Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.Worüber müssen wir nachdenken? ist unbegrenzt, ist unermeßlich groß. Himmelund Erde, alle leblose und lebendige Geschöpfe, alles, was in ihm und außer ihm ist, das Ver- gangene, das Gegenwärtige und das Zukünf- tige, das Mögliche und das Wirkliche: Alles erreget seine Aufmerksamkeit, und ladet ihn zum Nachdenken ein. Er wandelt nicht, gleich dem Leichtsinnigen und Unachtsamen, gedanken- los und unempfindlich auf diesem mit lauter Wundern angefüllten Schauplatze der göttli- chen Größe umher. Seine Sinne und sein Herz stehen stets den Eindrücken des Wahren, des Schönen und Guten offen; und sein Geist ist immer bereit und geschäfftig, sie aufzuneh- men, zu ordnen, zu vergleichen, zu untersu- chen, und sie zur Berichtigung seiner Einsich- ten und Kenntnisse, zur Beförderung seiner Vollkommenheit anzuwenden. Und wohl dem, dem Fähigkeit und Stand und Muße erlau- ben, mit seinem Nachdenken so viel zu umfas- sen, sich so oft und anhaltend damit zu be- schäfftigen, und das Vergnügen desselben in einem so reichen Maaße zu genießen! Doch, dieß kann nur das Loos und die Bestimmung der Wenigsten seyn. Deswegen müssen wir auch hier unterscheiden und wählen lernen. Nicht
Worüber müſſen wir nachdenken? iſt unbegrenzt, iſt unermeßlich groß. Himmelund Erde, alle lebloſe und lebendige Geſchöpfe, alles, was in ihm und außer ihm iſt, das Ver- gangene, das Gegenwärtige und das Zukünf- tige, das Mögliche und das Wirkliche: Alles erreget ſeine Aufmerkſamkeit, und ladet ihn zum Nachdenken ein. Er wandelt nicht, gleich dem Leichtſinnigen und Unachtſamen, gedanken- los und unempfindlich auf dieſem mit lauter Wundern angefüllten Schauplatze der göttli- chen Größe umher. Seine Sinne und ſein Herz ſtehen ſtets den Eindrücken des Wahren, des Schönen und Guten offen; und ſein Geiſt iſt immer bereit und geſchäfftig, ſie aufzuneh- men, zu ordnen, zu vergleichen, zu unterſu- chen, und ſie zur Berichtigung ſeiner Einſich- ten und Kenntniſſe, zur Beförderung ſeiner Vollkommenheit anzuwenden. Und wohl dem, dem Fähigkeit und Stand und Muße erlau- ben, mit ſeinem Nachdenken ſo viel zu umfaſ- ſen, ſich ſo oft und anhaltend damit zu be- ſchäfftigen, und das Vergnügen deſſelben in einem ſo reichen Maaße zu genießen! Doch, dieß kann nur das Loos und die Beſtimmung der Wenigſten ſeyn. Deswegen müſſen wir auch hier unterſcheiden und wählen lernen. Nicht
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Worüber müſſen wir nachdenken?
iſt unbegrenzt, iſt unermeßlich groß. Himmel
und Erde, alle lebloſe und lebendige Geſchöpfe,
alles, was in ihm und außer ihm iſt, das Ver-
gangene, das Gegenwärtige und das Zukünf-
tige, das Mögliche und das Wirkliche: Alles
erreget ſeine Aufmerkſamkeit, und ladet ihn
zum Nachdenken ein. Er wandelt nicht, gleich
dem Leichtſinnigen und Unachtſamen, gedanken-
los und unempfindlich auf dieſem mit lauter
Wundern angefüllten Schauplatze der göttli-
chen Größe umher. Seine Sinne und ſein
Herz ſtehen ſtets den Eindrücken des Wahren,
des Schönen und Guten offen; und ſein Geiſt
iſt immer bereit und geſchäfftig, ſie aufzuneh-
men, zu ordnen, zu vergleichen, zu unterſu-
chen, und ſie zur Berichtigung ſeiner Einſich-
ten und Kenntniſſe, zur Beförderung ſeiner
Vollkommenheit anzuwenden. Und wohl dem,
dem Fähigkeit und Stand und Muße erlau-
ben, mit ſeinem Nachdenken ſo viel zu umfaſ-
ſen, ſich ſo oft und anhaltend damit zu be-
ſchäfftigen, und das Vergnügen deſſelben in
einem ſo reichen Maaße zu genießen! Doch,
dieß kann nur das Loos und die Beſtimmung
der Wenigſten ſeyn. Deswegen müſſen wir
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Zitationshilfe: | Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/50>, abgerufen am 14.06.2024. |