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[Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789.

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Wilhelm Walter.
als im vierzehnten Jahrhundert, wären, eine
feierliche Bestallung zum Oberaufseher über
des Grosherrns naktes Serail, mit Lebens-
strafe, wenn er sich vergaffte.

Und Walter? -- ich gesteh es, war --
Mensch, doch zugleich Weiser! -- Er be-

haup-
ren-Orden, in welchen sehr viel Hohe eintraten.
Graf Adolf von Kleve stiftete ihn; er hatte
iedesmal seinen König, seine 6 Ratsherrn, Fi-
nanziers, Schazmeister, Maitres de Plaisirs,
Kastellane, Feldmarschalle u. s. w. Sobald man
einen vornehmen Thoren auswitterte, sandte
man ihm die Bestallung zu irgend einer Charge,
welche seiner Narrheit angemessen war, zu. Nie-
mand durfte sich der Aufname weigern, wollte
er sich nicht noch grössern Ungelegenheiten und
Satyren Preis geben; so ward mancher gros-
pralender Junker, dem seine Heldenthaten be-
ständig die Zunge beschäftigten zum General-
feldmarschall, ein alter Gek zum Hofnarren,
ein abgefeimter Heuchler zum Pater u. s. w. er-
hoben. Das auf den Kleidern eingestikte Or-
denszeichen
war ein Pikkelhering mit halbro-
ter, halb silbergestikter Kappe, gelben Schellen,
schwarzen Schuhen, einer goldnen Schüssel in
der Hand, voller Obst. Jm Klevischen Archive
soll sich noch ein Brief befinden, den die Stifter
des Narrenordens (Respublicae babinensis)
sämtlich mit ihren Namen unterzeichnet haben.
E 4

Wilhelm Walter.
als im vierzehnten Jahrhundert, waͤren, eine
feierliche Beſtallung zum Oberaufſeher uͤber
des Grosherrns naktes Serail, mit Lebens-
ſtrafe, wenn er ſich vergaffte.

Und Walter? — ich geſteh es, war —
Menſch, doch zugleich Weiſer! — Er be-

haup-
ren-Orden, in welchen ſehr viel Hohe eintraten.
Graf Adolf von Kleve ſtiftete ihn; er hatte
iedesmal ſeinen Koͤnig, ſeine 6 Ratsherrn, Fi-
nanziers, Schazmeiſter, Maitres de Plaiſirs,
Kaſtellane, Feldmarſchalle u. ſ. w. Sobald man
einen vornehmen Thoren auswitterte, ſandte
man ihm die Beſtallung zu irgend einer Charge,
welche ſeiner Narrheit angemeſſen war, zu. Nie-
mand durfte ſich der Aufname weigern, wollte
er ſich nicht noch groͤſſern Ungelegenheiten und
Satyren Preis geben; ſo ward mancher gros-
pralender Junker, dem ſeine Heldenthaten be-
ſtaͤndig die Zunge beſchaͤftigten zum General-
feldmarſchall, ein alter Gek zum Hofnarren,
ein abgefeimter Heuchler zum Pater u. ſ. w. er-
hoben. Das auf den Kleidern eingeſtikte Or-
denszeichen
war ein Pikkelhering mit halbro-
ter, halb ſilbergeſtikter Kappe, gelben Schellen,
ſchwarzen Schuhen, einer goldnen Schuͤſſel in
der Hand, voller Obſt. Jm Kleviſchen Archive
ſoll ſich noch ein Brief befinden, den die Stifter
des Narrenordens (Respublicae babinenſis)
ſaͤmtlich mit ihren Namen unterzeichnet haben.
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[71/0074] Wilhelm Walter. als im vierzehnten Jahrhundert, waͤren, eine feierliche Beſtallung zum Oberaufſeher uͤber des Grosherrns naktes Serail, mit Lebens- ſtrafe, wenn er ſich vergaffte. Und Walter? — ich geſteh es, war — Menſch, doch zugleich Weiſer! — Er be- haup- **) **) ren-Orden, in welchen ſehr viel Hohe eintraten. Graf Adolf von Kleve ſtiftete ihn; er hatte iedesmal ſeinen Koͤnig, ſeine 6 Ratsherrn, Fi- nanziers, Schazmeiſter, Maitres de Plaiſirs, Kaſtellane, Feldmarſchalle u. ſ. w. Sobald man einen vornehmen Thoren auswitterte, ſandte man ihm die Beſtallung zu irgend einer Charge, welche ſeiner Narrheit angemeſſen war, zu. Nie- mand durfte ſich der Aufname weigern, wollte er ſich nicht noch groͤſſern Ungelegenheiten und Satyren Preis geben; ſo ward mancher gros- pralender Junker, dem ſeine Heldenthaten be- ſtaͤndig die Zunge beſchaͤftigten zum General- feldmarſchall, ein alter Gek zum Hofnarren, ein abgefeimter Heuchler zum Pater u. ſ. w. er- hoben. Das auf den Kleidern eingeſtikte Or- denszeichen war ein Pikkelhering mit halbro- ter, halb ſilbergeſtikter Kappe, gelben Schellen, ſchwarzen Schuhen, einer goldnen Schuͤſſel in der Hand, voller Obſt. Jm Kleviſchen Archive ſoll ſich noch ein Brief befinden, den die Stifter des Narrenordens (Respublicae babinenſis) ſaͤmtlich mit ihren Namen unterzeichnet haben. E 4

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Zitationshilfe: [Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_geister_1789/74>, abgerufen am 07.05.2024.