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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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V. Prüfung der vorgeschichtlich-anthropologischen Gegeninstanzen.
Ausscheidung eines Theils und Anerkennung der Aechtheit eines
andren Theils der fraglichen Bildwerke gemischtes Verfahren! So
haben Fraas und einige andre Paläontologen den durch jene
Thaynger Funde verursachten Streit zu schlichten versucht: die bild-
lichen Darstellungen des Bären und Fuchses haben sie als nach dem
Modell Leutemann'scher Zeichnungen in einem beliebten O. Spa-
merschen Kinderbuche durch irgend einen Schalk gefälscht preisgegeben,
die übrigen Thierbilder dagegen, als ohnehin nicht etwa auf neuere
Knochen, sondern auf alte Renthier-Geweihstücke eingegraben, den
einstigen Anwohnern des Oberrheins in der Renthierzeit vindicirt.
Dieß freilich unter der Voraussetzung eines keineswegs sehr hohen
Alters der fraglichen Artefacte, welche jedenfalls in die uns bekannte
historische Zeit hinein zu verlegen, ja vielleicht gar -- so meint
Hofrath Ecker in Freiburg -- als durch griechische Künstler gefertigt
zu betrachten seien.1) Auf ähnliche Weise scheint noch in mehreren
anderen Fällen geurtheilt werden zu müssen. Den Renthiermenschen
Belgiens und Frankreichs kann, auf Grund ziemlich zahlreicher
Schnitzbilder, deren Aechtheit feststeht und welche Renthiere, Stein-
böcke, Fische u. dgl. mit großer Naturtreue abbilden, ein eigen-
thümliches Kunstgeschick, dergleichen man auch sonst bei Jäger-
völkern findet, wohl schwerlich abgesprochen werden. Dennoch
regen sich auch hier selbst beim Leichtgläubigen unwillkührlich manche
Zweifel. Das bekannte, neuerdings oft abgebildete Elfenbeinstück
aus der Höhle von La Madeleine mit der überraschend naturgetreuen
Zeichnung eines Mammuth, kann es wirklich vorhistorischen Ur-
sprungs sein? Setzen seine fein geschwungenen, mit sichrer Hand
gezognen Linien nicht am Ende schon Metallwerkzeuge voraus?
Wenn aber dieß nicht: kann die schön gezeichnete Figur Copie eines
lebenden Riesenelephanten der Urzeit gewesen sein? Muß nicht
vielleicht eher ein nach Art der sibirischen Mammuthe ins Eis der

1) Vgl. Ecker im Archiv f. Anthropol. 1878, I, 135--144; Fraas, in
der Zeitschr. f. Ethnol. 1878, IV, 241 ff.

V. Prüfung der vorgeſchichtlich-anthropologiſchen Gegeninſtanzen.
Ausſcheidung eines Theils und Anerkennung der Aechtheit eines
andren Theils der fraglichen Bildwerke gemiſchtes Verfahren! So
haben Fraas und einige andre Paläontologen den durch jene
Thaynger Funde verurſachten Streit zu ſchlichten verſucht: die bild-
lichen Darſtellungen des Bären und Fuchſes haben ſie als nach dem
Modell Leutemann’ſcher Zeichnungen in einem beliebten O. Spa-
merſchen Kinderbuche durch irgend einen Schalk gefälſcht preisgegeben,
die übrigen Thierbilder dagegen, als ohnehin nicht etwa auf neuere
Knochen, ſondern auf alte Renthier-Geweihſtücke eingegraben, den
einſtigen Anwohnern des Oberrheins in der Renthierzeit vindicirt.
Dieß freilich unter der Vorausſetzung eines keineswegs ſehr hohen
Alters der fraglichen Artefacte, welche jedenfalls in die uns bekannte
hiſtoriſche Zeit hinein zu verlegen, ja vielleicht gar — ſo meint
Hofrath Ecker in Freiburg — als durch griechiſche Künſtler gefertigt
zu betrachten ſeien.1) Auf ähnliche Weiſe ſcheint noch in mehreren
anderen Fällen geurtheilt werden zu müſſen. Den Renthiermenſchen
Belgiens und Frankreichs kann, auf Grund ziemlich zahlreicher
Schnitzbilder, deren Aechtheit feſtſteht und welche Renthiere, Stein-
böcke, Fiſche u. dgl. mit großer Naturtreue abbilden, ein eigen-
thümliches Kunſtgeſchick, dergleichen man auch ſonſt bei Jäger-
völkern findet, wohl ſchwerlich abgeſprochen werden. Dennoch
regen ſich auch hier ſelbſt beim Leichtgläubigen unwillkührlich manche
Zweifel. Das bekannte, neuerdings oft abgebildete Elfenbeinſtück
aus der Höhle von La Madeleine mit der überraſchend naturgetreuen
Zeichnung eines Mammuth, kann es wirklich vorhiſtoriſchen Ur-
ſprungs ſein? Setzen ſeine fein geſchwungenen, mit ſichrer Hand
gezognen Linien nicht am Ende ſchon Metallwerkzeuge voraus?
Wenn aber dieß nicht: kann die ſchön gezeichnete Figur Copie eines
lebenden Rieſenelephanten der Urzeit geweſen ſein? Muß nicht
vielleicht eher ein nach Art der ſibiriſchen Mammuthe ins Eis der

1) Vgl. Ecker im Archiv f. Anthropol. 1878, I, 135—144; Fraas, in
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[164/0174] V. Prüfung der vorgeſchichtlich-anthropologiſchen Gegeninſtanzen. Ausſcheidung eines Theils und Anerkennung der Aechtheit eines andren Theils der fraglichen Bildwerke gemiſchtes Verfahren! So haben Fraas und einige andre Paläontologen den durch jene Thaynger Funde verurſachten Streit zu ſchlichten verſucht: die bild- lichen Darſtellungen des Bären und Fuchſes haben ſie als nach dem Modell Leutemann’ſcher Zeichnungen in einem beliebten O. Spa- merſchen Kinderbuche durch irgend einen Schalk gefälſcht preisgegeben, die übrigen Thierbilder dagegen, als ohnehin nicht etwa auf neuere Knochen, ſondern auf alte Renthier-Geweihſtücke eingegraben, den einſtigen Anwohnern des Oberrheins in der Renthierzeit vindicirt. Dieß freilich unter der Vorausſetzung eines keineswegs ſehr hohen Alters der fraglichen Artefacte, welche jedenfalls in die uns bekannte hiſtoriſche Zeit hinein zu verlegen, ja vielleicht gar — ſo meint Hofrath Ecker in Freiburg — als durch griechiſche Künſtler gefertigt zu betrachten ſeien. 1) Auf ähnliche Weiſe ſcheint noch in mehreren anderen Fällen geurtheilt werden zu müſſen. Den Renthiermenſchen Belgiens und Frankreichs kann, auf Grund ziemlich zahlreicher Schnitzbilder, deren Aechtheit feſtſteht und welche Renthiere, Stein- böcke, Fiſche u. dgl. mit großer Naturtreue abbilden, ein eigen- thümliches Kunſtgeſchick, dergleichen man auch ſonſt bei Jäger- völkern findet, wohl ſchwerlich abgeſprochen werden. Dennoch regen ſich auch hier ſelbſt beim Leichtgläubigen unwillkührlich manche Zweifel. Das bekannte, neuerdings oft abgebildete Elfenbeinſtück aus der Höhle von La Madeleine mit der überraſchend naturgetreuen Zeichnung eines Mammuth, kann es wirklich vorhiſtoriſchen Ur- ſprungs ſein? Setzen ſeine fein geſchwungenen, mit ſichrer Hand gezognen Linien nicht am Ende ſchon Metallwerkzeuge voraus? Wenn aber dieß nicht: kann die ſchön gezeichnete Figur Copie eines lebenden Rieſenelephanten der Urzeit geweſen ſein? Muß nicht vielleicht eher ein nach Art der ſibiriſchen Mammuthe ins Eis der 1) Vgl. Ecker im Archiv f. Anthropol. 1878, I, 135—144; Fraas, in der Zeitſchr. f. Ethnol. 1878, IV, 241 ff.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/174>, abgerufen am 22.11.2024.