Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.von seinem alten, mürrischen, wunderlichen und geizigen Vater gewesen wäre. Seit einigen Wochen aber habe der junge Mann die sämmtlichen Geschäfte des Alten übernommen. Der Alte zöge sich nun auf ein Landgut zurück, weil er schon die Altersschwächen zu sehr fühle, schwer höre und selbst durch die Brille nicht mehr gut sehe. Diese angenehmen Nachrichten machten der Frau Bantes gutes Wetter. Ein anderer Umstand brachte das gute Wetter für Friederiken und den Commandanten an demselben Tage. Waldrich war nämlich aus Auftrag der Frau Bantes in Riekchens Zimmer getreten. Das Mädchen saß am Fenster, die Stirn auf die neue Harfe gelehnt, die sie vor sich hatte. Fräulein, Mama wünscht zu wissen, ob Ihnen gefällig wäre, mit uns beim schönen Wetter eine Fahrt ins Freie zu machen? Riekchen antwortete nicht, sondern drehte das Gesicht noch ein wenig mehr von ihm ab, gegen das Fenster. Ihro Gnaden sind ungehalten? fragte Waldrich, der da glaubte, sie wolle mit ihm Scherz treiben. Hab' ich zum Frühstück nicht, auch wider Neigung, eine Tasse Chocolade mehr getrunken, bloß weil Ihro Gnaden befahlen? Bin ich nicht pünktlich und zu rechter Zeit von der Parade zum Essen gekommen? von seinem alten, mürrischen, wunderlichen und geizigen Vater gewesen wäre. Seit einigen Wochen aber habe der junge Mann die sämmtlichen Geschäfte des Alten übernommen. Der Alte zöge sich nun auf ein Landgut zurück, weil er schon die Altersschwächen zu sehr fühle, schwer höre und selbst durch die Brille nicht mehr gut sehe. Diese angenehmen Nachrichten machten der Frau Bantes gutes Wetter. Ein anderer Umstand brachte das gute Wetter für Friederiken und den Commandanten an demselben Tage. Waldrich war nämlich aus Auftrag der Frau Bantes in Riekchens Zimmer getreten. Das Mädchen saß am Fenster, die Stirn auf die neue Harfe gelehnt, die sie vor sich hatte. Fräulein, Mama wünscht zu wissen, ob Ihnen gefällig wäre, mit uns beim schönen Wetter eine Fahrt ins Freie zu machen? Riekchen antwortete nicht, sondern drehte das Gesicht noch ein wenig mehr von ihm ab, gegen das Fenster. Ihro Gnaden sind ungehalten? fragte Waldrich, der da glaubte, sie wolle mit ihm Scherz treiben. Hab' ich zum Frühstück nicht, auch wider Neigung, eine Tasse Chocolade mehr getrunken, bloß weil Ihro Gnaden befahlen? Bin ich nicht pünktlich und zu rechter Zeit von der Parade zum Essen gekommen? <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="9"> <p><pb facs="#f0054"/> von seinem alten, mürrischen, wunderlichen und geizigen Vater gewesen wäre. Seit einigen Wochen aber habe der junge Mann die sämmtlichen Geschäfte des Alten übernommen. Der Alte zöge sich nun auf ein Landgut zurück, weil er schon die Altersschwächen zu sehr fühle, schwer höre und selbst durch die Brille nicht mehr gut sehe.</p><lb/> <p>Diese angenehmen Nachrichten machten der Frau Bantes gutes Wetter.</p><lb/> <p>Ein anderer Umstand brachte das gute Wetter für Friederiken und den Commandanten an demselben Tage.</p><lb/> <p>Waldrich war nämlich aus Auftrag der Frau Bantes in Riekchens Zimmer getreten. Das Mädchen saß am Fenster, die Stirn auf die neue Harfe gelehnt, die sie vor sich hatte.</p><lb/> <p>Fräulein, Mama wünscht zu wissen, ob Ihnen gefällig wäre, mit uns beim schönen Wetter eine Fahrt ins Freie zu machen?</p><lb/> <p>Riekchen antwortete nicht, sondern drehte das Gesicht noch ein wenig mehr von ihm ab, gegen das Fenster.</p><lb/> <p>Ihro Gnaden sind ungehalten? fragte Waldrich, der da glaubte, sie wolle mit ihm Scherz treiben. Hab' ich zum Frühstück nicht, auch wider Neigung, eine Tasse Chocolade mehr getrunken, bloß weil Ihro Gnaden befahlen? Bin ich nicht pünktlich und zu rechter Zeit von der Parade zum Essen gekommen?<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
von seinem alten, mürrischen, wunderlichen und geizigen Vater gewesen wäre. Seit einigen Wochen aber habe der junge Mann die sämmtlichen Geschäfte des Alten übernommen. Der Alte zöge sich nun auf ein Landgut zurück, weil er schon die Altersschwächen zu sehr fühle, schwer höre und selbst durch die Brille nicht mehr gut sehe.
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Ein anderer Umstand brachte das gute Wetter für Friederiken und den Commandanten an demselben Tage.
Waldrich war nämlich aus Auftrag der Frau Bantes in Riekchens Zimmer getreten. Das Mädchen saß am Fenster, die Stirn auf die neue Harfe gelehnt, die sie vor sich hatte.
Fräulein, Mama wünscht zu wissen, ob Ihnen gefällig wäre, mit uns beim schönen Wetter eine Fahrt ins Freie zu machen?
Riekchen antwortete nicht, sondern drehte das Gesicht noch ein wenig mehr von ihm ab, gegen das Fenster.
Ihro Gnaden sind ungehalten? fragte Waldrich, der da glaubte, sie wolle mit ihm Scherz treiben. Hab' ich zum Frühstück nicht, auch wider Neigung, eine Tasse Chocolade mehr getrunken, bloß weil Ihro Gnaden befahlen? Bin ich nicht pünktlich und zu rechter Zeit von der Parade zum Essen gekommen?
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/54>, abgerufen am 16.07.2024. |