Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.aus dieser Stadt gehabt, oder zufällig etwas von den Geschichten dieser Stadt, nämlich von alten Geschichten, Märchen, Volkssagen der Herbesheimer gelesen oder gehört? Ich kannte persönlich Niemanden von Herbesheim und wußte von dieser Stadt nichts, als daß hier das Haus Bantes sei, und daß Fräulein Bantes ein äußerst liebenswürdiges Frauenzimmer wäre, was ich nun mit Vergnügen bestätigen will. Haben Sie vielleicht nie ein Geschichtchen vom todten Gaste der Herbesheimer gelesen oder davon gehört? Ich wiederhole, die Historie von Herbesheim, zumal die alte -- ich muß es zu meiner Schande sagen, Herr Bürgermeister -- ist mir so fremd, wie die Historie des Königreichs Siam und Pegu. Nun, Herr von Hahn, und Ihre Abenteuer bei uns, die ich mehr vermuthe, als kenne, stammen in gerader Linie aus unsern hiesigen alten Geschichten her. Wie komme ich mit Ihren alten Geschichten zusammen? Dergleichen ist mir in meinem Leben nicht begegnet. Sagen Sie doch. Der Bürgermeister lächelte und erwiderte: Man hält Sie für den todten Gast, für ein Gespenst aus unsern Volksmärchen; wie spaßhaft mir auch die lächerliche Einbildung unserer Spießbürger ist, kann ich doch -- Sie nehmen mir Offenheit nicht übel -- selbst meine Verwunderung nicht bergen, wie Sie mit aus dieser Stadt gehabt, oder zufällig etwas von den Geschichten dieser Stadt, nämlich von alten Geschichten, Märchen, Volkssagen der Herbesheimer gelesen oder gehört? Ich kannte persönlich Niemanden von Herbesheim und wußte von dieser Stadt nichts, als daß hier das Haus Bantes sei, und daß Fräulein Bantes ein äußerst liebenswürdiges Frauenzimmer wäre, was ich nun mit Vergnügen bestätigen will. Haben Sie vielleicht nie ein Geschichtchen vom todten Gaste der Herbesheimer gelesen oder davon gehört? Ich wiederhole, die Historie von Herbesheim, zumal die alte — ich muß es zu meiner Schande sagen, Herr Bürgermeister — ist mir so fremd, wie die Historie des Königreichs Siam und Pegu. Nun, Herr von Hahn, und Ihre Abenteuer bei uns, die ich mehr vermuthe, als kenne, stammen in gerader Linie aus unsern hiesigen alten Geschichten her. Wie komme ich mit Ihren alten Geschichten zusammen? Dergleichen ist mir in meinem Leben nicht begegnet. Sagen Sie doch. Der Bürgermeister lächelte und erwiderte: Man hält Sie für den todten Gast, für ein Gespenst aus unsern Volksmärchen; wie spaßhaft mir auch die lächerliche Einbildung unserer Spießbürger ist, kann ich doch — Sie nehmen mir Offenheit nicht übel — selbst meine Verwunderung nicht bergen, wie Sie mit <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="16"> <p><pb facs="#f0141"/> aus dieser Stadt gehabt, oder zufällig etwas von den Geschichten dieser Stadt, nämlich von alten Geschichten, Märchen, Volkssagen der Herbesheimer gelesen oder gehört?</p><lb/> <p>Ich kannte persönlich Niemanden von Herbesheim und wußte von dieser Stadt nichts, als daß hier das Haus Bantes sei, und daß Fräulein Bantes ein äußerst liebenswürdiges Frauenzimmer wäre, was ich nun mit Vergnügen bestätigen will.</p><lb/> <p>Haben Sie vielleicht nie ein Geschichtchen vom todten Gaste der Herbesheimer gelesen oder davon gehört?</p><lb/> <p>Ich wiederhole, die Historie von Herbesheim, zumal die alte — ich muß es zu meiner Schande sagen, Herr Bürgermeister — ist mir so fremd, wie die Historie des Königreichs Siam und Pegu.</p><lb/> <p>Nun, Herr von Hahn, und Ihre Abenteuer bei uns, die ich mehr vermuthe, als kenne, stammen in gerader Linie aus unsern hiesigen alten Geschichten her.</p><lb/> <p>Wie komme ich mit Ihren alten Geschichten zusammen? Dergleichen ist mir in meinem Leben nicht begegnet. Sagen Sie doch.</p><lb/> <p>Der Bürgermeister lächelte und erwiderte: Man hält Sie für den todten Gast, für ein Gespenst aus unsern Volksmärchen; wie spaßhaft mir auch die lächerliche Einbildung unserer Spießbürger ist, kann ich doch — Sie nehmen mir Offenheit nicht übel — selbst meine Verwunderung nicht bergen, wie Sie mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0141]
aus dieser Stadt gehabt, oder zufällig etwas von den Geschichten dieser Stadt, nämlich von alten Geschichten, Märchen, Volkssagen der Herbesheimer gelesen oder gehört?
Ich kannte persönlich Niemanden von Herbesheim und wußte von dieser Stadt nichts, als daß hier das Haus Bantes sei, und daß Fräulein Bantes ein äußerst liebenswürdiges Frauenzimmer wäre, was ich nun mit Vergnügen bestätigen will.
Haben Sie vielleicht nie ein Geschichtchen vom todten Gaste der Herbesheimer gelesen oder davon gehört?
Ich wiederhole, die Historie von Herbesheim, zumal die alte — ich muß es zu meiner Schande sagen, Herr Bürgermeister — ist mir so fremd, wie die Historie des Königreichs Siam und Pegu.
Nun, Herr von Hahn, und Ihre Abenteuer bei uns, die ich mehr vermuthe, als kenne, stammen in gerader Linie aus unsern hiesigen alten Geschichten her.
Wie komme ich mit Ihren alten Geschichten zusammen? Dergleichen ist mir in meinem Leben nicht begegnet. Sagen Sie doch.
Der Bürgermeister lächelte und erwiderte: Man hält Sie für den todten Gast, für ein Gespenst aus unsern Volksmärchen; wie spaßhaft mir auch die lächerliche Einbildung unserer Spießbürger ist, kann ich doch — Sie nehmen mir Offenheit nicht übel — selbst meine Verwunderung nicht bergen, wie Sie mit
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/141>, abgerufen am 20.07.2024. |