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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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III. Die Traditionen des Heidenthums.
stigen Schöpfergottes weltschöpferisches Walten und seine Erschaffung
des Menschen nach seinem heiligen Bilde: sie bilden ebenso gut die
unumgängliche Voraussetzung zur Existenz der Prophetie, dieser treuen
Wächterin und Jnterpretin der Grundsubstanz der Offenbarung,
wie das was, sachlich mit jenen Wahrheiten übereinstimmend wenn-
schon in theilweise andre Formen gekleidet, in den folgenden Kapiteln
zur Aussage gelangt, als deren Urheber man sich gern einen der
Propheten des eigentlichen Propheten-Zeitalters denkt. Vorexilisch
können und müssen sie beide sein, die erste wie die zweite Urkunde;
eine unbefangene, von moderner Blasirtheit freie Betrachtungsweise
wird auch ferner nicht umhin können, gerade in der elohistischen Tra-
dition die, weil einfachere, darum ältere und ursprünglichere Ueber-
lieferung zu erblicken. Wollte man der persischen und seleucidischen
Epoche der israelitischen Volksgeschichte überhaupt eine so bedeutende
theologische Productionskraft wie die des Verfassers der pentateuchi-
schen Grundschrift, dieses "großen Unbekannten" der Esra-Zeit, zu-
schreiben: warum dann lieber nicht noch weiter gehen, warum den
Jahrhunderten zwischen Cyrus und Herodes nicht noch mehr "große
Unbekannte" zuweisen?" Was hindert's doch, mit dem scharfsinnigen
Franzosen Ernest Havet1) die tendenzkritischen Operationen auf die
äußerste Spitze zu treiben und auch die ganze Prophetenliteratur,
mithin auch die jehovischen Abschnitte der Thora, erst in diese späten
Zeiten, die man früher für nachhebräisch und nachkanonisch zu halten
pflegte, zu verlegen? Raum genug ist ja vorhanden: man setze nur,
wie Havet dieß wirklich thut, die Grundschrift des Pentateuchs in
Esras Zeit, dann die prophetische Literatur ins Makkabäerzeitalter,
das Danielbuch aber nebst einem großen Theil der Psalmen unter
Herodes! Speculative Köpfe jüdischer Nation wie Zunz, Gräz u. AA.
haben ja hiezu so schön den Weg gebahnt. Wahrhaft consequent
können wir in der That das Verfahren erst dieser Ultras der tendenz-
kritischen Richtung finden. Erst durch sie wird das Zerstörungswerk
vollständig gethan, um das es sich hier handelt.

1) Les Origines du Christianisme. Vol. III: Le Iudaisme. Paris 1878.

III. Die Traditionen des Heidenthums.
ſtigen Schöpfergottes weltſchöpferiſches Walten und ſeine Erſchaffung
des Menſchen nach ſeinem heiligen Bilde: ſie bilden ebenſo gut die
unumgängliche Vorausſetzung zur Exiſtenz der Prophetie, dieſer treuen
Wächterin und Jnterpretin der Grundſubſtanz der Offenbarung,
wie das was, ſachlich mit jenen Wahrheiten übereinſtimmend wenn-
ſchon in theilweiſe andre Formen gekleidet, in den folgenden Kapiteln
zur Ausſage gelangt, als deren Urheber man ſich gern einen der
Propheten des eigentlichen Propheten-Zeitalters denkt. Vorexiliſch
können und müſſen ſie beide ſein, die erſte wie die zweite Urkunde;
eine unbefangene, von moderner Blaſirtheit freie Betrachtungsweiſe
wird auch ferner nicht umhin können, gerade in der elohiſtiſchen Tra-
dition die, weil einfachere, darum ältere und urſprünglichere Ueber-
lieferung zu erblicken. Wollte man der perſiſchen und ſeleucidiſchen
Epoche der israelitiſchen Volksgeſchichte überhaupt eine ſo bedeutende
theologiſche Productionskraft wie die des Verfaſſers der pentateuchi-
ſchen Grundſchrift, dieſes „großen Unbekannten‟ der Esra-Zeit, zu-
ſchreiben: warum dann lieber nicht noch weiter gehen, warum den
Jahrhunderten zwiſchen Cyrus und Herodes nicht noch mehr „große
Unbekannte‟ zuweiſen?‟ Was hindert’s doch, mit dem ſcharfſinnigen
Franzoſen Erneſt Havet1) die tendenzkritiſchen Operationen auf die
äußerſte Spitze zu treiben und auch die ganze Prophetenliteratur,
mithin auch die jehoviſchen Abſchnitte der Thora, erſt in dieſe ſpäten
Zeiten, die man früher für nachhebräiſch und nachkanoniſch zu halten
pflegte, zu verlegen? Raum genug iſt ja vorhanden: man ſetze nur,
wie Havet dieß wirklich thut, die Grundſchrift des Pentateuchs in
Esras Zeit, dann die prophetiſche Literatur ins Makkabäerzeitalter,
das Danielbuch aber nebſt einem großen Theil der Pſalmen unter
Herodes! Speculative Köpfe jüdiſcher Nation wie Zunz, Gräz u. AA.
haben ja hiezu ſo ſchön den Weg gebahnt. Wahrhaft conſequent
können wir in der That das Verfahren erſt dieſer Ultras der tendenz-
kritiſchen Richtung finden. Erſt durch ſie wird das Zerſtörungswerk
vollſtändig gethan, um das es ſich hier handelt.

1) Les Origines du Christianisme. Vol. III: Le Iudaisme. Paris 1878.
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[111/0121] III. Die Traditionen des Heidenthums. ſtigen Schöpfergottes weltſchöpferiſches Walten und ſeine Erſchaffung des Menſchen nach ſeinem heiligen Bilde: ſie bilden ebenſo gut die unumgängliche Vorausſetzung zur Exiſtenz der Prophetie, dieſer treuen Wächterin und Jnterpretin der Grundſubſtanz der Offenbarung, wie das was, ſachlich mit jenen Wahrheiten übereinſtimmend wenn- ſchon in theilweiſe andre Formen gekleidet, in den folgenden Kapiteln zur Ausſage gelangt, als deren Urheber man ſich gern einen der Propheten des eigentlichen Propheten-Zeitalters denkt. Vorexiliſch können und müſſen ſie beide ſein, die erſte wie die zweite Urkunde; eine unbefangene, von moderner Blaſirtheit freie Betrachtungsweiſe wird auch ferner nicht umhin können, gerade in der elohiſtiſchen Tra- dition die, weil einfachere, darum ältere und urſprünglichere Ueber- lieferung zu erblicken. Wollte man der perſiſchen und ſeleucidiſchen Epoche der israelitiſchen Volksgeſchichte überhaupt eine ſo bedeutende theologiſche Productionskraft wie die des Verfaſſers der pentateuchi- ſchen Grundſchrift, dieſes „großen Unbekannten‟ der Esra-Zeit, zu- ſchreiben: warum dann lieber nicht noch weiter gehen, warum den Jahrhunderten zwiſchen Cyrus und Herodes nicht noch mehr „große Unbekannte‟ zuweiſen?‟ Was hindert’s doch, mit dem ſcharfſinnigen Franzoſen Erneſt Havet 1) die tendenzkritiſchen Operationen auf die äußerſte Spitze zu treiben und auch die ganze Prophetenliteratur, mithin auch die jehoviſchen Abſchnitte der Thora, erſt in dieſe ſpäten Zeiten, die man früher für nachhebräiſch und nachkanoniſch zu halten pflegte, zu verlegen? Raum genug iſt ja vorhanden: man ſetze nur, wie Havet dieß wirklich thut, die Grundſchrift des Pentateuchs in Esras Zeit, dann die prophetiſche Literatur ins Makkabäerzeitalter, das Danielbuch aber nebſt einem großen Theil der Pſalmen unter Herodes! Speculative Köpfe jüdiſcher Nation wie Zunz, Gräz u. AA. haben ja hiezu ſo ſchön den Weg gebahnt. Wahrhaft conſequent können wir in der That das Verfahren erſt dieſer Ultras der tendenz- kritiſchen Richtung finden. Erſt durch ſie wird das Zerſtörungswerk vollſtändig gethan, um das es ſich hier handelt. 1) Les Origines du Christianisme. Vol. III: Le Iudaisme. Paris 1878.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/121>, abgerufen am 22.11.2024.