Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wahrhaftig seiner Leibfarbe nicht, in der er sich alle Tage wie ein Pariser Abbe zur Schau stellt, Schwarz auf Schwarz. Aber neugieriger bin ich, wer seine Tänzerin sei. Wahrhaftig, sie hat schönen Wuchs und tanzt allerliebst. Ich wette, sagte die Baronesse, irgend ein gemeines Ding aus der Stadt. Man sieht es der gezwungenen ungelenken Haltung an. Der Ball dauerte tief in die Nacht, ehe man zum Gastmahl ging, bei dem man natürlich die Masken ablegte. Da gab es beim Erblicken so vieler reizenden fremden Gesichter neue, angenehme Ueberraschungen. Der Vicomte konnte sich an der lieblichen Altdeutschen nicht satt schauen. Er saß bei der Tafel neben ihr, so wie Altenkreuz bei der jungen Baronin. Die beiden Herren schienen hier ganz ihre Rollen zu wechseln; so viel Artigkeiten, die fast mehr als Artigkeiten waren, der Vicomte seiner freudetrunkenen Nachbarin spendete, eben so viel der Graf der Geliebten des Vicomte. Diese Vertraulichkeiten setzten sich auch nach aufgehobener Tafel fort. So wahr ich lebe, sagte der Vicomte zum Grafen, ich kapere Ihnen Ihre Tänzerin, und wenn Sie mir darüber todfeind würden. Ich habe die Rache in Händen, lieber Vicomte, erwiderte Altenkreuz, ich kapere Ihnen Ihre liebenswürdige Baronesse. Der Vicomte, den die neue Leidenschaft und der wahrhaftig seiner Leibfarbe nicht, in der er sich alle Tage wie ein Pariser Abbé zur Schau stellt, Schwarz auf Schwarz. Aber neugieriger bin ich, wer seine Tänzerin sei. Wahrhaftig, sie hat schönen Wuchs und tanzt allerliebst. Ich wette, sagte die Baronesse, irgend ein gemeines Ding aus der Stadt. Man sieht es der gezwungenen ungelenken Haltung an. Der Ball dauerte tief in die Nacht, ehe man zum Gastmahl ging, bei dem man natürlich die Masken ablegte. Da gab es beim Erblicken so vieler reizenden fremden Gesichter neue, angenehme Ueberraschungen. Der Vicomte konnte sich an der lieblichen Altdeutschen nicht satt schauen. Er saß bei der Tafel neben ihr, so wie Altenkreuz bei der jungen Baronin. Die beiden Herren schienen hier ganz ihre Rollen zu wechseln; so viel Artigkeiten, die fast mehr als Artigkeiten waren, der Vicomte seiner freudetrunkenen Nachbarin spendete, eben so viel der Graf der Geliebten des Vicomte. Diese Vertraulichkeiten setzten sich auch nach aufgehobener Tafel fort. So wahr ich lebe, sagte der Vicomte zum Grafen, ich kapere Ihnen Ihre Tänzerin, und wenn Sie mir darüber todfeind würden. Ich habe die Rache in Händen, lieber Vicomte, erwiderte Altenkreuz, ich kapere Ihnen Ihre liebenswürdige Baronesse. Der Vicomte, den die neue Leidenschaft und der <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0088"/> wahrhaftig seiner Leibfarbe nicht, in der er sich alle Tage wie ein Pariser Abbé zur Schau stellt, Schwarz auf Schwarz. Aber neugieriger bin ich, wer seine Tänzerin sei. Wahrhaftig, sie hat schönen Wuchs und tanzt allerliebst.</p><lb/> <p>Ich wette, sagte die Baronesse, irgend ein gemeines Ding aus der Stadt. Man sieht es der gezwungenen ungelenken Haltung an.</p><lb/> <p>Der Ball dauerte tief in die Nacht, ehe man zum Gastmahl ging, bei dem man natürlich die Masken ablegte. Da gab es beim Erblicken so vieler reizenden fremden Gesichter neue, angenehme Ueberraschungen. Der Vicomte konnte sich an der lieblichen Altdeutschen nicht satt schauen. Er saß bei der Tafel neben ihr, so wie Altenkreuz bei der jungen Baronin. Die beiden Herren schienen hier ganz ihre Rollen zu wechseln; so viel Artigkeiten, die fast mehr als Artigkeiten waren, der Vicomte seiner freudetrunkenen Nachbarin spendete, eben so viel der Graf der Geliebten des Vicomte. Diese Vertraulichkeiten setzten sich auch nach aufgehobener Tafel fort.</p><lb/> <p>So wahr ich lebe, sagte der Vicomte zum Grafen, ich kapere Ihnen Ihre Tänzerin, und wenn Sie mir darüber todfeind würden.</p><lb/> <p>Ich habe die Rache in Händen, lieber Vicomte, erwiderte Altenkreuz, ich kapere Ihnen Ihre liebenswürdige Baronesse.</p><lb/> <p>Der Vicomte, den die neue Leidenschaft und der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
wahrhaftig seiner Leibfarbe nicht, in der er sich alle Tage wie ein Pariser Abbé zur Schau stellt, Schwarz auf Schwarz. Aber neugieriger bin ich, wer seine Tänzerin sei. Wahrhaftig, sie hat schönen Wuchs und tanzt allerliebst.
Ich wette, sagte die Baronesse, irgend ein gemeines Ding aus der Stadt. Man sieht es der gezwungenen ungelenken Haltung an.
Der Ball dauerte tief in die Nacht, ehe man zum Gastmahl ging, bei dem man natürlich die Masken ablegte. Da gab es beim Erblicken so vieler reizenden fremden Gesichter neue, angenehme Ueberraschungen. Der Vicomte konnte sich an der lieblichen Altdeutschen nicht satt schauen. Er saß bei der Tafel neben ihr, so wie Altenkreuz bei der jungen Baronin. Die beiden Herren schienen hier ganz ihre Rollen zu wechseln; so viel Artigkeiten, die fast mehr als Artigkeiten waren, der Vicomte seiner freudetrunkenen Nachbarin spendete, eben so viel der Graf der Geliebten des Vicomte. Diese Vertraulichkeiten setzten sich auch nach aufgehobener Tafel fort.
So wahr ich lebe, sagte der Vicomte zum Grafen, ich kapere Ihnen Ihre Tänzerin, und wenn Sie mir darüber todfeind würden.
Ich habe die Rache in Händen, lieber Vicomte, erwiderte Altenkreuz, ich kapere Ihnen Ihre liebenswürdige Baronesse.
Der Vicomte, den die neue Leidenschaft und der
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