Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Wilhelm Walter.
Fragen zu brechen, als iener ihm seiner Mü-
he überhob.

"Sie werden sich freylich über mein son-
derbares Betragen gewundert haben, mein
Herr; aber die Notwendigkeit heischte es
von mir, daß ich über alles dies Jhnen nicht
eher als iezt Aufschluß gab. -- Mein Na-
me ist R**, bin ein geborner, Französi-
scher Graf; leidenschaftliche Spielsucht mach-
te mich arm -- ich wurde von meinen Freun-
den, nach der Mode unsrer Zeitgenossen,
verlassen, da ich ihrer am meisten vonnöthen
hatte; mir blieb deswegen nichts übrig, als
mich schaamvoll in die Einsamkeit zurükzu-
ziehn. Hier fing ich an zu schriftstellern,
um mir Lebensunterhalt zu erwerben, und
vorzüglich waren Voltairens Werke, die
man bei ihren ersten Ausgaben gierig ver-
schlang, hizzig verfocht' und tadelte, neuer
Stoff für die meinen; ob ich den Mann
gleich im Herzen verehrte, verachtete ich doch
heftig seine Schriften um -- mir dadurch
ein gutes Honorar zu erwuchern. Unter

an-

Wilhelm Walter.
Fragen zu brechen, als iener ihm ſeiner Muͤ-
he uͤberhob.

„Sie werden ſich freylich uͤber mein ſon-
derbares Betragen gewundert haben, mein
Herr; aber die Notwendigkeit heiſchte es
von mir, daß ich uͤber alles dies Jhnen nicht
eher als iezt Aufſchluß gab. — Mein Na-
me iſt R**, bin ein geborner, Franzoͤſi-
ſcher Graf; leidenſchaftliche Spielſucht mach-
te mich arm — ich wurde von meinen Freun-
den, nach der Mode unſrer Zeitgenoſſen,
verlaſſen, da ich ihrer am meiſten vonnoͤthen
hatte; mir blieb deswegen nichts uͤbrig, als
mich ſchaamvoll in die Einſamkeit zuruͤkzu-
ziehn. Hier fing ich an zu ſchriftſtellern,
um mir Lebensunterhalt zu erwerben, und
vorzuͤglich waren Voltairens Werke, die
man bei ihren erſten Ausgaben gierig ver-
ſchlang, hizzig verfocht' und tadelte, neuer
Stoff fuͤr die meinen; ob ich den Mann
gleich im Herzen verehrte, verachtete ich doch
heftig ſeine Schriften um — mir dadurch
ein gutes Honorar zu erwuchern. Unter

an-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="22"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Wilhelm Walter</hi>.</fw><lb/>
Fragen zu brechen, als iener ihm &#x017F;einer Mu&#x0364;-<lb/>
he u&#x0364;berhob.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie werden &#x017F;ich freylich u&#x0364;ber mein &#x017F;on-<lb/>
derbares Betragen gewundert haben, mein<lb/>
Herr; aber die Notwendigkeit hei&#x017F;chte es<lb/>
von mir, daß ich u&#x0364;ber alles dies Jhnen nicht<lb/>
eher als iezt Auf&#x017F;chluß gab. &#x2014; Mein Na-<lb/>
me i&#x017F;t R**, bin ein geborner, Franzo&#x0364;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;cher Graf; leiden&#x017F;chaftliche Spiel&#x017F;ucht mach-<lb/>
te mich arm &#x2014; ich wurde von meinen Freun-<lb/>
den, nach der Mode un&#x017F;rer Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en, da ich ihrer am mei&#x017F;ten vonno&#x0364;then<lb/>
hatte; mir blieb deswegen nichts u&#x0364;brig, als<lb/>
mich &#x017F;chaamvoll in die Ein&#x017F;amkeit zuru&#x0364;kzu-<lb/>
ziehn. Hier fing ich an zu &#x017F;chrift&#x017F;tellern,<lb/>
um mir Lebensunterhalt zu erwerben, und<lb/>
vorzu&#x0364;glich waren <hi rendition="#fr">Voltairens</hi> Werke, die<lb/>
man bei ihren er&#x017F;ten Ausgaben gierig ver-<lb/>
&#x017F;chlang, hizzig verfocht' und tadelte, neuer<lb/>
Stoff fu&#x0364;r die meinen; ob ich den Mann<lb/>
gleich im Herzen verehrte, verachtete ich doch<lb/>
heftig &#x017F;eine Schriften um &#x2014; mir dadurch<lb/>
ein gutes Honorar zu erwuchern. Unter<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">an-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0025] Wilhelm Walter. Fragen zu brechen, als iener ihm ſeiner Muͤ- he uͤberhob. „Sie werden ſich freylich uͤber mein ſon- derbares Betragen gewundert haben, mein Herr; aber die Notwendigkeit heiſchte es von mir, daß ich uͤber alles dies Jhnen nicht eher als iezt Aufſchluß gab. — Mein Na- me iſt R**, bin ein geborner, Franzoͤſi- ſcher Graf; leidenſchaftliche Spielſucht mach- te mich arm — ich wurde von meinen Freun- den, nach der Mode unſrer Zeitgenoſſen, verlaſſen, da ich ihrer am meiſten vonnoͤthen hatte; mir blieb deswegen nichts uͤbrig, als mich ſchaamvoll in die Einſamkeit zuruͤkzu- ziehn. Hier fing ich an zu ſchriftſtellern, um mir Lebensunterhalt zu erwerben, und vorzuͤglich waren Voltairens Werke, die man bei ihren erſten Ausgaben gierig ver- ſchlang, hizzig verfocht' und tadelte, neuer Stoff fuͤr die meinen; ob ich den Mann gleich im Herzen verehrte, verachtete ich doch heftig ſeine Schriften um — mir dadurch ein gutes Honorar zu erwuchern. Unter an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_geister_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_geister_1789/25
Zitationshilfe: [Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_geister_1789/25>, abgerufen am 28.03.2024.