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Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ich hatte Unrecht, gegen die gute Mutter zu schweigen; aber ich wollte ihr ja nur mein Unglück verschweigen, um sie nicht zu früh mit in mein Leiden zu ziehen. Das muß endlich doch, aber so spät als möglich, geschehen, wenn es der Vater erfahren wird, daß ich lieber unvermählt sterbe, als seinem für mich Erwählten die Hand gebe. So dachte ich und schwieg.

Kind, ich bin nicht gekommen, dir Vorwürfe zu machen. Ich verzeihe deinem Mißtrauen gegen ein Mutterherz, das sich dir noch nie verleugnet hat. Also davon still. Und was deine und Waldrich's gegenseitige Neigung betrifft, hatte ich sie längst befürchtet. Ja, es konnte nicht anders kommen. Ihr konntet Beide nichts ändern. Doch sei ruhig. Hoffe! bete! Wenn Gott will, wird er's lenken. Er ist deiner werth, ob er gleich nicht hat und ist, was der Vater dir bestimmt hat. Ich werde es dem Vater entdecken, wie ihr Beide mit einander steht.

Um Gotteswillen, noch nicht, nur jetzt noch nicht!

Ja, Friederike, jetzt. Es wäre besser gewesen, schon früher. Ich muß es ihm entdecken, denn ich bin seine Frau. Als solche will ich und darf ich kein bedeutendes Geheimniß vor dem Manne haben; habe du dergleichen auch nie im Leben vor deinem künftigen Gemahl. Das erste Geheimniß, welches Mann oder Weib in der sonst glücklichsten Ehe vor einander hegen, bringt den Untergang alles Glücks, bringt Mißtrauen und Spannung. Wir mögen jemals recht oder unrecht

Ich hatte Unrecht, gegen die gute Mutter zu schweigen; aber ich wollte ihr ja nur mein Unglück verschweigen, um sie nicht zu früh mit in mein Leiden zu ziehen. Das muß endlich doch, aber so spät als möglich, geschehen, wenn es der Vater erfahren wird, daß ich lieber unvermählt sterbe, als seinem für mich Erwählten die Hand gebe. So dachte ich und schwieg.

Kind, ich bin nicht gekommen, dir Vorwürfe zu machen. Ich verzeihe deinem Mißtrauen gegen ein Mutterherz, das sich dir noch nie verleugnet hat. Also davon still. Und was deine und Waldrich's gegenseitige Neigung betrifft, hatte ich sie längst befürchtet. Ja, es konnte nicht anders kommen. Ihr konntet Beide nichts ändern. Doch sei ruhig. Hoffe! bete! Wenn Gott will, wird er's lenken. Er ist deiner werth, ob er gleich nicht hat und ist, was der Vater dir bestimmt hat. Ich werde es dem Vater entdecken, wie ihr Beide mit einander steht.

Um Gotteswillen, noch nicht, nur jetzt noch nicht!

Ja, Friederike, jetzt. Es wäre besser gewesen, schon früher. Ich muß es ihm entdecken, denn ich bin seine Frau. Als solche will ich und darf ich kein bedeutendes Geheimniß vor dem Manne haben; habe du dergleichen auch nie im Leben vor deinem künftigen Gemahl. Das erste Geheimniß, welches Mann oder Weib in der sonst glücklichsten Ehe vor einander hegen, bringt den Untergang alles Glücks, bringt Mißtrauen und Spannung. Wir mögen jemals recht oder unrecht

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[0104] Ich hatte Unrecht, gegen die gute Mutter zu schweigen; aber ich wollte ihr ja nur mein Unglück verschweigen, um sie nicht zu früh mit in mein Leiden zu ziehen. Das muß endlich doch, aber so spät als möglich, geschehen, wenn es der Vater erfahren wird, daß ich lieber unvermählt sterbe, als seinem für mich Erwählten die Hand gebe. So dachte ich und schwieg. Kind, ich bin nicht gekommen, dir Vorwürfe zu machen. Ich verzeihe deinem Mißtrauen gegen ein Mutterherz, das sich dir noch nie verleugnet hat. Also davon still. Und was deine und Waldrich's gegenseitige Neigung betrifft, hatte ich sie längst befürchtet. Ja, es konnte nicht anders kommen. Ihr konntet Beide nichts ändern. Doch sei ruhig. Hoffe! bete! Wenn Gott will, wird er's lenken. Er ist deiner werth, ob er gleich nicht hat und ist, was der Vater dir bestimmt hat. Ich werde es dem Vater entdecken, wie ihr Beide mit einander steht. Um Gotteswillen, noch nicht, nur jetzt noch nicht! Ja, Friederike, jetzt. Es wäre besser gewesen, schon früher. Ich muß es ihm entdecken, denn ich bin seine Frau. Als solche will ich und darf ich kein bedeutendes Geheimniß vor dem Manne haben; habe du dergleichen auch nie im Leben vor deinem künftigen Gemahl. Das erste Geheimniß, welches Mann oder Weib in der sonst glücklichsten Ehe vor einander hegen, bringt den Untergang alles Glücks, bringt Mißtrauen und Spannung. Wir mögen jemals recht oder unrecht

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

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Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/104>, abgerufen am 24.11.2024.