Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Hinterthür der Jungfer Wiesel? O, nun versteh' ich. An der Hinterthür erkenn' ich jetzt die Abgöttin Ihres Polizeidieners. Nun werden mir auch die Reden und Bitten dieses Menschen erst klar. Noch Eins, Herr von Hahn. Sie werden bemerken, daß ich von allen Ihren Schritten unterrichtet bin, und die geheime Polizei von Herbesheim der besten von Paris aus den Zeiten der Spionenmeister Fouche und Savary nichts nachgiebt. Wenn ich mir nun im Nothfall auch alles Bisherige sehr natürlich erklären kann, ohne Sie im Verdacht zu haben, unser frommes Völkchen durch absichtliches Spielen der Todten-Gast-Rolle ängstigen zu wollen -- muß ich doch eine Frage noch thun. Wenn Sie diese Rolle wirklich nicht spielen konnten oder wollten, sagen Sie mir denn -- und diese Frage richte ich weniger aus mir selbst, als für Jemand anders, an Sie -- wie war es möglich, daß Sie mit Fräulein Bantes, welche Sie vorher nicht kannten, diesen Morgen binnen wenigen Minuten, binnen einer Viertelstunde so jählings, so innig vertraut wurden, daß Sie -- daß Sie das Fräulein -- ich weiß nicht, wie ich sagen soll . . . Also auch das schon haben Sie erfahren? sagte der Herr von Hahn ganz betroffen, und über das bleiche, doch lebhafte Gesicht verbreitete sich eine Röthe, die dem Scharfblick des Bürgermeisters nicht entging. Ich bitte Sie noch einmal wegen meiner Neugier um Verzeihung! setzte der Bürgermeister hinzu; Sie Hinterthür der Jungfer Wiesel? O, nun versteh' ich. An der Hinterthür erkenn' ich jetzt die Abgöttin Ihres Polizeidieners. Nun werden mir auch die Reden und Bitten dieses Menschen erst klar. Noch Eins, Herr von Hahn. Sie werden bemerken, daß ich von allen Ihren Schritten unterrichtet bin, und die geheime Polizei von Herbesheim der besten von Paris aus den Zeiten der Spionenmeister Fouché und Savary nichts nachgiebt. Wenn ich mir nun im Nothfall auch alles Bisherige sehr natürlich erklären kann, ohne Sie im Verdacht zu haben, unser frommes Völkchen durch absichtliches Spielen der Todten-Gast-Rolle ängstigen zu wollen — muß ich doch eine Frage noch thun. Wenn Sie diese Rolle wirklich nicht spielen konnten oder wollten, sagen Sie mir denn — und diese Frage richte ich weniger aus mir selbst, als für Jemand anders, an Sie — wie war es möglich, daß Sie mit Fräulein Bantes, welche Sie vorher nicht kannten, diesen Morgen binnen wenigen Minuten, binnen einer Viertelstunde so jählings, so innig vertraut wurden, daß Sie — daß Sie das Fräulein — ich weiß nicht, wie ich sagen soll . . . Also auch das schon haben Sie erfahren? sagte der Herr von Hahn ganz betroffen, und über das bleiche, doch lebhafte Gesicht verbreitete sich eine Röthe, die dem Scharfblick des Bürgermeisters nicht entging. Ich bitte Sie noch einmal wegen meiner Neugier um Verzeihung! setzte der Bürgermeister hinzu; Sie <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="16"> <pb facs="#f0144"/> <p>Hinterthür der Jungfer Wiesel? O, nun versteh' ich. An der Hinterthür erkenn' ich jetzt die Abgöttin Ihres Polizeidieners. Nun werden mir auch die Reden und Bitten dieses Menschen erst klar.</p><lb/> <p>Noch Eins, Herr von Hahn. Sie werden bemerken, daß ich von allen Ihren Schritten unterrichtet bin, und die geheime Polizei von Herbesheim der besten von Paris aus den Zeiten der Spionenmeister Fouché und Savary nichts nachgiebt. Wenn ich mir nun im Nothfall auch alles Bisherige sehr natürlich erklären kann, ohne Sie im Verdacht zu haben, unser frommes Völkchen durch absichtliches Spielen der Todten-Gast-Rolle ängstigen zu wollen — muß ich doch eine Frage noch thun. Wenn Sie diese Rolle wirklich nicht spielen konnten oder wollten, sagen Sie mir denn — und diese Frage richte ich weniger aus mir selbst, als für Jemand anders, an Sie — wie war es möglich, daß Sie mit Fräulein Bantes, welche Sie vorher nicht kannten, diesen Morgen binnen wenigen Minuten, binnen einer Viertelstunde so jählings, so innig vertraut wurden, daß Sie — daß Sie das Fräulein — ich weiß nicht, wie ich sagen soll . . .</p><lb/> <p>Also auch das schon haben Sie erfahren? sagte der Herr von Hahn ganz betroffen, und über das bleiche, doch lebhafte Gesicht verbreitete sich eine Röthe, die dem Scharfblick des Bürgermeisters nicht entging.</p><lb/> <p>Ich bitte Sie noch einmal wegen meiner Neugier um Verzeihung! setzte der Bürgermeister hinzu; Sie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0144]
Hinterthür der Jungfer Wiesel? O, nun versteh' ich. An der Hinterthür erkenn' ich jetzt die Abgöttin Ihres Polizeidieners. Nun werden mir auch die Reden und Bitten dieses Menschen erst klar.
Noch Eins, Herr von Hahn. Sie werden bemerken, daß ich von allen Ihren Schritten unterrichtet bin, und die geheime Polizei von Herbesheim der besten von Paris aus den Zeiten der Spionenmeister Fouché und Savary nichts nachgiebt. Wenn ich mir nun im Nothfall auch alles Bisherige sehr natürlich erklären kann, ohne Sie im Verdacht zu haben, unser frommes Völkchen durch absichtliches Spielen der Todten-Gast-Rolle ängstigen zu wollen — muß ich doch eine Frage noch thun. Wenn Sie diese Rolle wirklich nicht spielen konnten oder wollten, sagen Sie mir denn — und diese Frage richte ich weniger aus mir selbst, als für Jemand anders, an Sie — wie war es möglich, daß Sie mit Fräulein Bantes, welche Sie vorher nicht kannten, diesen Morgen binnen wenigen Minuten, binnen einer Viertelstunde so jählings, so innig vertraut wurden, daß Sie — daß Sie das Fräulein — ich weiß nicht, wie ich sagen soll . . .
Also auch das schon haben Sie erfahren? sagte der Herr von Hahn ganz betroffen, und über das bleiche, doch lebhafte Gesicht verbreitete sich eine Röthe, die dem Scharfblick des Bürgermeisters nicht entging.
Ich bitte Sie noch einmal wegen meiner Neugier um Verzeihung! setzte der Bürgermeister hinzu; Sie
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/144>, abgerufen am 20.07.2024. |