Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Eine Zeitlang flattert die Seele am Boden aber
bald schwebt sie aufwärts in den kühlenden Äther.
Schönheit ist Äther! -- sie kühlt, -- nicht entflammt. --
Die Schönheit erkennen, das ist die wahre Handlung
der Liebe. -- Liebe ist kein Irrthum, aber ach! der
Wahn der sie verfolgt. -- Du siehst ich will einen Ein-
gang suchen mit Dir zu sprechen, aber wenn ich auch auf
Kothurnen schreite -- der Leib ist zu schwach den Geist
zu tragen, -- beladne Äste schleifen die Früchte am
Boden. Ach! bald werden diese Träume ausgeflammt
haben.


Du siehst an diesem Papier das es schon alt ist
und daß ich's schon lang mit mir herumtrage, ich schriebs
im vorigen Jahr gleich nachdem ich Dich verlassen hatte.
Es war mir plötzlich als wollen alle Gedanken mit mir
zusammenbrechen, ich mußte aufhören zu schreiben; doch
ruft von Zeit zu Zeit eine Stimme daß ich Dir noch
alles sagen soll. Ich geh auf's Land, da will ich wo
möglich den Blick über dies Erdenleben hinaustragen,
ich will ihn in Nebel hüllen, daß er nichts gewahr werde


Eine Zeitlang flattert die Seele am Boden aber
bald ſchwebt ſie aufwärts in den kühlenden Äther.
Schönheit iſt Äther! — ſie kühlt, — nicht entflammt. —
Die Schönheit erkennen, das iſt die wahre Handlung
der Liebe. — Liebe iſt kein Irrthum, aber ach! der
Wahn der ſie verfolgt. — Du ſiehſt ich will einen Ein-
gang ſuchen mit Dir zu ſprechen, aber wenn ich auch auf
Kothurnen ſchreite — der Leib iſt zu ſchwach den Geiſt
zu tragen, — beladne Äſte ſchleifen die Früchte am
Boden. Ach! bald werden dieſe Träume ausgeflammt
haben.


Du ſiehſt an dieſem Papier das es ſchon alt iſt
und daß ich's ſchon lang mit mir herumtrage, ich ſchriebs
im vorigen Jahr gleich nachdem ich Dich verlaſſen hatte.
Es war mir plötzlich als wollen alle Gedanken mit mir
zuſammenbrechen, ich mußte aufhören zu ſchreiben; doch
ruft von Zeit zu Zeit eine Stimme daß ich Dir noch
alles ſagen ſoll. Ich geh auf's Land, da will ich wo
möglich den Blick über dies Erdenleben hinaustragen,
ich will ihn in Nebel hüllen, daß er nichts gewahr werde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0319" n="309"/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#et">Den 24.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Eine Zeitlang flattert die Seele am Boden aber<lb/>
bald &#x017F;chwebt &#x017F;ie aufwärts in den kühlenden Äther.<lb/>
Schönheit i&#x017F;t Äther! &#x2014; &#x017F;ie kühlt, &#x2014; nicht entflammt. &#x2014;<lb/>
Die Schönheit erkennen, das i&#x017F;t die wahre Handlung<lb/>
der Liebe. &#x2014; Liebe i&#x017F;t kein Irrthum, aber ach! der<lb/>
Wahn der &#x017F;ie verfolgt. &#x2014; Du &#x017F;ieh&#x017F;t ich will einen Ein-<lb/>
gang &#x017F;uchen mit Dir zu &#x017F;prechen, aber wenn ich auch auf<lb/>
Kothurnen &#x017F;chreite &#x2014; der Leib i&#x017F;t zu &#x017F;chwach den Gei&#x017F;t<lb/>
zu tragen, &#x2014; beladne Ä&#x017F;te &#x017F;chleifen die Früchte am<lb/>
Boden. Ach! bald werden die&#x017F;e Träume ausgeflammt<lb/>
haben.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#et">Den 29. Juni 1822.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Du &#x017F;ieh&#x017F;t an die&#x017F;em Papier das es &#x017F;chon alt i&#x017F;t<lb/>
und daß ich's &#x017F;chon lang mit mir herumtrage, ich &#x017F;chriebs<lb/>
im vorigen Jahr gleich nachdem ich Dich verla&#x017F;&#x017F;en hatte.<lb/>
Es war mir plötzlich als wollen alle Gedanken mit mir<lb/>
zu&#x017F;ammenbrechen, ich mußte aufhören zu &#x017F;chreiben; doch<lb/>
ruft von Zeit zu Zeit eine Stimme daß ich Dir noch<lb/>
alles &#x017F;agen &#x017F;oll. Ich geh auf's Land, da will ich wo<lb/>
möglich den Blick über dies Erdenleben hinaustragen,<lb/>
ich will ihn in Nebel hüllen, daß er nichts gewahr werde<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0319] Den 24. Eine Zeitlang flattert die Seele am Boden aber bald ſchwebt ſie aufwärts in den kühlenden Äther. Schönheit iſt Äther! — ſie kühlt, — nicht entflammt. — Die Schönheit erkennen, das iſt die wahre Handlung der Liebe. — Liebe iſt kein Irrthum, aber ach! der Wahn der ſie verfolgt. — Du ſiehſt ich will einen Ein- gang ſuchen mit Dir zu ſprechen, aber wenn ich auch auf Kothurnen ſchreite — der Leib iſt zu ſchwach den Geiſt zu tragen, — beladne Äſte ſchleifen die Früchte am Boden. Ach! bald werden dieſe Träume ausgeflammt haben. Den 29. Juni 1822. Du ſiehſt an dieſem Papier das es ſchon alt iſt und daß ich's ſchon lang mit mir herumtrage, ich ſchriebs im vorigen Jahr gleich nachdem ich Dich verlaſſen hatte. Es war mir plötzlich als wollen alle Gedanken mit mir zuſammenbrechen, ich mußte aufhören zu ſchreiben; doch ruft von Zeit zu Zeit eine Stimme daß ich Dir noch alles ſagen ſoll. Ich geh auf's Land, da will ich wo möglich den Blick über dies Erdenleben hinaustragen, ich will ihn in Nebel hüllen, daß er nichts gewahr werde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/319
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/319>, abgerufen am 21.11.2024.