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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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II. Die Schriftlehre vom Urstande.
Es folgt hierauf, zusammenfallend mit der heilsgeschichtlichen Ent-
wicklung seit Ertheilung des Gesetzes, die Lebensordnung der Gegen-
wart, mit dem Jahrhundert als höchst selten überschrittener äußerster
Grenze, sowie mit 70--80 Jahren als günstigsten Normaldauern
des menschlichen Jndividuallebens (Ps. 90, 10). -- Die Bestimmt-
heit des in diesen Ziffern sich ausprägenden Gesetzes einer all-
mähligen Degradation, Abschwächung oder Herabminderung der
ursprünglich unsrem Geschlechte verliehen gewesenen Lebenskraft läßt
nichts zu wünschen übrig. Wollte man vielleicht bezweifeln, ob das
stufenmäßige Geringerwerden der Lebensdauern wirklich einen Be-
standtheil des Pragmatismus der biblischen Urgeschichte bilde und
als ein dem Gange der Heilsgeschichte in härirendes Gesetz gedacht
sei, so genügt es, sich Jakobs Ausspruch an Pharao zu vergegen-
wärtigen: "Die Zeit meiner Wallfahrt ist 130 Jahre; wenig und
böse ist die Zeit meines Lebens, und langet nicht an die Zeit
meiner Väter in ihrer Wallfahrt
" (1 Mos. 47, 9). Un-
sicher ists, ob vielleicht auch schon das Wort des über die Frevel
der vorsintfluthlichen Menschen zürnenden Gottes in 1 Mos. 6, 3
mit seiner Erwähnung einer 120jährigen Zeitdauer als directes
Zeugniß für ein nach bestimmten Gesetzen stattfindendes allmähliges
Sinken der Lebensalter aufzufassen ist. Wäre dieser Ausspruch etwa
(mit Gesenius, Ewald, Baumgarten, auch Tuch etc.) zu übersetzen:
"Nicht soll auf immer erniedrigt sein mein Geist im Menschen,
dieweil dieser Fleisch ist: und es sollen (fortan) seine Tage sein
120 Jahre!", oder auch mit Knobel: "Nicht soll herrschen mein
Geist im Menschen für ewig; (sondern) dieweil auch er Fleisch, so
sollen seine Tage 120 Jahre sein", -- so würde allerdings ein sehr
bestimmter und nachdrücklicher göttlicher Urtheilsspruch im Sinne

16--20 (Levi, Kahath und Amram); 4 Mos. 33, 39 (Aaron); 5 Mos. 34, 7
(Mose); 1 Mos. 50, 26 (Joseph). Die Belegstellen für die vorhergehenden Zahlen-
reihen entnehme man einfach aus Kap. 5 u. 11 der Genesis. -- Ueber eine
merkwürdige, von Trebell. Pollio aufbewahrte jüdische Sage, welche Mosen nicht
120, sondern 125 Jahre alt werden läßt, s. unten Nr. IX, 1.

II. Die Schriftlehre vom Urſtande.
Es folgt hierauf, zuſammenfallend mit der heilsgeſchichtlichen Ent-
wicklung ſeit Ertheilung des Geſetzes, die Lebensordnung der Gegen-
wart, mit dem Jahrhundert als höchſt ſelten überſchrittener äußerſter
Grenze, ſowie mit 70—80 Jahren als günſtigſten Normaldauern
des menſchlichen Jndividuallebens (Pſ. 90, 10). — Die Beſtimmt-
heit des in dieſen Ziffern ſich ausprägenden Geſetzes einer all-
mähligen Degradation, Abſchwächung oder Herabminderung der
urſprünglich unſrem Geſchlechte verliehen geweſenen Lebenskraft läßt
nichts zu wünſchen übrig. Wollte man vielleicht bezweifeln, ob das
ſtufenmäßige Geringerwerden der Lebensdauern wirklich einen Be-
ſtandtheil des Pragmatismus der bibliſchen Urgeſchichte bilde und
als ein dem Gange der Heilsgeſchichte in härirendes Geſetz gedacht
ſei, ſo genügt es, ſich Jakobs Ausſpruch an Pharao zu vergegen-
wärtigen: „Die Zeit meiner Wallfahrt iſt 130 Jahre; wenig und
böſe iſt die Zeit meines Lebens, und langet nicht an die Zeit
meiner Väter in ihrer Wallfahrt
‟ (1 Moſ. 47, 9). Un-
ſicher iſts, ob vielleicht auch ſchon das Wort des über die Frevel
der vorſintfluthlichen Menſchen zürnenden Gottes in 1 Moſ. 6, 3
mit ſeiner Erwähnung einer 120jährigen Zeitdauer als directes
Zeugniß für ein nach beſtimmten Geſetzen ſtattfindendes allmähliges
Sinken der Lebensalter aufzufaſſen iſt. Wäre dieſer Ausſpruch etwa
(mit Geſenius, Ewald, Baumgarten, auch Tuch ꝛc.) zu überſetzen:
„Nicht ſoll auf immer erniedrigt ſein mein Geiſt im Menſchen,
dieweil dieſer Fleiſch iſt: und es ſollen (fortan) ſeine Tage ſein
120 Jahre!‟, oder auch mit Knobel: „Nicht ſoll herrſchen mein
Geiſt im Menſchen für ewig; (ſondern) dieweil auch er Fleiſch, ſo
ſollen ſeine Tage 120 Jahre ſein‟, — ſo würde allerdings ein ſehr
beſtimmter und nachdrücklicher göttlicher Urtheilsſpruch im Sinne

16—20 (Levi, Kahath und Amram); 4 Moſ. 33, 39 (Aaron); 5 Moſ. 34, 7
(Moſe); 1 Moſ. 50, 26 (Joſeph). Die Belegſtellen für die vorhergehenden Zahlen-
reihen entnehme man einfach aus Kap. 5 u. 11 der Geneſis. — Ueber eine
merkwürdige, von Trebell. Pollio aufbewahrte jüdiſche Sage, welche Moſen nicht
120, ſondern 125 Jahre alt werden läßt, ſ. unten Nr. IX, 1.
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[76/0086] II. Die Schriftlehre vom Urſtande. Es folgt hierauf, zuſammenfallend mit der heilsgeſchichtlichen Ent- wicklung ſeit Ertheilung des Geſetzes, die Lebensordnung der Gegen- wart, mit dem Jahrhundert als höchſt ſelten überſchrittener äußerſter Grenze, ſowie mit 70—80 Jahren als günſtigſten Normaldauern des menſchlichen Jndividuallebens (Pſ. 90, 10). — Die Beſtimmt- heit des in dieſen Ziffern ſich ausprägenden Geſetzes einer all- mähligen Degradation, Abſchwächung oder Herabminderung der urſprünglich unſrem Geſchlechte verliehen geweſenen Lebenskraft läßt nichts zu wünſchen übrig. Wollte man vielleicht bezweifeln, ob das ſtufenmäßige Geringerwerden der Lebensdauern wirklich einen Be- ſtandtheil des Pragmatismus der bibliſchen Urgeſchichte bilde und als ein dem Gange der Heilsgeſchichte in härirendes Geſetz gedacht ſei, ſo genügt es, ſich Jakobs Ausſpruch an Pharao zu vergegen- wärtigen: „Die Zeit meiner Wallfahrt iſt 130 Jahre; wenig und böſe iſt die Zeit meines Lebens, und langet nicht an die Zeit meiner Väter in ihrer Wallfahrt‟ (1 Moſ. 47, 9). Un- ſicher iſts, ob vielleicht auch ſchon das Wort des über die Frevel der vorſintfluthlichen Menſchen zürnenden Gottes in 1 Moſ. 6, 3 mit ſeiner Erwähnung einer 120jährigen Zeitdauer als directes Zeugniß für ein nach beſtimmten Geſetzen ſtattfindendes allmähliges Sinken der Lebensalter aufzufaſſen iſt. Wäre dieſer Ausſpruch etwa (mit Geſenius, Ewald, Baumgarten, auch Tuch ꝛc.) zu überſetzen: „Nicht ſoll auf immer erniedrigt ſein mein Geiſt im Menſchen, dieweil dieſer Fleiſch iſt: und es ſollen (fortan) ſeine Tage ſein 120 Jahre!‟, oder auch mit Knobel: „Nicht ſoll herrſchen mein Geiſt im Menſchen für ewig; (ſondern) dieweil auch er Fleiſch, ſo ſollen ſeine Tage 120 Jahre ſein‟, — ſo würde allerdings ein ſehr beſtimmter und nachdrücklicher göttlicher Urtheilsſpruch im Sinne 1) 1) 16—20 (Levi, Kahath und Amram); 4 Moſ. 33, 39 (Aaron); 5 Moſ. 34, 7 (Moſe); 1 Moſ. 50, 26 (Joſeph). Die Belegſtellen für die vorhergehenden Zahlen- reihen entnehme man einfach aus Kap. 5 u. 11 der Geneſis. — Ueber eine merkwürdige, von Trebell. Pollio aufbewahrte jüdiſche Sage, welche Moſen nicht 120, ſondern 125 Jahre alt werden läßt, ſ. unten Nr. IX, 1.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/86>, abgerufen am 22.11.2024.