Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

IX. Das Alter des Menschengeschlechts.
Grundtexte ohnehin schon hohen Zeugungsjahre der Erzväter in fast
unsinniger, gedankenlos fabulirender Weise zu naturwidriger Höhe
hinaufschraubten.

Man muß mit den ungefähr vier Jahrtausenden des alttesta-
mentlichen Grundtexts auszukommen suchen. Der Gewinn von etwa
anderthalb tausend Jahren, welchen der Anschluß an die Septua-
ginta, gesetzt er wäre erlaubt oder geboten, bringen würde, wäre
ohnehin ein nur illusorischer. 1) Den mit Zehntausenden oder gar
Hunderttausenden von Jahren um sich werfenden modernen Natur-
und Alterthumsforschern geschähe mit einer Verlängerung der Ge-
sammtdauer menschlicher Geschichte bis zu etwa 7000 oder 7500
Jahren noch keineswegs Genüge. Es fragt sich freilich, ob jene
vielen Myriaden von Jahren in der That auf Grund solider wissen-
schaftlicher Jnstanzen als seit dem ersten Auftreten menschlicher Be-
wohner der Erde verstrichen erfordert werden? Von einer wenigstens
summarischen Prüfung dieser Frage wird umso weniger hier Abstand
genommen werden können, da allerdings, wenn die Zustimmung zu
so hoch hinaufgehenden Forderungen eine Nothwendigkeit wäre, alles
bisher von uns zu Gunsten des Kerns der biblischen Urstandslehre
Ausgeführte hinfällig und die Auffassung der Menschheit als eines
rein natürlichen Entwicklungsproducts der seit Hunderttausenden von
Jahren unsren Planeten bewohnenden Thierwelt fast unvermeidlich
werden würde.

Die chronologischen Grundlagen, von welchen die heutige natu-
ralistische Geschichtsansicht bei ihren Versuchen zur Bestimmung des
Alters unsres Geschlechts ausgeht, sind theils direct-historischer oder
monumentaler, theils astronomischer, theils geologisch-paläontologischer
Art, d. h. die betreffenden Berechnungen oder Altersschätzungen werden

1) Ueber und wesentlich gegen den Versuch des Bischofs Meignan
v. Chalons (Le monde et l'homme primitif selon la Bible, Paris 1869),
der masorethischen Chronologie die der LXX vorzuziehen, f. Reusch, Bibel und
Natur, 4. Aufl. S. 514 f.

IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts.
Grundtexte ohnehin ſchon hohen Zeugungsjahre der Erzväter in faſt
unſinniger, gedankenlos fabulirender Weiſe zu naturwidriger Höhe
hinaufſchraubten.

Man muß mit den ungefähr vier Jahrtauſenden des altteſta-
mentlichen Grundtexts auszukommen ſuchen. Der Gewinn von etwa
anderthalb tauſend Jahren, welchen der Anſchluß an die Septua-
ginta, geſetzt er wäre erlaubt oder geboten, bringen würde, wäre
ohnehin ein nur illuſoriſcher. 1) Den mit Zehntauſenden oder gar
Hunderttauſenden von Jahren um ſich werfenden modernen Natur-
und Alterthumsforſchern geſchähe mit einer Verlängerung der Ge-
ſammtdauer menſchlicher Geſchichte bis zu etwa 7000 oder 7500
Jahren noch keineswegs Genüge. Es fragt ſich freilich, ob jene
vielen Myriaden von Jahren in der That auf Grund ſolider wiſſen-
ſchaftlicher Jnſtanzen als ſeit dem erſten Auftreten menſchlicher Be-
wohner der Erde verſtrichen erfordert werden? Von einer wenigſtens
ſummariſchen Prüfung dieſer Frage wird umſo weniger hier Abſtand
genommen werden können, da allerdings, wenn die Zuſtimmung zu
ſo hoch hinaufgehenden Forderungen eine Nothwendigkeit wäre, alles
bisher von uns zu Gunſten des Kerns der bibliſchen Urſtandslehre
Ausgeführte hinfällig und die Auffaſſung der Menſchheit als eines
rein natürlichen Entwicklungsproducts der ſeit Hunderttauſenden von
Jahren unſren Planeten bewohnenden Thierwelt faſt unvermeidlich
werden würde.

Die chronologiſchen Grundlagen, von welchen die heutige natu-
raliſtiſche Geſchichtsanſicht bei ihren Verſuchen zur Beſtimmung des
Alters unſres Geſchlechts ausgeht, ſind theils direct-hiſtoriſcher oder
monumentaler, theils aſtronomiſcher, theils geologiſch-paläontologiſcher
Art, d. h. die betreffenden Berechnungen oder Altersſchätzungen werden

1) Ueber und weſentlich gegen den Verſuch des Biſchofs Meignan
v. Chalons (Le monde et l’homme primitif selon la Bible, Paris 1869),
der maſorethiſchen Chronologie die der LXX vorzuziehen, f. Reuſch, Bibel und
Natur, 4. Aufl. S. 514 f.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0302" n="292"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Das Alter des Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechts.</fw><lb/>
Grundtexte ohnehin &#x017F;chon hohen Zeugungsjahre der Erzväter in fa&#x017F;t<lb/>
un&#x017F;inniger, gedankenlos fabulirender Wei&#x017F;e zu naturwidriger Höhe<lb/>
hinauf&#x017F;chraubten.</p><lb/>
        <p>Man muß mit den ungefähr vier Jahrtau&#x017F;enden des altte&#x017F;ta-<lb/>
mentlichen Grundtexts auszukommen &#x017F;uchen. Der Gewinn von etwa<lb/>
anderthalb tau&#x017F;end Jahren, welchen der An&#x017F;chluß an die Septua-<lb/>
ginta, ge&#x017F;etzt er wäre erlaubt oder geboten, bringen würde, wäre<lb/>
ohnehin ein nur illu&#x017F;ori&#x017F;cher. <note place="foot" n="1)">Ueber und we&#x017F;entlich gegen den Ver&#x017F;uch des Bi&#x017F;chofs <hi rendition="#g">Meignan</hi><lb/>
v. Chalons (<hi rendition="#aq">Le monde et l&#x2019;homme primitif selon la Bible, Paris</hi> 1869),<lb/>
der ma&#x017F;orethi&#x017F;chen Chronologie die der <hi rendition="#aq">LXX</hi> vorzuziehen, f. <hi rendition="#g">Reu&#x017F;ch,</hi> Bibel und<lb/>
Natur, 4. Aufl. S. 514 f.</note> Den mit Zehntau&#x017F;enden oder gar<lb/>
Hunderttau&#x017F;enden von Jahren um &#x017F;ich werfenden modernen Natur-<lb/>
und Alterthumsfor&#x017F;chern ge&#x017F;chähe mit einer Verlängerung der Ge-<lb/>
&#x017F;ammtdauer men&#x017F;chlicher Ge&#x017F;chichte bis zu etwa 7000 oder 7500<lb/>
Jahren noch keineswegs Genüge. Es fragt &#x017F;ich freilich, ob jene<lb/>
vielen Myriaden von Jahren in der That auf Grund &#x017F;olider wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaftlicher Jn&#x017F;tanzen als &#x017F;eit dem er&#x017F;ten Auftreten men&#x017F;chlicher Be-<lb/>
wohner der Erde ver&#x017F;trichen erfordert werden? Von einer wenig&#x017F;tens<lb/>
&#x017F;ummari&#x017F;chen Prüfung die&#x017F;er Frage wird um&#x017F;o weniger hier Ab&#x017F;tand<lb/>
genommen werden können, da allerdings, wenn die Zu&#x017F;timmung zu<lb/>
&#x017F;o hoch hinaufgehenden Forderungen eine Nothwendigkeit wäre, alles<lb/>
bisher von uns zu Gun&#x017F;ten des Kerns der bibli&#x017F;chen Ur&#x017F;tandslehre<lb/>
Ausgeführte hinfällig und die Auffa&#x017F;&#x017F;ung der Men&#x017F;chheit als eines<lb/>
rein natürlichen Entwicklungsproducts der &#x017F;eit Hunderttau&#x017F;enden von<lb/>
Jahren un&#x017F;ren Planeten bewohnenden Thierwelt fa&#x017F;t unvermeidlich<lb/>
werden würde.</p><lb/>
        <p>Die chronologi&#x017F;chen Grundlagen, von welchen die heutige natu-<lb/>
rali&#x017F;ti&#x017F;che Ge&#x017F;chichtsan&#x017F;icht bei ihren Ver&#x017F;uchen zur Be&#x017F;timmung des<lb/>
Alters un&#x017F;res Ge&#x017F;chlechts ausgeht, &#x017F;ind theils direct-hi&#x017F;tori&#x017F;cher oder<lb/>
monumentaler, theils a&#x017F;tronomi&#x017F;cher, theils geologi&#x017F;ch-paläontologi&#x017F;cher<lb/>
Art, d. h. die betreffenden Berechnungen oder Alters&#x017F;chätzungen werden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0302] IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts. Grundtexte ohnehin ſchon hohen Zeugungsjahre der Erzväter in faſt unſinniger, gedankenlos fabulirender Weiſe zu naturwidriger Höhe hinaufſchraubten. Man muß mit den ungefähr vier Jahrtauſenden des altteſta- mentlichen Grundtexts auszukommen ſuchen. Der Gewinn von etwa anderthalb tauſend Jahren, welchen der Anſchluß an die Septua- ginta, geſetzt er wäre erlaubt oder geboten, bringen würde, wäre ohnehin ein nur illuſoriſcher. 1) Den mit Zehntauſenden oder gar Hunderttauſenden von Jahren um ſich werfenden modernen Natur- und Alterthumsforſchern geſchähe mit einer Verlängerung der Ge- ſammtdauer menſchlicher Geſchichte bis zu etwa 7000 oder 7500 Jahren noch keineswegs Genüge. Es fragt ſich freilich, ob jene vielen Myriaden von Jahren in der That auf Grund ſolider wiſſen- ſchaftlicher Jnſtanzen als ſeit dem erſten Auftreten menſchlicher Be- wohner der Erde verſtrichen erfordert werden? Von einer wenigſtens ſummariſchen Prüfung dieſer Frage wird umſo weniger hier Abſtand genommen werden können, da allerdings, wenn die Zuſtimmung zu ſo hoch hinaufgehenden Forderungen eine Nothwendigkeit wäre, alles bisher von uns zu Gunſten des Kerns der bibliſchen Urſtandslehre Ausgeführte hinfällig und die Auffaſſung der Menſchheit als eines rein natürlichen Entwicklungsproducts der ſeit Hunderttauſenden von Jahren unſren Planeten bewohnenden Thierwelt faſt unvermeidlich werden würde. Die chronologiſchen Grundlagen, von welchen die heutige natu- raliſtiſche Geſchichtsanſicht bei ihren Verſuchen zur Beſtimmung des Alters unſres Geſchlechts ausgeht, ſind theils direct-hiſtoriſcher oder monumentaler, theils aſtronomiſcher, theils geologiſch-paläontologiſcher Art, d. h. die betreffenden Berechnungen oder Altersſchätzungen werden 1) Ueber und weſentlich gegen den Verſuch des Biſchofs Meignan v. Chalons (Le monde et l’homme primitif selon la Bible, Paris 1869), der maſorethiſchen Chronologie die der LXX vorzuziehen, f. Reuſch, Bibel und Natur, 4. Aufl. S. 514 f.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/302
Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/302>, abgerufen am 03.05.2024.