Gott, der Gedanke an dich und deine Ge- genwart sollte mein Führer, mein Be- gleiter, mein Trost und meine Freude an dem verfloßnen Tage seyn. Das war der fromme Vorsatz, den ich diesen Morgen vor dir, dem Allwissenden, faßte, und dessen Kraft in der Stunde der Andacht meine Seele wirklich em- pfand. Wie habe ich nun meinen Vorsatz er- füllt? In wie weit bin ich meinem Entschlusse treu geblieben?
Wie vertraut, oder wie fremde war mir heute der Gedanke von dir und deiner Gegen- wart? Wie leicht, oder wie schwer wurde es mir, diesen großen, seligen Gedanken in mir zu erwecken, zu unterhalten, zu beleben, und seinen Eingebungen und Forderungen zu fol- gen? Welche Geschäffte, welche Freuden, wel- che Leiden, welche Begebenheiten, welche Men- schen, welche leblose oder lebendige Geschöpfe, haben mich auf dich, den Allgegenwärtigen, geführt, an dich erinnert, meinen Geist und mein Herz zu dir erhoben, und mich dein Da- seyn, deine Vollkommenheit, deine Nähe em- pfinden lassen? Von welchen Thorheiten und
Sünden
Entſchluß, vor Gott
Des Abends.
Gott, der Gedanke an dich und deine Ge- genwart ſollte mein Führer, mein Be- gleiter, mein Troſt und meine Freude an dem verfloßnen Tage ſeyn. Das war der fromme Vorſatz, den ich dieſen Morgen vor dir, dem Allwiſſenden, faßte, und deſſen Kraft in der Stunde der Andacht meine Seele wirklich em- pfand. Wie habe ich nun meinen Vorſatz er- füllt? In wie weit bin ich meinem Entſchluſſe treu geblieben?
Wie vertraut, oder wie fremde war mir heute der Gedanke von dir und deiner Gegen- wart? Wie leicht, oder wie ſchwer wurde es mir, dieſen großen, ſeligen Gedanken in mir zu erwecken, zu unterhalten, zu beleben, und ſeinen Eingebungen und Forderungen zu fol- gen? Welche Geſchäffte, welche Freuden, wel- che Leiden, welche Begebenheiten, welche Men- ſchen, welche lebloſe oder lebendige Geſchöpfe, haben mich auf dich, den Allgegenwärtigen, geführt, an dich erinnert, meinen Geiſt und mein Herz zu dir erhoben, und mich dein Da- ſeyn, deine Vollkommenheit, deine Nähe em- pfinden laſſen? Von welchen Thorheiten und
Sünden
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Entſchluß, vor Gott
Des Abends.
Gott, der Gedanke an dich und deine Ge-
genwart ſollte mein Führer, mein Be-
gleiter, mein Troſt und meine Freude an dem
verfloßnen Tage ſeyn. Das war der fromme
Vorſatz, den ich dieſen Morgen vor dir, dem
Allwiſſenden, faßte, und deſſen Kraft in der
Stunde der Andacht meine Seele wirklich em-
pfand. Wie habe ich nun meinen Vorſatz er-
füllt? In wie weit bin ich meinem Entſchluſſe
treu geblieben?
Wie vertraut, oder wie fremde war mir
heute der Gedanke von dir und deiner Gegen-
wart? Wie leicht, oder wie ſchwer wurde es
mir, dieſen großen, ſeligen Gedanken in mir
zu erwecken, zu unterhalten, zu beleben, und
ſeinen Eingebungen und Forderungen zu fol-
gen? Welche Geſchäffte, welche Freuden, wel-
che Leiden, welche Begebenheiten, welche Men-
ſchen, welche lebloſe oder lebendige Geſchöpfe,
haben mich auf dich, den Allgegenwärtigen,
geführt, an dich erinnert, meinen Geiſt und
mein Herz zu dir erhoben, und mich dein Da-
ſeyn, deine Vollkommenheit, deine Nähe em-
pfinden laſſen? Von welchen Thorheiten und
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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/240>, abgerufen am 16.02.2025.
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