Grundsatz es war: ich muß wirken, so lange es Tag ist, ehe denn die Nacht kömmt, da niemand wirken kann?
Nein, das sehe ich nun deutlich ein, daß Trägheit und Unthätigkeit offenbar mit deinem Willen, o Gott, und mit deinen Absichten streitet; daß sie den Menschen erniedriget, ent- ehret, entkräftet; daß sie ihm selbst und sei- nen Nebenmenschen auf alle Weise schädlich und verderblich ist; daß sie ihn von dir und von seiner Bestimmung entfernet, und ihn des Namens eines vernünftigen Geschöpfes, eines nützlichen Bürgers, und eines wahren Chri- sten ganz unwürdig machet. Ferne sey es denn von mir, mich jemals dem niedrigen Hange zur Trägheit zu überlassen, oder in der Erfül- lung der Pflichten meines Amtes und Berufes je verdrossen und nachläßig zu werden! Nein, der Gedanke an dich, meinen höchsten Auf- seher und Richter; das Gefühl meiner mensch- lichen und christlichen Würde; die Dankbar- keit gegen dich, und gegen meine Brüder; Selbstliebe und Menschenliebe; gegenwärtiger Genuß, und künftige Aussichten und Hoffnun- gen: die müssen mir es nie an Antrieb und Lust und Muth zur gemeinnützigsten Thätig-
keit,
R 5
Wider die Trägheit.
Grundſatz es war: ich muß wirken, ſo lange es Tag iſt, ehe denn die Nacht kömmt, da niemand wirken kann?
Nein, das ſehe ich nun deutlich ein, daß Trägheit und Unthätigkeit offenbar mit deinem Willen, o Gott, und mit deinen Abſichten ſtreitet; daß ſie den Menſchen erniedriget, ent- ehret, entkräftet; daß ſie ihm ſelbſt und ſei- nen Nebenmenſchen auf alle Weiſe ſchädlich und verderblich iſt; daß ſie ihn von dir und von ſeiner Beſtimmung entfernet, und ihn des Namens eines vernünftigen Geſchöpfes, eines nützlichen Bürgers, und eines wahren Chri- ſten ganz unwürdig machet. Ferne ſey es denn von mir, mich jemals dem niedrigen Hange zur Trägheit zu überlaſſen, oder in der Erfül- lung der Pflichten meines Amtes und Berufes je verdroſſen und nachläßig zu werden! Nein, der Gedanke an dich, meinen höchſten Auf- ſeher und Richter; das Gefühl meiner menſch- lichen und chriſtlichen Würde; die Dankbar- keit gegen dich, und gegen meine Brüder; Selbſtliebe und Menſchenliebe; gegenwärtiger Genuß, und künftige Ausſichten und Hoffnun- gen: die müſſen mir es nie an Antrieb und Luſt und Muth zur gemeinnützigſten Thätig-
keit,
R 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0287"n="265"/><fwplace="top"type="header">Wider die Trägheit.</fw><lb/>
Grundſatz es war: <hirendition="#fr">ich muß wirken, ſo<lb/>
lange es Tag iſt, ehe denn die Nacht<lb/>
kömmt, da niemand wirken kann?</hi></p><lb/><p>Nein, das ſehe ich nun deutlich ein, daß<lb/>
Trägheit und Unthätigkeit offenbar mit deinem<lb/>
Willen, o Gott, und mit deinen Abſichten<lb/>ſtreitet; daß ſie den Menſchen erniedriget, ent-<lb/>
ehret, entkräftet; daß ſie ihm ſelbſt und ſei-<lb/>
nen Nebenmenſchen auf alle Weiſe ſchädlich<lb/>
und verderblich iſt; daß ſie ihn von dir und<lb/>
von ſeiner Beſtimmung entfernet, und ihn des<lb/>
Namens eines vernünftigen Geſchöpfes, eines<lb/>
nützlichen Bürgers, und eines wahren Chri-<lb/>ſten ganz unwürdig machet. Ferne ſey es<lb/>
denn von mir, mich jemals dem niedrigen Hange<lb/>
zur Trägheit zu überlaſſen, oder in der Erfül-<lb/>
lung der Pflichten meines Amtes und Berufes<lb/>
je verdroſſen und nachläßig zu werden! Nein,<lb/>
der Gedanke an dich, meinen höchſten Auf-<lb/>ſeher und Richter; das Gefühl meiner menſch-<lb/>
lichen und chriſtlichen Würde; die Dankbar-<lb/>
keit gegen dich, und gegen meine Brüder;<lb/>
Selbſtliebe und Menſchenliebe; gegenwärtiger<lb/>
Genuß, und künftige Ausſichten und Hoffnun-<lb/>
gen: die müſſen mir es nie an Antrieb und<lb/>
Luſt und Muth zur gemeinnützigſten Thätig-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">keit,</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[265/0287]
Wider die Trägheit.
Grundſatz es war: ich muß wirken, ſo
lange es Tag iſt, ehe denn die Nacht
kömmt, da niemand wirken kann?
Nein, das ſehe ich nun deutlich ein, daß
Trägheit und Unthätigkeit offenbar mit deinem
Willen, o Gott, und mit deinen Abſichten
ſtreitet; daß ſie den Menſchen erniedriget, ent-
ehret, entkräftet; daß ſie ihm ſelbſt und ſei-
nen Nebenmenſchen auf alle Weiſe ſchädlich
und verderblich iſt; daß ſie ihn von dir und
von ſeiner Beſtimmung entfernet, und ihn des
Namens eines vernünftigen Geſchöpfes, eines
nützlichen Bürgers, und eines wahren Chri-
ſten ganz unwürdig machet. Ferne ſey es
denn von mir, mich jemals dem niedrigen Hange
zur Trägheit zu überlaſſen, oder in der Erfül-
lung der Pflichten meines Amtes und Berufes
je verdroſſen und nachläßig zu werden! Nein,
der Gedanke an dich, meinen höchſten Auf-
ſeher und Richter; das Gefühl meiner menſch-
lichen und chriſtlichen Würde; die Dankbar-
keit gegen dich, und gegen meine Brüder;
Selbſtliebe und Menſchenliebe; gegenwärtiger
Genuß, und künftige Ausſichten und Hoffnun-
gen: die müſſen mir es nie an Antrieb und
Luſt und Muth zur gemeinnützigſten Thätig-
keit,
R 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/287>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.