Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Julius Hart. Zu meinen Füßen die Sünderin Lag weinend und warf ihre Schätze hin -- So schlecht war Niemand, verworfen nicht, In tiefer Nacht sah ich himmlisches Licht. Und durch die Wetter sah ich es glüh'n, Rings sah ich die Himmel leuchtend erblüh'n, Und betend lag ich in göttlicher Ruh' Und stammelte selig: "Die Liebe bist du"! O du Nacht, der Seele finstere Nacht, Du endlos tiefe Schmerzensnacht, -- Konrad von Marburg, dein finst'res Wort Scheuchte die Himmel, die Liebe mir fort. Bedeckt den Leib mit blutigem Thau, Das Haupt bestreut mit der Asche Grau, Lieg' ich und weiß ich von Liebe nichts, Ich weiß, nur den Tag des jüngsten Gerichts. Ich weiß, die Sünde schläft und schlief Im blauen Kinderauge tief; Wo die Krankheit den Leib mit Narben schlug, Ich weiß, es ist der Sünde Fluch. Ich weiß, die Sünde faßte uns an, Wo der goldne Wein im Becher rann, Der Hölle Nebel die Sinne umfloß, Wo der Mann das Weib in Liebe umschloß. Ich weiß nur, wie elend das Dasein ist, Das Glück, die Lust eine höllische List, Ach, Sünde ist ein holdes Gesicht, Der Lerchen Sang und der Sonnen Licht. Durch die Nacht, durch die Nacht ich höre den Tritt, Wie die Nacht so finster des Finsteren Schritt, -- -- O Geißel -- o Buße -- o Höllenglut! Sühnt auch diese Gedanken mein tropfendes Blut? Julius Hart. Zu meinen Füßen die Sünderin Lag weinend und warf ihre Schätze hin — So ſchlecht war Niemand, verworfen nicht, In tiefer Nacht ſah ich himmliſches Licht. Und durch die Wetter ſah ich es glüh’n, Rings ſah ich die Himmel leuchtend erblüh’n, Und betend lag ich in göttlicher Ruh’ Und ſtammelte ſelig: „Die Liebe biſt du“! O du Nacht, der Seele finſtere Nacht, Du endlos tiefe Schmerzensnacht, — Konrad von Marburg, dein finſt’res Wort Scheuchte die Himmel, die Liebe mir fort. Bedeckt den Leib mit blutigem Thau, Das Haupt beſtreut mit der Aſche Grau, Lieg’ ich und weiß ich von Liebe nichts, Ich weiß, nur den Tag des jüngſten Gerichts. Ich weiß, die Sünde ſchläft und ſchlief Im blauen Kinderauge tief; Wo die Krankheit den Leib mit Narben ſchlug, Ich weiß, es iſt der Sünde Fluch. Ich weiß, die Sünde faßte uns an, Wo der goldne Wein im Becher rann, Der Hölle Nebel die Sinne umfloß, Wo der Mann das Weib in Liebe umſchloß. Ich weiß nur, wie elend das Daſein iſt, Das Glück, die Luſt eine hölliſche Liſt, Ach, Sünde iſt ein holdes Geſicht, Der Lerchen Sang und der Sonnen Licht. Durch die Nacht, durch die Nacht ich höre den Tritt, Wie die Nacht ſo finſter des Finſteren Schritt, — — O Geißel — o Buße — o Höllenglut! Sühnt auch dieſe Gedanken mein tropfendes Blut? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0066" n="48"/> <fw place="top" type="header">Julius Hart.</fw><lb/> <lg n="6"> <l>Zu meinen Füßen die Sünderin</l><lb/> <l>Lag weinend und warf ihre Schätze hin —</l><lb/> <l>So ſchlecht war Niemand, verworfen nicht,</l><lb/> <l>In tiefer Nacht ſah ich himmliſches Licht.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Und durch die Wetter ſah ich es glüh’n,</l><lb/> <l>Rings ſah ich die Himmel leuchtend erblüh’n,</l><lb/> <l>Und betend lag ich in göttlicher Ruh’</l><lb/> <l>Und ſtammelte ſelig: „Die Liebe biſt du“!</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>O du Nacht, der Seele finſtere Nacht,</l><lb/> <l>Du endlos tiefe Schmerzensnacht, —</l><lb/> <l>Konrad von Marburg, dein finſt’res Wort</l><lb/> <l>Scheuchte die Himmel, die Liebe mir fort.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Bedeckt den Leib mit blutigem Thau,</l><lb/> <l>Das Haupt beſtreut mit der Aſche Grau,</l><lb/> <l>Lieg’ ich und weiß ich von Liebe nichts,</l><lb/> <l>Ich weiß, nur den Tag des jüngſten Gerichts.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Ich weiß, die Sünde ſchläft und ſchlief</l><lb/> <l>Im blauen Kinderauge tief;</l><lb/> <l>Wo die Krankheit den Leib mit Narben ſchlug,</l><lb/> <l>Ich weiß, es iſt der Sünde Fluch.</l> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Ich weiß, die Sünde faßte uns an,</l><lb/> <l>Wo der goldne Wein im Becher rann,</l><lb/> <l>Der Hölle Nebel die Sinne umfloß,</l><lb/> <l>Wo der Mann das Weib in Liebe umſchloß.</l> </lg><lb/> <lg n="12"> <l>Ich weiß nur, wie elend das Daſein iſt,</l><lb/> <l>Das Glück, die Luſt eine hölliſche Liſt,</l><lb/> <l>Ach, Sünde iſt ein holdes Geſicht,</l><lb/> <l>Der Lerchen Sang und der Sonnen Licht.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Durch die Nacht, durch die Nacht ich höre den Tritt,</l><lb/> <l>Wie die Nacht ſo finſter des Finſteren Schritt, — —</l><lb/> <l>O Geißel — o Buße — o Höllenglut!</l><lb/> <l>Sühnt auch dieſe Gedanken mein tropfendes Blut?</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [48/0066]
Julius Hart.
Zu meinen Füßen die Sünderin
Lag weinend und warf ihre Schätze hin —
So ſchlecht war Niemand, verworfen nicht,
In tiefer Nacht ſah ich himmliſches Licht.
Und durch die Wetter ſah ich es glüh’n,
Rings ſah ich die Himmel leuchtend erblüh’n,
Und betend lag ich in göttlicher Ruh’
Und ſtammelte ſelig: „Die Liebe biſt du“!
O du Nacht, der Seele finſtere Nacht,
Du endlos tiefe Schmerzensnacht, —
Konrad von Marburg, dein finſt’res Wort
Scheuchte die Himmel, die Liebe mir fort.
Bedeckt den Leib mit blutigem Thau,
Das Haupt beſtreut mit der Aſche Grau,
Lieg’ ich und weiß ich von Liebe nichts,
Ich weiß, nur den Tag des jüngſten Gerichts.
Ich weiß, die Sünde ſchläft und ſchlief
Im blauen Kinderauge tief;
Wo die Krankheit den Leib mit Narben ſchlug,
Ich weiß, es iſt der Sünde Fluch.
Ich weiß, die Sünde faßte uns an,
Wo der goldne Wein im Becher rann,
Der Hölle Nebel die Sinne umfloß,
Wo der Mann das Weib in Liebe umſchloß.
Ich weiß nur, wie elend das Daſein iſt,
Das Glück, die Luſt eine hölliſche Liſt,
Ach, Sünde iſt ein holdes Geſicht,
Der Lerchen Sang und der Sonnen Licht.
Durch die Nacht, durch die Nacht ich höre den Tritt,
Wie die Nacht ſo finſter des Finſteren Schritt, — —
O Geißel — o Buße — o Höllenglut!
Sühnt auch dieſe Gedanken mein tropfendes Blut?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |