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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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IX. Das Alter des Menschengeschlechts.
halten? gestattet vielleicht die Chronologie des A. T's., falls sie
einer unbefangenen, schärfer eindringenden Prüfung unterzogen wird,
die von v. Baer erforderten "paar Jahrtausende" in der That
zuzugeben?

Daß mit Adoptirung der alexandrinischen Chronologie hier
nichts genützt wäre, sahen wir schon Eingangs dieses Abschnitts.
Die 7000 bis 7500 Jahre der Septuaginta können nicht die rettende
Planke für den nach Ausgleichung seiner Annahmen mit denen der
modernen Geologie trachtenden wissenschaftlich erleuchteten Schrift-
glauben bilden, -- aus dem einfachen Grunde nicht, weil sie in
historisch-kritischer Hinsicht viel zu morsch und wurmstichig erscheinen.
Es könnte indessen sehr wohl auch durch die Annahme, daß das Pa-
triarchenregister in Gen. 5 sowie vielleicht auch das in Gen. 11 uns
weder durch den Grundtext noch durch die alten Versionen lückenlos
überliefert sei, die erforderliche Erweiterung des biblisch-chronologischen
Systems bewirkt werden. Das Symbolische der Zehnzahl beider
Erzväterlisten könnte hiefür geltend gemacht werden; nicht minder
das Vorkommen noch andrer Fälle von Auslassungen oder Ueber-
gehungen einzelner Zwischenglieder in fortlaufenden Berichten sowohl
der alt- als selbst der neutestamentlichen Geschichte. Man denke
nur, was alttestamentliche Analogien betrifft, an die Jahre des
Aufenthalts Jsraels in Aegypten sowie an die der Richterperiode,
die jenachdem die einen oder die andren Anhaltspunkte für die
Rechnung benutzt werden, beträchtlich längere oder erheblich kürzere
Gesammtzeiten ergeben; deßgleichen und vor Allem an die Geschlechts-
register der Chronik (1 Chr. 1--9), deren vielfach nur andeutende
Kürze und unverkennbar fragmentarischer Charakter eine besonders
lehrreiche Parallele zum genealogischen Jnhalte von Gen. 5 und 11
bildet. Oder man vergleiche auf neutestamentlichem Gebiete die
Geschlechtsregister bei Matthäus und Lukas, die laut den drei ersten
Evangelien scheinbar nur einjährige, laut Johannes aber mindestens
drei- bis vierjährige Dauer des öffentlichen Lehrens Jesu; oder die
scheinbar so kurzen, in Wahrheit aber doch nach Jahren zu schätzen-

Zöckler, Urstand. 21

IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts.
halten? geſtattet vielleicht die Chronologie des A. T’s., falls ſie
einer unbefangenen, ſchärfer eindringenden Prüfung unterzogen wird,
die von v. Baer erforderten „paar Jahrtauſende‟ in der That
zuzugeben?

Daß mit Adoptirung der alexandriniſchen Chronologie hier
nichts genützt wäre, ſahen wir ſchon Eingangs dieſes Abſchnitts.
Die 7000 bis 7500 Jahre der Septuaginta können nicht die rettende
Planke für den nach Ausgleichung ſeiner Annahmen mit denen der
modernen Geologie trachtenden wiſſenſchaftlich erleuchteten Schrift-
glauben bilden, — aus dem einfachen Grunde nicht, weil ſie in
hiſtoriſch-kritiſcher Hinſicht viel zu morſch und wurmſtichig erſcheinen.
Es könnte indeſſen ſehr wohl auch durch die Annahme, daß das Pa-
triarchenregiſter in Gen. 5 ſowie vielleicht auch das in Gen. 11 uns
weder durch den Grundtext noch durch die alten Verſionen lückenlos
überliefert ſei, die erforderliche Erweiterung des bibliſch-chronologiſchen
Syſtems bewirkt werden. Das Symboliſche der Zehnzahl beider
Erzväterliſten könnte hiefür geltend gemacht werden; nicht minder
das Vorkommen noch andrer Fälle von Auslaſſungen oder Ueber-
gehungen einzelner Zwiſchenglieder in fortlaufenden Berichten ſowohl
der alt- als ſelbſt der neuteſtamentlichen Geſchichte. Man denke
nur, was altteſtamentliche Analogien betrifft, an die Jahre des
Aufenthalts Jſraels in Aegypten ſowie an die der Richterperiode,
die jenachdem die einen oder die andren Anhaltspunkte für die
Rechnung benutzt werden, beträchtlich längere oder erheblich kürzere
Geſammtzeiten ergeben; deßgleichen und vor Allem an die Geſchlechts-
regiſter der Chronik (1 Chr. 1—9), deren vielfach nur andeutende
Kürze und unverkennbar fragmentariſcher Charakter eine beſonders
lehrreiche Parallele zum genealogiſchen Jnhalte von Gen. 5 und 11
bildet. Oder man vergleiche auf neuteſtamentlichem Gebiete die
Geſchlechtsregiſter bei Matthäus und Lukas, die laut den drei erſten
Evangelien ſcheinbar nur einjährige, laut Johannes aber mindeſtens
drei- bis vierjährige Dauer des öffentlichen Lehrens Jeſu; oder die
ſcheinbar ſo kurzen, in Wahrheit aber doch nach Jahren zu ſchätzen-

Zöckler, Urſtand. 21
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[321/0331] IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts. halten? geſtattet vielleicht die Chronologie des A. T’s., falls ſie einer unbefangenen, ſchärfer eindringenden Prüfung unterzogen wird, die von v. Baer erforderten „paar Jahrtauſende‟ in der That zuzugeben? Daß mit Adoptirung der alexandriniſchen Chronologie hier nichts genützt wäre, ſahen wir ſchon Eingangs dieſes Abſchnitts. Die 7000 bis 7500 Jahre der Septuaginta können nicht die rettende Planke für den nach Ausgleichung ſeiner Annahmen mit denen der modernen Geologie trachtenden wiſſenſchaftlich erleuchteten Schrift- glauben bilden, — aus dem einfachen Grunde nicht, weil ſie in hiſtoriſch-kritiſcher Hinſicht viel zu morſch und wurmſtichig erſcheinen. Es könnte indeſſen ſehr wohl auch durch die Annahme, daß das Pa- triarchenregiſter in Gen. 5 ſowie vielleicht auch das in Gen. 11 uns weder durch den Grundtext noch durch die alten Verſionen lückenlos überliefert ſei, die erforderliche Erweiterung des bibliſch-chronologiſchen Syſtems bewirkt werden. Das Symboliſche der Zehnzahl beider Erzväterliſten könnte hiefür geltend gemacht werden; nicht minder das Vorkommen noch andrer Fälle von Auslaſſungen oder Ueber- gehungen einzelner Zwiſchenglieder in fortlaufenden Berichten ſowohl der alt- als ſelbſt der neuteſtamentlichen Geſchichte. Man denke nur, was altteſtamentliche Analogien betrifft, an die Jahre des Aufenthalts Jſraels in Aegypten ſowie an die der Richterperiode, die jenachdem die einen oder die andren Anhaltspunkte für die Rechnung benutzt werden, beträchtlich längere oder erheblich kürzere Geſammtzeiten ergeben; deßgleichen und vor Allem an die Geſchlechts- regiſter der Chronik (1 Chr. 1—9), deren vielfach nur andeutende Kürze und unverkennbar fragmentariſcher Charakter eine beſonders lehrreiche Parallele zum genealogiſchen Jnhalte von Gen. 5 und 11 bildet. Oder man vergleiche auf neuteſtamentlichem Gebiete die Geſchlechtsregiſter bei Matthäus und Lukas, die laut den drei erſten Evangelien ſcheinbar nur einjährige, laut Johannes aber mindeſtens drei- bis vierjährige Dauer des öffentlichen Lehrens Jeſu; oder die ſcheinbar ſo kurzen, in Wahrheit aber doch nach Jahren zu ſchätzen- Zöckler, Urſtand. 21

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/331>, abgerufen am 25.11.2024.