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[Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789.

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Wilhelm Walter.

Ein Träumender stand der Befreite da,
lies sich brünstig von seinen vorigen Richtern
umarmen, ohne mit Gegenumarmungen ver-
gelten zu können. Sein Erstaunen lähmte
tausend Fragen auf der Zunge -- er glaubte
getäuscht zu werden, R** aber nam seine
Furcht von ihm, indem er ihn mit sich in
seine sehr prächtige Wohnung führte.

Hier versah ihn iener mit seiner, rein-
licher Wäsche und Kleidung; stärkte ihn mit
Suppen und Weinen, lies ihn ausruhen
einige Tage und in einem vertraulichen Ge-
spräch entdekte er ihm folgendes:

"Jch hätt es nimmer geglaubt, daß du
soviel zu ertragen fähig wärst; aber wol dir,
daß du es konntest; denn izt bist du benei-
denswürdig glüklich. -- Du bist geprüft und
der Verschwiegenheit unsers Ordens treu fun-
den worden; deine Leiden werden dir tau-
sendfach vergütet werden -- nun will ich
dir über die verworrenen Szenen, seit deiner
Abreise aus der Vaterstadt, Licht streuen. --
Du reis'test ab, und deiner Prüfung entge-

gen;
Wilhelm Walter.

Ein Traͤumender ſtand der Befreite da,
lies ſich bruͤnſtig von ſeinen vorigen Richtern
umarmen, ohne mit Gegenumarmungen ver-
gelten zu koͤnnen. Sein Erſtaunen laͤhmte
tauſend Fragen auf der Zunge — er glaubte
getaͤuſcht zu werden, R** aber nam ſeine
Furcht von ihm, indem er ihn mit ſich in
ſeine ſehr praͤchtige Wohnung fuͤhrte.

Hier verſah ihn iener mit ſeiner, rein-
licher Waͤſche und Kleidung; ſtaͤrkte ihn mit
Suppen und Weinen, lies ihn ausruhen
einige Tage und in einem vertraulichen Ge-
ſpraͤch entdekte er ihm folgendes:

„Jch haͤtt es nimmer geglaubt, daß du
ſoviel zu ertragen faͤhig waͤrſt; aber wol dir,
daß du es konnteſt; denn izt biſt du benei-
denswuͤrdig gluͤklich. — Du biſt gepruͤft und
der Verſchwiegenheit unſers Ordens treu fun-
den worden; deine Leiden werden dir tau-
ſendfach verguͤtet werden — nun will ich
dir uͤber die verworrenen Szenen, ſeit deiner
Abreiſe aus der Vaterſtadt, Licht ſtreuen. —
Du reiſ'teſt ab, und deiner Pruͤfung entge-

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[82/0085] Wilhelm Walter. Ein Traͤumender ſtand der Befreite da, lies ſich bruͤnſtig von ſeinen vorigen Richtern umarmen, ohne mit Gegenumarmungen ver- gelten zu koͤnnen. Sein Erſtaunen laͤhmte tauſend Fragen auf der Zunge — er glaubte getaͤuſcht zu werden, R** aber nam ſeine Furcht von ihm, indem er ihn mit ſich in ſeine ſehr praͤchtige Wohnung fuͤhrte. Hier verſah ihn iener mit ſeiner, rein- licher Waͤſche und Kleidung; ſtaͤrkte ihn mit Suppen und Weinen, lies ihn ausruhen einige Tage und in einem vertraulichen Ge- ſpraͤch entdekte er ihm folgendes: „Jch haͤtt es nimmer geglaubt, daß du ſoviel zu ertragen faͤhig waͤrſt; aber wol dir, daß du es konnteſt; denn izt biſt du benei- denswuͤrdig gluͤklich. — Du biſt gepruͤft und der Verſchwiegenheit unſers Ordens treu fun- den worden; deine Leiden werden dir tau- ſendfach verguͤtet werden — nun will ich dir uͤber die verworrenen Szenen, ſeit deiner Abreiſe aus der Vaterſtadt, Licht ſtreuen. — Du reiſ'teſt ab, und deiner Pruͤfung entge- gen;

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Zitationshilfe: [Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_geister_1789/85>, abgerufen am 07.05.2024.