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[Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789.

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Wilhelm Walter.
zu wagen sich vorgesezt hatte, als urplözlich
ein Brief aus der Vaterstadt erschien, in
welchem er nach Hause gerufen wurde, den
lezten Willen seiner sterbenden Mutter anzuhö-
ren. -- Er säumte nicht, brachte seine Geschäf-
te noch an eben dem Tage, als er die Hiobsbot-
schaft erhielt, in Ordnung und machte sich früh
des folgenden Morgens zu Fus auf die Reise.

Es war am Pfingstmontage Abends ziem-
lich spät, als er die erste Tagereise vollbracht,
in ein an der Landstrasse belegenes Wirths-
haus einkehrte und Nachtlager und Abend-
essen verlangte. Der Wirth gewilligte ihm
beides und er legte sein Reisebündel ab, lüf-
tete sich, und mischte sich, aufgeheitert durch
den schönen Abend und die ungewohnte Lei-
besbewegung, zu den Gästen, die bei ihrem
Bierkruge viel über Städte und Schlösser,
Kaiser und Fürsten sprachen, wohinzu er
auch sein Scherflein fügte. Der freundliche
Wirth ermunterte die ganze Gesellschaft durch
seine Wizreden, und davor liessen sich die Gä-
ste fein fleissig die Krüge füllen.

Wal-


Wilhelm Walter.
zu wagen ſich vorgeſezt hatte, als urploͤzlich
ein Brief aus der Vaterſtadt erſchien, in
welchem er nach Hauſe gerufen wurde, den
lezten Willen ſeiner ſterbenden Mutter anzuhoͤ-
ren. — Er ſaͤumte nicht, brachte ſeine Geſchaͤf-
te noch an eben dem Tage, als er die Hiobsbot-
ſchaft erhielt, in Ordnung und machte ſich fruͤh
des folgenden Morgens zu Fus auf die Reiſe.

Es war am Pfingſtmontage Abends ziem-
lich ſpaͤt, als er die erſte Tagereiſe vollbracht,
in ein an der Landſtraſſe belegenes Wirths-
haus einkehrte und Nachtlager und Abend-
eſſen verlangte. Der Wirth gewilligte ihm
beides und er legte ſein Reiſebuͤndel ab, luͤf-
tete ſich, und miſchte ſich, aufgeheitert durch
den ſchoͤnen Abend und die ungewohnte Lei-
besbewegung, zu den Gaͤſten, die bei ihrem
Bierkruge viel uͤber Staͤdte und Schloͤſſer,
Kaiſer und Fuͤrſten ſprachen, wohinzu er
auch ſein Scherflein fuͤgte. Der freundliche
Wirth ermunterte die ganze Geſellſchaft durch
ſeine Wizreden, und davor lieſſen ſich die Gaͤ-
ſte fein fleiſſig die Kruͤge fuͤllen.

Wal-
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[18/0021] Wilhelm Walter. zu wagen ſich vorgeſezt hatte, als urploͤzlich ein Brief aus der Vaterſtadt erſchien, in welchem er nach Hauſe gerufen wurde, den lezten Willen ſeiner ſterbenden Mutter anzuhoͤ- ren. — Er ſaͤumte nicht, brachte ſeine Geſchaͤf- te noch an eben dem Tage, als er die Hiobsbot- ſchaft erhielt, in Ordnung und machte ſich fruͤh des folgenden Morgens zu Fus auf die Reiſe. Es war am Pfingſtmontage Abends ziem- lich ſpaͤt, als er die erſte Tagereiſe vollbracht, in ein an der Landſtraſſe belegenes Wirths- haus einkehrte und Nachtlager und Abend- eſſen verlangte. Der Wirth gewilligte ihm beides und er legte ſein Reiſebuͤndel ab, luͤf- tete ſich, und miſchte ſich, aufgeheitert durch den ſchoͤnen Abend und die ungewohnte Lei- besbewegung, zu den Gaͤſten, die bei ihrem Bierkruge viel uͤber Staͤdte und Schloͤſſer, Kaiſer und Fuͤrſten ſprachen, wohinzu er auch ſein Scherflein fuͤgte. Der freundliche Wirth ermunterte die ganze Geſellſchaft durch ſeine Wizreden, und davor lieſſen ſich die Gaͤ- ſte fein fleiſſig die Kruͤge fuͤllen. Wal-

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Zitationshilfe: [Zschokke, Heinrich]: Geister und Geisterseher oder Leben und frühes Ende eines Nekromantisten. Küstrin, 1789, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_geister_1789/21>, abgerufen am 23.11.2024.