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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1724.
Jch meyne, deren Sinn am allerhöchsten steht,
Jhr sucht was Seltenes, ihr wollt was Grosses finden;
Hat's, wer mit Fürsten-Volck in einem Paare geht?
Besitzens etwa die, die Feinde überwinden?
Solls ein erhabner Rang, solls etwa Reichthum seyn?
Jhr geht vielleicht auf eins, vielleicht auf alles ein.
Wohlan! wen haltet ihr auf diesen Erden-Plan
Vor den Erhabensten? Jhr sprecht: Den teutschen Käyser;
Dem Fürsten, dem ein Heer von Fürsten unterthan,
Die Crone, und den Knopf viel Königlicher Reiser;
Schaut her! Die List und Kunst zu grossen Dienern macht.
Wie weit es Sinzendorf bey Treu und Glauben bracht!
Exempel können sonst, was keine Lehre kan;
Jhr Menschen möchte euch diß Muster redlich machen,
So setztet ihrs mit Recht im Zimmer oben an,
Und richtetet darnach in Zeiten eure Sachen;
Doch giebts noch einen Grund, der gilt zu dieser Zeit:
Das rechte Redlich-seyn ist eine Seltenheit.
Man sperrt ja in der Welt die Augen weiter auf,
Wenn man ein Ding besieht, das wir nicht täglich sehen;
Kein Pyramiden-Bau hemmt derer Leute Lauf,
Die in den Gegenden sonst alle Tage gehen;
Was giebt man nicht ums Gold, wie leicht wirds ausgetauscht
Dort, wo es wie der Kieß, in denen Ufern rauscht?
Noch etwas: Wäre es nicht schon so lange her,
Daß GOtt ein Wanderer auf dieser Welt gewesen;
So möchte man von ihm und seiner Sitten-Lehr
Vielleicht ein mehrerers in unserm Wandel lesen:
Und da sey einer teutsch, da sey er welscher Art,
So ändert er den Sinn, dem er sich offenbahrt.
Doch wie es mit der Treu der alten Teutschen geht,
Davon Arminius und andre Helden brennen;
So eben sieht mans an, wenn in der Bibel steht,
Was Christus und sein Volck zuwege bringen können:
Es wird die Helden-Kraft des Herrmanns im Roman
So gut, als Christus Werck, vom Narren nachgethan.
Steht
F 4
1724.
Jch meyne, deren Sinn am allerhoͤchſten ſteht,
Jhr ſucht was Seltenes, ihr wollt was Groſſes finden;
Hat’s, wer mit Fuͤrſten-Volck in einem Paare geht?
Beſitzens etwa die, die Feinde uͤberwinden?
Solls ein erhabner Rang, ſolls etwa Reichthum ſeyn?
Jhr geht vielleicht auf eins, vielleicht auf alles ein.
Wohlan! wen haltet ihr auf dieſen Erden-Plan
Vor den Erhabenſten? Jhr ſprecht: Den teutſchen Kaͤyſer;
Dem Fuͤrſten, dem ein Heer von Fuͤrſten unterthan,
Die Crone, und den Knopf viel Koͤniglicher Reiſer;
Schaut her! Die Liſt und Kunſt zu groſſen Dienern macht.
Wie weit es Sinzendorf bey Treu und Glauben bracht!
Exempel koͤnnen ſonſt, was keine Lehre kan;
Jhr Menſchen moͤchte euch diß Muſter redlich machen,
So ſetztet ihrs mit Recht im Zimmer oben an,
Und richtetet darnach in Zeiten eure Sachen;
Doch giebts noch einen Grund, der gilt zu dieſer Zeit:
Das rechte Redlich-ſeyn iſt eine Seltenheit.
Man ſperrt ja in der Welt die Augen weiter auf,
Wenn man ein Ding beſieht, das wir nicht taͤglich ſehen;
Kein Pyramiden-Bau hemmt derer Leute Lauf,
Die in den Gegenden ſonſt alle Tage gehen;
Was giebt man nicht ums Gold, wie leicht wirds ausgetauſcht
Dort, wo es wie der Kieß, in denen Ufern rauſcht?
Noch etwas: Waͤre es nicht ſchon ſo lange her,
Daß GOtt ein Wanderer auf dieſer Welt geweſen;
So moͤchte man von ihm und ſeiner Sitten-Lehr
Vielleicht ein mehrerers in unſerm Wandel leſen:
Und da ſey einer teutſch, da ſey er welſcher Art,
So aͤndert er den Sinn, dem er ſich offenbahrt.
Doch wie es mit der Treu der alten Teutſchen geht,
Davon Arminius und andre Helden brennen;
So eben ſieht mans an, wenn in der Bibel ſteht,
Was Chriſtus und ſein Volck zuwege bringen koͤnnen:
Es wird die Helden-Kraft des Herrmanns im Roman
So gut, als Chriſtus Werck, vom Narren nachgethan.
Steht
F 4
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[87/0097] 1724. Jch meyne, deren Sinn am allerhoͤchſten ſteht, Jhr ſucht was Seltenes, ihr wollt was Groſſes finden; Hat’s, wer mit Fuͤrſten-Volck in einem Paare geht? Beſitzens etwa die, die Feinde uͤberwinden? Solls ein erhabner Rang, ſolls etwa Reichthum ſeyn? Jhr geht vielleicht auf eins, vielleicht auf alles ein. Wohlan! wen haltet ihr auf dieſen Erden-Plan Vor den Erhabenſten? Jhr ſprecht: Den teutſchen Kaͤyſer; Dem Fuͤrſten, dem ein Heer von Fuͤrſten unterthan, Die Crone, und den Knopf viel Koͤniglicher Reiſer; Schaut her! Die Liſt und Kunſt zu groſſen Dienern macht. Wie weit es Sinzendorf bey Treu und Glauben bracht! Exempel koͤnnen ſonſt, was keine Lehre kan; Jhr Menſchen moͤchte euch diß Muſter redlich machen, So ſetztet ihrs mit Recht im Zimmer oben an, Und richtetet darnach in Zeiten eure Sachen; Doch giebts noch einen Grund, der gilt zu dieſer Zeit: Das rechte Redlich-ſeyn iſt eine Seltenheit. Man ſperrt ja in der Welt die Augen weiter auf, Wenn man ein Ding beſieht, das wir nicht taͤglich ſehen; Kein Pyramiden-Bau hemmt derer Leute Lauf, Die in den Gegenden ſonſt alle Tage gehen; Was giebt man nicht ums Gold, wie leicht wirds ausgetauſcht Dort, wo es wie der Kieß, in denen Ufern rauſcht? Noch etwas: Waͤre es nicht ſchon ſo lange her, Daß GOtt ein Wanderer auf dieſer Welt geweſen; So moͤchte man von ihm und ſeiner Sitten-Lehr Vielleicht ein mehrerers in unſerm Wandel leſen: Und da ſey einer teutſch, da ſey er welſcher Art, So aͤndert er den Sinn, dem er ſich offenbahrt. Doch wie es mit der Treu der alten Teutſchen geht, Davon Arminius und andre Helden brennen; So eben ſieht mans an, wenn in der Bibel ſteht, Was Chriſtus und ſein Volck zuwege bringen koͤnnen: Es wird die Helden-Kraft des Herrmanns im Roman So gut, als Chriſtus Werck, vom Narren nachgethan. Steht F 4

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/97>, abgerufen am 25.11.2024.