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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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IX. Das Alter des Menschengeschlechts.
sonnenen Forscher sowohl diese neuere Dolmenvolks-Hypothese als
jene ältere, welche alle dolmenartigen Denkmäler den Kelten zuzu-
schreiben liebte, als leere Phantasiegebilde, unter Hinweisung auf
das Vorkommen von monumentalen Steintischen und Felspfeilern
bei roheren Völkern aller Erdtheile auch noch in neuerer Zeit.1)
Auch was man über Skythen oder über Gothen als angebliche Ur-
heber der zahlreichen Hügelgräber Osteuropa's gemuthmaßt hat, mag
es nun gegründet sein oder nicht, führt keinesfalls über bekanntere
geschichtliche Epochen hinauf. Der Steinzeit angehörige Hügelgräber
und Grabkammern sind -- neben den jedenfalls viel zahlreichern
Grabstätten dieser Art, welche bereits Metallgeräthe enthalten, aller-
dings ziemlich viele geöffnet worden. Aber nicht einmal sie bezeugen
ein in eigentlichem Sinne des Worts vorhistorisches Zeitalter der
in ihnen Bestatteten. Birchows anatomische Untersuchungen der
Schädel steinzeitlicher Hügelgräber Dänemarks lehren, daß es ganz
dieselben Bewohner dieses unsres Nachbarlands wie die heutigen
waren, welche darin beerdigt wurden, und daß man weder lappische
oder finnische, noch esthnische oder sonstige Vorgänger der heutigen
Dänen als einst dort wohnend anzunehmen nöthig hat.2) -- Wie
gering, auch abgesehen von diesen Gräberforschungen, der Werth des
von den Archäologen Dänemarks über ethnologische Verhältnisse und
Altersfragen ihrer Vorzeit Gemuthmaaßten im Allgemeinen anzu-
schlagen ist, zeigen die bekannten Torfmoor-Berechnungen sammt den
sie begleitenden merkwürdigen Enttäuschungen. Nach seiner Lagerung
unter mehreren dicken Torfschichten zu urtheilen, hätte ein 1859 bei
Westerschnaabeck im Sundewitt an der Schleswigschen Ostküste aus-
gegrabenes altskandinavisches Schiff mit Waffen, Pferdegerippen,
Geräthschaften etc. als viele Jahrtausende alt gelten müssen, rührte

1) Gegen Faidherbe, Cartailhac als Vertreter jener modernen Dol-
menvolk-Hypothese erklärten sich beim Brüsseler Archäologen-Congreß 1872 selbst
Worsaae, Hildebrand und andre skandinavische Gelehrte. Vgl. sonst Ratzel,
a. a. O., S. 262 ff.
2) Ratzel, S. 261.

IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts.
ſonnenen Forſcher ſowohl dieſe neuere Dolmenvolks-Hypotheſe als
jene ältere, welche alle dolmenartigen Denkmäler den Kelten zuzu-
ſchreiben liebte, als leere Phantaſiegebilde, unter Hinweiſung auf
das Vorkommen von monumentalen Steintiſchen und Felspfeilern
bei roheren Völkern aller Erdtheile auch noch in neuerer Zeit.1)
Auch was man über Skythen oder über Gothen als angebliche Ur-
heber der zahlreichen Hügelgräber Oſteuropa’s gemuthmaßt hat, mag
es nun gegründet ſein oder nicht, führt keinesfalls über bekanntere
geſchichtliche Epochen hinauf. Der Steinzeit angehörige Hügelgräber
und Grabkammern ſind — neben den jedenfalls viel zahlreichern
Grabſtätten dieſer Art, welche bereits Metallgeräthe enthalten, aller-
dings ziemlich viele geöffnet worden. Aber nicht einmal ſie bezeugen
ein in eigentlichem Sinne des Worts vorhiſtoriſches Zeitalter der
in ihnen Beſtatteten. Birchows anatomiſche Unterſuchungen der
Schädel ſteinzeitlicher Hügelgräber Dänemarks lehren, daß es ganz
dieſelben Bewohner dieſes unſres Nachbarlands wie die heutigen
waren, welche darin beerdigt wurden, und daß man weder lappiſche
oder finniſche, noch eſthniſche oder ſonſtige Vorgänger der heutigen
Dänen als einſt dort wohnend anzunehmen nöthig hat.2) — Wie
gering, auch abgeſehen von dieſen Gräberforſchungen, der Werth des
von den Archäologen Dänemarks über ethnologiſche Verhältniſſe und
Altersfragen ihrer Vorzeit Gemuthmaaßten im Allgemeinen anzu-
ſchlagen iſt, zeigen die bekannten Torfmoor-Berechnungen ſammt den
ſie begleitenden merkwürdigen Enttäuſchungen. Nach ſeiner Lagerung
unter mehreren dicken Torfſchichten zu urtheilen, hätte ein 1859 bei
Weſterſchnaabeck im Sundewitt an der Schleswigſchen Oſtküſte aus-
gegrabenes altſkandinaviſches Schiff mit Waffen, Pferdegerippen,
Geräthſchaften ꝛc. als viele Jahrtauſende alt gelten müſſen, rührte

1) Gegen Faidherbe, Cartailhac als Vertreter jener modernen Dol-
menvolk-Hypotheſe erklärten ſich beim Brüſſeler Archäologen-Congreß 1872 ſelbſt
Worſaae, Hildebrand und andre ſkandinaviſche Gelehrte. Vgl. ſonſt Ratzel,
a. a. O., S. 262 ff.
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[312/0322] IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts. ſonnenen Forſcher ſowohl dieſe neuere Dolmenvolks-Hypotheſe als jene ältere, welche alle dolmenartigen Denkmäler den Kelten zuzu- ſchreiben liebte, als leere Phantaſiegebilde, unter Hinweiſung auf das Vorkommen von monumentalen Steintiſchen und Felspfeilern bei roheren Völkern aller Erdtheile auch noch in neuerer Zeit. 1) Auch was man über Skythen oder über Gothen als angebliche Ur- heber der zahlreichen Hügelgräber Oſteuropa’s gemuthmaßt hat, mag es nun gegründet ſein oder nicht, führt keinesfalls über bekanntere geſchichtliche Epochen hinauf. Der Steinzeit angehörige Hügelgräber und Grabkammern ſind — neben den jedenfalls viel zahlreichern Grabſtätten dieſer Art, welche bereits Metallgeräthe enthalten, aller- dings ziemlich viele geöffnet worden. Aber nicht einmal ſie bezeugen ein in eigentlichem Sinne des Worts vorhiſtoriſches Zeitalter der in ihnen Beſtatteten. Birchows anatomiſche Unterſuchungen der Schädel ſteinzeitlicher Hügelgräber Dänemarks lehren, daß es ganz dieſelben Bewohner dieſes unſres Nachbarlands wie die heutigen waren, welche darin beerdigt wurden, und daß man weder lappiſche oder finniſche, noch eſthniſche oder ſonſtige Vorgänger der heutigen Dänen als einſt dort wohnend anzunehmen nöthig hat. 2) — Wie gering, auch abgeſehen von dieſen Gräberforſchungen, der Werth des von den Archäologen Dänemarks über ethnologiſche Verhältniſſe und Altersfragen ihrer Vorzeit Gemuthmaaßten im Allgemeinen anzu- ſchlagen iſt, zeigen die bekannten Torfmoor-Berechnungen ſammt den ſie begleitenden merkwürdigen Enttäuſchungen. Nach ſeiner Lagerung unter mehreren dicken Torfſchichten zu urtheilen, hätte ein 1859 bei Weſterſchnaabeck im Sundewitt an der Schleswigſchen Oſtküſte aus- gegrabenes altſkandinaviſches Schiff mit Waffen, Pferdegerippen, Geräthſchaften ꝛc. als viele Jahrtauſende alt gelten müſſen, rührte 1) Gegen Faidherbe, Cartailhac als Vertreter jener modernen Dol- menvolk-Hypotheſe erklärten ſich beim Brüſſeler Archäologen-Congreß 1872 ſelbſt Worſaae, Hildebrand und andre ſkandinaviſche Gelehrte. Vgl. ſonſt Ratzel, a. a. O., S. 262 ff. 2) Ratzel, S. 261.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/322>, abgerufen am 22.11.2024.