in wie weit könnte er wohl insbesondere mich und meine Sinnesart und mein Verhalten an dem verflossenen Tage billigen, und für eine Art zu denken und zu leben halten, deren er sich an meiner Stelle nicht schämen dürfte?
Frühe wünschte ich vor dir, dem Allwissen- den, diesen Tag so zuzubringen, wie Er, mein Vorgänger, ihn würde zugebracht haben, wenn Er in meinen Verhältnissen und Umständen gelebet hätte. Ist dieses wirklich geschehen? Zeugten alle meine Gesinnungen, Reden, Hand- lungen, Bestrebungen, Absichten davon, daß ich ein Verehrer und Nachfolger Jesu sey? Konnte man mir es anmerken, daß ich nicht zu dem großen Haufen sinnlicher, ganz Irr- dischgesinnter, ihren Lüsten und Leidenschaften ergebener Menschen, sondern zu der kleineren, auserlesenen Anzahl von Weisen und Guten gehöre, die sich unter seiner Anführung, und nach seinem Muster, zu höherer Vollkommen- heit bilden, und nach reinerer Glückseligkeit stre- ben? Hielt ich es auch heute, gleich ihm, für mei- ne Speise, für mein Vergnügen, deinen Wil- len, o Gott, zu thun, meinen Brüdern zu dienen und ihr Bestes zu befördern? War mir alles erwünscht und angenehm, was mich deine Vor-
sehung
O 2
des chriſtlichen Verhaltens.
in wie weit könnte er wohl insbeſondere mich und meine Sinnesart und mein Verhalten an dem verfloſſenen Tage billigen, und für eine Art zu denken und zu leben halten, deren er ſich an meiner Stelle nicht ſchämen dürfte?
Frühe wünſchte ich vor dir, dem Allwiſſen- den, dieſen Tag ſo zuzubringen, wie Er, mein Vorgänger, ihn würde zugebracht haben, wenn Er in meinen Verhältniſſen und Umſtänden gelebet hätte. Iſt dieſes wirklich geſchehen? Zeugten alle meine Geſinnungen, Reden, Hand- lungen, Beſtrebungen, Abſichten davon, daß ich ein Verehrer und Nachfolger Jeſu ſey? Konnte man mir es anmerken, daß ich nicht zu dem großen Haufen ſinnlicher, ganz Irr- diſchgeſinnter, ihren Lüſten und Leidenſchaften ergebener Menſchen, ſondern zu der kleineren, auserleſenen Anzahl von Weiſen und Guten gehöre, die ſich unter ſeiner Anführung, und nach ſeinem Muſter, zu höherer Vollkommen- heit bilden, und nach reinerer Glückſeligkeit ſtre- ben? Hielt ich es auch heute, gleich ihm, für mei- ne Speiſe, für mein Vergnügen, deinen Wil- len, o Gott, zu thun, meinen Brüdern zu dienen und ihr Beſtes zu befördern? War mir alles erwünſcht und angenehm, was mich deine Vor-
ſehung
O 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0233"n="211"/><fwplace="top"type="header">des chriſtlichen Verhaltens.</fw><lb/>
in wie weit könnte er wohl insbeſondere mich<lb/>
und meine Sinnesart und mein Verhalten an<lb/>
dem verfloſſenen Tage billigen, und für eine<lb/>
Art zu denken und zu leben halten, deren er<lb/>ſich an meiner Stelle nicht ſchämen dürfte?</p><lb/><p>Frühe wünſchte ich vor dir, dem Allwiſſen-<lb/>
den, dieſen Tag ſo zuzubringen, wie Er, mein<lb/>
Vorgänger, ihn würde zugebracht haben, wenn<lb/>
Er in meinen Verhältniſſen und Umſtänden<lb/>
gelebet hätte. Iſt dieſes wirklich geſchehen?<lb/>
Zeugten alle meine Geſinnungen, Reden, Hand-<lb/>
lungen, Beſtrebungen, Abſichten davon, daß<lb/>
ich ein Verehrer und Nachfolger Jeſu ſey?<lb/>
Konnte man mir es anmerken, daß ich nicht<lb/>
zu dem großen Haufen ſinnlicher, ganz Irr-<lb/>
diſchgeſinnter, ihren Lüſten und Leidenſchaften<lb/>
ergebener Menſchen, ſondern zu der kleineren,<lb/>
auserleſenen Anzahl von Weiſen und Guten<lb/>
gehöre, die ſich unter ſeiner Anführung, und<lb/>
nach ſeinem Muſter, zu höherer Vollkommen-<lb/>
heit bilden, und nach reinerer Glückſeligkeit ſtre-<lb/>
ben? Hielt ich es auch heute, gleich ihm, für mei-<lb/>
ne Speiſe, für mein Vergnügen, deinen Wil-<lb/>
len, o Gott, zu thun, meinen Brüdern zu dienen<lb/>
und ihr Beſtes zu befördern? War mir alles<lb/>
erwünſcht und angenehm, was mich deine Vor-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſehung</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[211/0233]
des chriſtlichen Verhaltens.
in wie weit könnte er wohl insbeſondere mich
und meine Sinnesart und mein Verhalten an
dem verfloſſenen Tage billigen, und für eine
Art zu denken und zu leben halten, deren er
ſich an meiner Stelle nicht ſchämen dürfte?
Frühe wünſchte ich vor dir, dem Allwiſſen-
den, dieſen Tag ſo zuzubringen, wie Er, mein
Vorgänger, ihn würde zugebracht haben, wenn
Er in meinen Verhältniſſen und Umſtänden
gelebet hätte. Iſt dieſes wirklich geſchehen?
Zeugten alle meine Geſinnungen, Reden, Hand-
lungen, Beſtrebungen, Abſichten davon, daß
ich ein Verehrer und Nachfolger Jeſu ſey?
Konnte man mir es anmerken, daß ich nicht
zu dem großen Haufen ſinnlicher, ganz Irr-
diſchgeſinnter, ihren Lüſten und Leidenſchaften
ergebener Menſchen, ſondern zu der kleineren,
auserleſenen Anzahl von Weiſen und Guten
gehöre, die ſich unter ſeiner Anführung, und
nach ſeinem Muſter, zu höherer Vollkommen-
heit bilden, und nach reinerer Glückſeligkeit ſtre-
ben? Hielt ich es auch heute, gleich ihm, für mei-
ne Speiſe, für mein Vergnügen, deinen Wil-
len, o Gott, zu thun, meinen Brüdern zu dienen
und ihr Beſtes zu befördern? War mir alles
erwünſcht und angenehm, was mich deine Vor-
ſehung
O 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/233>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.