gott vom himmel auff alle Menſchen-Kinder geſehen; und keinẽ gefunden/ der gutes thue auch nicht einen. Jſt dieſes nicht erſchrecklich zu hoͤ- ren? Unterdeſſen findet ſich gleichwohl keiner der darauff mercke. 5. Man laufft blindlings nach der hoͤlle zu/ oder

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 756. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/1064>, abgerufen am 20.11.2024.