Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Julius Hart. O, könnt' ich doch auf dieser Wolken Nacht In Feuerlettern meine Dichtung schreiben, Die Dichtung, höll- und himmelheiß entfacht, Und mit dem Sturm durch alle Lande treiben. Dann sollte, wie bei wirbelndem Trommelklang, Die Menschheit aus dem trägen Träumen schrecken, Schlafmordend sollte mein Gesang Zu heil'gem Kampf die Müden wecken. Aus Zeitschriften, Sammelwerken u. s. w.: Die heilige Elisabeth. 1879. O du Nacht, der Seele finstere Nacht, Du endlos tiefe Schmerzensnacht, Hier lieg ich, blutig den Leib benetzt, Den die Geißel in rothe Wunden zerfetzt. O du Nacht, der Seele finstere Nacht, Wie flieh' ich vor dir, qualvolle Nacht? Wo bliebst du, mein sonnenleuchtender Tag, Mit Rosenblüthen und Drosselschlag? Maria, du Königin -- süßes Licht, Ich schaue und höre -- ich finde dich nicht! Wie hab' ich sonst deine Hände geküßt, Deine Lippen gestreift in sel'gem Gelüst. Wie hab' ich die Welt inbrünstig gehegt, Wie die Sonne in Liebe die Blumen pflegt, Die Pest lag sterbend in meinem Schooß, Ich küßte die Kranken vom Tode los. Des Armen Kind lag an meiner Brust, Und trank die süße heimliche Lust, Des Juden verachtete Tochter umschlang Mein Arm, und ich küßte sie heiß und lang. Julius Hart. O, könnt’ ich doch auf dieſer Wolken Nacht In Feuerlettern meine Dichtung ſchreiben, Die Dichtung, höll- und himmelheiß entfacht, Und mit dem Sturm durch alle Lande treiben. Dann ſollte, wie bei wirbelndem Trommelklang, Die Menſchheit aus dem trägen Träumen ſchrecken, Schlafmordend ſollte mein Geſang Zu heil’gem Kampf die Müden wecken. Aus Zeitſchriften, Sammelwerken u. ſ. w.: Die heilige Eliſabeth. 1879. O du Nacht, der Seele finſtere Nacht, Du endlos tiefe Schmerzensnacht, Hier lieg ich, blutig den Leib benetzt, Den die Geißel in rothe Wunden zerfetzt. O du Nacht, der Seele finſtere Nacht, Wie flieh’ ich vor dir, qualvolle Nacht? Wo bliebſt du, mein ſonnenleuchtender Tag, Mit Roſenblüthen und Droſſelſchlag? Maria, du Königin — ſüßes Licht, Ich ſchaue und höre — ich finde dich nicht! Wie hab’ ich ſonſt deine Hände geküßt, Deine Lippen geſtreift in ſel’gem Gelüſt. Wie hab’ ich die Welt inbrünſtig gehegt, Wie die Sonne in Liebe die Blumen pflegt, Die Peſt lag ſterbend in meinem Schooß, Ich küßte die Kranken vom Tode los. Des Armen Kind lag an meiner Bruſt, Und trank die ſüße heimliche Luſt, Des Juden verachtete Tochter umſchlang Mein Arm, und ich küßte ſie heiß und lang. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0065" n="47"/> <fw place="top" type="header">Julius Hart.</fw><lb/> <lg n="4"> <l>O, könnt’ ich doch auf dieſer Wolken Nacht</l><lb/> <l>In Feuerlettern meine Dichtung ſchreiben,</l><lb/> <l>Die Dichtung, höll- und himmelheiß entfacht,</l><lb/> <l>Und mit dem Sturm durch alle Lande treiben.</l><lb/> <l>Dann ſollte, wie bei wirbelndem Trommelklang,</l><lb/> <l>Die Menſchheit aus dem trägen Träumen ſchrecken,</l><lb/> <l>Schlafmordend ſollte mein Geſang</l><lb/> <l>Zu heil’gem Kampf die Müden wecken.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p> <hi rendition="#c">Aus Zeitſchriften, Sammelwerken u. ſ. w.:</hi> </p> </div><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">Die heilige Eliſabeth.</hi><lb/> 1879.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>O du Nacht, der Seele finſtere Nacht,</l><lb/> <l>Du endlos tiefe Schmerzensnacht,</l><lb/> <l>Hier lieg ich, blutig den Leib benetzt,</l><lb/> <l>Den die Geißel in rothe Wunden zerfetzt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>O du Nacht, der Seele finſtere Nacht,</l><lb/> <l>Wie flieh’ ich vor dir, qualvolle Nacht?</l><lb/> <l>Wo bliebſt du, mein ſonnenleuchtender Tag,</l><lb/> <l>Mit Roſenblüthen und Droſſelſchlag?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Maria, du Königin — ſüßes Licht,</l><lb/> <l>Ich ſchaue und höre — ich finde dich nicht!</l><lb/> <l>Wie hab’ ich ſonſt deine Hände geküßt,</l><lb/> <l>Deine Lippen geſtreift in ſel’gem Gelüſt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wie hab’ ich die Welt inbrünſtig gehegt,</l><lb/> <l>Wie die Sonne in Liebe die Blumen pflegt,</l><lb/> <l>Die Peſt lag ſterbend in meinem Schooß,</l><lb/> <l>Ich küßte die Kranken vom Tode los.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Des Armen Kind lag an meiner Bruſt,</l><lb/> <l>Und trank die ſüße heimliche Luſt,</l><lb/> <l>Des Juden verachtete Tochter umſchlang</l><lb/> <l>Mein Arm, und ich küßte ſie heiß und lang.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0065]
Julius Hart.
O, könnt’ ich doch auf dieſer Wolken Nacht
In Feuerlettern meine Dichtung ſchreiben,
Die Dichtung, höll- und himmelheiß entfacht,
Und mit dem Sturm durch alle Lande treiben.
Dann ſollte, wie bei wirbelndem Trommelklang,
Die Menſchheit aus dem trägen Träumen ſchrecken,
Schlafmordend ſollte mein Geſang
Zu heil’gem Kampf die Müden wecken.
Aus Zeitſchriften, Sammelwerken u. ſ. w.:
Die heilige Eliſabeth.
1879.
O du Nacht, der Seele finſtere Nacht,
Du endlos tiefe Schmerzensnacht,
Hier lieg ich, blutig den Leib benetzt,
Den die Geißel in rothe Wunden zerfetzt.
O du Nacht, der Seele finſtere Nacht,
Wie flieh’ ich vor dir, qualvolle Nacht?
Wo bliebſt du, mein ſonnenleuchtender Tag,
Mit Roſenblüthen und Droſſelſchlag?
Maria, du Königin — ſüßes Licht,
Ich ſchaue und höre — ich finde dich nicht!
Wie hab’ ich ſonſt deine Hände geküßt,
Deine Lippen geſtreift in ſel’gem Gelüſt.
Wie hab’ ich die Welt inbrünſtig gehegt,
Wie die Sonne in Liebe die Blumen pflegt,
Die Peſt lag ſterbend in meinem Schooß,
Ich küßte die Kranken vom Tode los.
Des Armen Kind lag an meiner Bruſt,
Und trank die ſüße heimliche Luſt,
Des Juden verachtete Tochter umſchlang
Mein Arm, und ich küßte ſie heiß und lang.
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