Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. 432 000 Jahre des Berosus direct als identisch mit den 1656 derBibel, die letzteren demnach als eine Zusammenziehung jener enorm hohen Zahl. Beide Zahlen nemlich seien dividirbar durch 72, ver- hielten sich also zueinander wie 6000 zu 23, oder wenn man die Reduction weiter fortsetze, wie 5 Jahre zu 1 Woche; die Summe von 86 400 Wochen, welche die Genesis den neun Patriarchen von Seth bis zur Fluth beilege, entspreche den 86 400 chaldäischen Lustra, in welche die 432 000 Jahre des Berosus zerfallen, u. s. f.1) -- Was diese cyklischen Deutungen sämmtlich unsicher macht, ist das Fehlen irgendwelcher Regelmäßigkeit in der Gruppirung der Zahlen, die man als Reductionen größerer Zeiträume der chaldäischen oder ägyptischen mythischen Urgeschichte zu fassen sucht. Jene einiger- maaßen stetige Abnahme, welche der samarit. Text bietet, ist ohne Zweifel eine künstlich gemachte, nicht-ursprüngliche. So, wie die Ziffern in der Patriarchenreihe des allein ursprünglichen Grundtexts stehen, in ihrer zwischen Hoch und Niedrig schwankenden bunten Mannigfaltigkeit, erscheinen dieselben wenig geeignet zum Anknüpfen cyklischer Berechnung.2) Und selbst wo derartige abenteuerliche Künste- leien wie die bei Schubert, Bunsen, v. Niebuhr etc. vermieden werden, liegt doch die behauptete Coincidenz der hebräischen kleineren mit den außerbiblischen größeren Zahlenangaben viel zu wenig offen- kundig zu Tage. Auch gegen Opperts Ausgleichungsversuch, der von allen hier in Rede stehenden Combinationen am meisten an- spricht, muß eingewendet werden, daß zwar die Gesammtzahlen der beiden verglichenen Reihen, aber nicht ihre einzelnen Posten in einem gewissen homologen Verhältnisse zueinander stehen. Das Auf- und Absteigen der babylonischen Zahlen: 36 000 für Aloros, 10 800 für Alaparos, 46 800 für Ammenon, 43 200 für Amelon, 64 800 für Amegaloros u. s. f. (vgl. oben, S. 95) ergibt doch eine ganz andre Curve, als die parallele biblische Zahlenreihe 930, 912, 905, 910, 892 u. s. f., oder auch als die Zeugungsjahre der betr. Pa- 1) J. Oppert, La chronologie de la Genese. Paris 1878. 2) Vgl. Köhler, Bibl. Geschichte des Alten Testaments, I, 55.
VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. 432 000 Jahre des Beroſus direct als identiſch mit den 1656 derBibel, die letzteren demnach als eine Zuſammenziehung jener enorm hohen Zahl. Beide Zahlen nemlich ſeien dividirbar durch 72, ver- hielten ſich alſo zueinander wie 6000 zu 23, oder wenn man die Reduction weiter fortſetze, wie 5 Jahre zu 1 Woche; die Summe von 86 400 Wochen, welche die Geneſis den neun Patriarchen von Seth bis zur Fluth beilege, entſpreche den 86 400 chaldäiſchen Luſtra, in welche die 432 000 Jahre des Beroſus zerfallen, u. ſ. f.1) — Was dieſe cykliſchen Deutungen ſämmtlich unſicher macht, iſt das Fehlen irgendwelcher Regelmäßigkeit in der Gruppirung der Zahlen, die man als Reductionen größerer Zeiträume der chaldäiſchen oder ägyptiſchen mythiſchen Urgeſchichte zu faſſen ſucht. Jene einiger- maaßen ſtetige Abnahme, welche der ſamarit. Text bietet, iſt ohne Zweifel eine künſtlich gemachte, nicht-urſprüngliche. So, wie die Ziffern in der Patriarchenreihe des allein urſprünglichen Grundtexts ſtehen, in ihrer zwiſchen Hoch und Niedrig ſchwankenden bunten Mannigfaltigkeit, erſcheinen dieſelben wenig geeignet zum Anknüpfen cykliſcher Berechnung.2) Und ſelbſt wo derartige abenteuerliche Künſte- leien wie die bei Schubert, Bunſen, v. Niebuhr ꝛc. vermieden werden, liegt doch die behauptete Coincidenz der hebräiſchen kleineren mit den außerbibliſchen größeren Zahlenangaben viel zu wenig offen- kundig zu Tage. Auch gegen Opperts Ausgleichungsverſuch, der von allen hier in Rede ſtehenden Combinationen am meiſten an- ſpricht, muß eingewendet werden, daß zwar die Geſammtzahlen der beiden verglichenen Reihen, aber nicht ihre einzelnen Poſten in einem gewiſſen homologen Verhältniſſe zueinander ſtehen. Das Auf- und Abſteigen der babyloniſchen Zahlen: 36 000 für Aloros, 10 800 für Alaparos, 46 800 für Ammenon, 43 200 für Amelon, 64 800 für Amegaloros u. ſ. f. (vgl. oben, S. 95) ergibt doch eine ganz andre Curve, als die parallele bibliſche Zahlenreihe 930, 912, 905, 910, 892 u. ſ. f., oder auch als die Zeugungsjahre der betr. Pa- 1) J. Oppert, La chronologie de la Genèse. Paris 1878. 2) Vgl. Köhler, Bibl. Geſchichte des Alten Teſtaments, I, 55.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0275" n="265"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Die Langlebigkeit der Patriarchen.</fw><lb/> 432 000 Jahre des Beroſus direct als identiſch mit den 1656 der<lb/> Bibel, die letzteren demnach als eine Zuſammenziehung jener enorm<lb/> hohen Zahl. Beide Zahlen nemlich ſeien dividirbar durch 72, ver-<lb/> hielten ſich alſo zueinander wie 6000 zu 23, oder wenn man die<lb/> Reduction weiter fortſetze, wie 5 Jahre zu 1 Woche; die Summe<lb/> von 86 400 Wochen, welche die Geneſis den neun Patriarchen von<lb/> Seth bis zur Fluth beilege, entſpreche den 86 400 chaldäiſchen Luſtra,<lb/> in welche die 432 000 Jahre des Beroſus zerfallen, u. ſ. f.<note place="foot" n="1)">J. <hi rendition="#g">Oppert,</hi> <hi rendition="#aq">La chronologie de la Genèse. Paris</hi> 1878.</note> —<lb/> Was dieſe cykliſchen Deutungen ſämmtlich unſicher macht, iſt das<lb/> Fehlen irgendwelcher Regelmäßigkeit in der Gruppirung der Zahlen,<lb/> die man als Reductionen größerer Zeiträume der chaldäiſchen oder<lb/> ägyptiſchen mythiſchen Urgeſchichte zu faſſen ſucht. Jene einiger-<lb/> maaßen ſtetige Abnahme, welche der ſamarit. Text bietet, iſt ohne<lb/> Zweifel eine künſtlich gemachte, nicht-urſprüngliche. So, wie die<lb/> Ziffern in der Patriarchenreihe des allein urſprünglichen Grundtexts<lb/> ſtehen, in ihrer zwiſchen Hoch und Niedrig ſchwankenden bunten<lb/> Mannigfaltigkeit, erſcheinen dieſelben wenig geeignet zum Anknüpfen<lb/> cykliſcher Berechnung.<note place="foot" n="2)">Vgl. <hi rendition="#g">Köhler,</hi> Bibl. Geſchichte des Alten Teſtaments, <hi rendition="#aq">I,</hi> 55.</note> Und ſelbſt wo derartige abenteuerliche Künſte-<lb/> leien wie die bei Schubert, Bunſen, v. Niebuhr ꝛc. vermieden<lb/> werden, liegt doch die behauptete Coincidenz der hebräiſchen kleineren<lb/> mit den außerbibliſchen größeren Zahlenangaben viel zu wenig offen-<lb/> kundig zu Tage. Auch gegen Opperts Ausgleichungsverſuch, der<lb/> von allen hier in Rede ſtehenden Combinationen am meiſten an-<lb/> ſpricht, muß eingewendet werden, daß zwar die Geſammtzahlen der<lb/> beiden verglichenen Reihen, aber nicht ihre einzelnen Poſten in einem<lb/> gewiſſen homologen Verhältniſſe zueinander ſtehen. Das Auf- und<lb/> Abſteigen der babyloniſchen Zahlen: 36 000 für Aloros, 10 800<lb/> für Alaparos, 46 800 für Ammenon, 43 200 für Amelon, 64 800<lb/> für Amegaloros u. ſ. f. (vgl. oben, S. 95) ergibt doch eine ganz<lb/> andre Curve, als die parallele bibliſche Zahlenreihe 930, 912, 905,<lb/> 910, 892 u. ſ. f., oder auch als die Zeugungsjahre der betr. Pa-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [265/0275]
VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
432 000 Jahre des Beroſus direct als identiſch mit den 1656 der
Bibel, die letzteren demnach als eine Zuſammenziehung jener enorm
hohen Zahl. Beide Zahlen nemlich ſeien dividirbar durch 72, ver-
hielten ſich alſo zueinander wie 6000 zu 23, oder wenn man die
Reduction weiter fortſetze, wie 5 Jahre zu 1 Woche; die Summe
von 86 400 Wochen, welche die Geneſis den neun Patriarchen von
Seth bis zur Fluth beilege, entſpreche den 86 400 chaldäiſchen Luſtra,
in welche die 432 000 Jahre des Beroſus zerfallen, u. ſ. f. 1) —
Was dieſe cykliſchen Deutungen ſämmtlich unſicher macht, iſt das
Fehlen irgendwelcher Regelmäßigkeit in der Gruppirung der Zahlen,
die man als Reductionen größerer Zeiträume der chaldäiſchen oder
ägyptiſchen mythiſchen Urgeſchichte zu faſſen ſucht. Jene einiger-
maaßen ſtetige Abnahme, welche der ſamarit. Text bietet, iſt ohne
Zweifel eine künſtlich gemachte, nicht-urſprüngliche. So, wie die
Ziffern in der Patriarchenreihe des allein urſprünglichen Grundtexts
ſtehen, in ihrer zwiſchen Hoch und Niedrig ſchwankenden bunten
Mannigfaltigkeit, erſcheinen dieſelben wenig geeignet zum Anknüpfen
cykliſcher Berechnung. 2) Und ſelbſt wo derartige abenteuerliche Künſte-
leien wie die bei Schubert, Bunſen, v. Niebuhr ꝛc. vermieden
werden, liegt doch die behauptete Coincidenz der hebräiſchen kleineren
mit den außerbibliſchen größeren Zahlenangaben viel zu wenig offen-
kundig zu Tage. Auch gegen Opperts Ausgleichungsverſuch, der
von allen hier in Rede ſtehenden Combinationen am meiſten an-
ſpricht, muß eingewendet werden, daß zwar die Geſammtzahlen der
beiden verglichenen Reihen, aber nicht ihre einzelnen Poſten in einem
gewiſſen homologen Verhältniſſe zueinander ſtehen. Das Auf- und
Abſteigen der babyloniſchen Zahlen: 36 000 für Aloros, 10 800
für Alaparos, 46 800 für Ammenon, 43 200 für Amelon, 64 800
für Amegaloros u. ſ. f. (vgl. oben, S. 95) ergibt doch eine ganz
andre Curve, als die parallele bibliſche Zahlenreihe 930, 912, 905,
910, 892 u. ſ. f., oder auch als die Zeugungsjahre der betr. Pa-
1) J. Oppert, La chronologie de la Genèse. Paris 1878.
2) Vgl. Köhler, Bibl. Geſchichte des Alten Teſtaments, I, 55.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |