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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

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Rücksicht auf den vergangenen Tag.
Des Abends.

Nacht und Finsterniß verbreiten sich wieder
über einen beträchtlichen Theil der Be-
wohner des Erdbodens; das Gedränge machet
der Einsamkeit, das Geräusch der Stille, die
Thätigkeit der Ruhe Platz. Millionen von
Menschen werden in ihren Arbeiten, in ihren
Geschäfften, in ihren Bestrebungen aufgehal-
ten, stehen auf ihrem Wege stille, fühlen sich
entkräftet und müde, und alles ladet sie zur
größern Stille und Ruhe ein, oder nöthiget
und zwingt sie dazu. Aber nicht alle, o Gott,
genießen diese wohlthätige Ruhe, nicht alle sind
ihres Genusses fähig. Nicht alle finden in
der Stille der Nacht die Erquickung und Stär-
kung, die sie dem Weisen und dem Guten ver-
schaffet. Ach, der Ehrgeizige, der Rachsüch-
tige, der Neidische, der Unzufriedene, der Hab-
süchtige, der Eitele kennet keine Ruhe, und
seine Leidenschaften martern ihn nur um so viel
mehr, um so viel weniger er von äußern Din-
gen zerstreuet und beschäfftiget wird. Und wie
kann der, der heute Böses gethan, Gutes ge-

hindert,
H 5
Rückſicht auf den vergangenen Tag.
Des Abends.

Nacht und Finſterniß verbreiten ſich wieder
über einen beträchtlichen Theil der Be-
wohner des Erdbodens; das Gedränge machet
der Einſamkeit, das Geräuſch der Stille, die
Thätigkeit der Ruhe Platz. Millionen von
Menſchen werden in ihren Arbeiten, in ihren
Geſchäfften, in ihren Beſtrebungen aufgehal-
ten, ſtehen auf ihrem Wege ſtille, fühlen ſich
entkräftet und müde, und alles ladet ſie zur
größern Stille und Ruhe ein, oder nöthiget
und zwingt ſie dazu. Aber nicht alle, o Gott,
genießen dieſe wohlthätige Ruhe, nicht alle ſind
ihres Genuſſes fähig. Nicht alle finden in
der Stille der Nacht die Erquickung und Stär-
kung, die ſie dem Weiſen und dem Guten ver-
ſchaffet. Ach, der Ehrgeizige, der Rachſüch-
tige, der Neidiſche, der Unzufriedene, der Hab-
ſüchtige, der Eitele kennet keine Ruhe, und
ſeine Leidenſchaften martern ihn nur um ſo viel
mehr, um ſo viel weniger er von äußern Din-
gen zerſtreuet und beſchäfftiget wird. Und wie
kann der, der heute Böſes gethan, Gutes ge-

hindert,
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[121/0143] Rückſicht auf den vergangenen Tag. Des Abends. Nacht und Finſterniß verbreiten ſich wieder über einen beträchtlichen Theil der Be- wohner des Erdbodens; das Gedränge machet der Einſamkeit, das Geräuſch der Stille, die Thätigkeit der Ruhe Platz. Millionen von Menſchen werden in ihren Arbeiten, in ihren Geſchäfften, in ihren Beſtrebungen aufgehal- ten, ſtehen auf ihrem Wege ſtille, fühlen ſich entkräftet und müde, und alles ladet ſie zur größern Stille und Ruhe ein, oder nöthiget und zwingt ſie dazu. Aber nicht alle, o Gott, genießen dieſe wohlthätige Ruhe, nicht alle ſind ihres Genuſſes fähig. Nicht alle finden in der Stille der Nacht die Erquickung und Stär- kung, die ſie dem Weiſen und dem Guten ver- ſchaffet. Ach, der Ehrgeizige, der Rachſüch- tige, der Neidiſche, der Unzufriedene, der Hab- ſüchtige, der Eitele kennet keine Ruhe, und ſeine Leidenſchaften martern ihn nur um ſo viel mehr, um ſo viel weniger er von äußern Din- gen zerſtreuet und beſchäfftiget wird. Und wie kann der, der heute Böſes gethan, Gutes ge- hindert, H 5

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Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/143>, abgerufen am 24.11.2024.