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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1722.
Wie süß ist doch des HErren Liebe!
Wie unerforschlich ist sein Rath!
Wie mächtig seines Zuges Triebe!
Wie würcksam seiner Hände That!
Glückseliger!

Dich stöst der HErr
Nicht ferne von des Vaters Hauß
Jn eine reiche Erndte aus.
Nur mich, das ärmste seiner Kinder,
Mich seinen matten Säugeling,
Mich heist der holde Freund der Sünder
Bey nah ein unbeqvemes Ding.
Jch nahe kaum
Zum engen Raum,
Und auf die schmale Pforte zu,
So unterbricht er mir die Ruh.
Wohlan, es ist ja seine Weise,
Er würckt, wir sind nur Handwercks-Zeug:
Er zieh mich nur gemach und leise,
Denn ich bin gar ein schwacher Zweig;
Soll solch ein Reiß
Zu seinem Preiß
Mit Fruchten angefüllet seyn,
So pfropf ers in sich selber ein.
Wie komm ich nur auf solche Sachen?
Was schreib ich öffentlich davon?
Das ist ja nur der Welt ihr Lachen,
Das lieset Jsmael mit Hohn.
Jst wahr? Allein
Jetzt kan es seyn,
Daß man sich laut ergötzen mag;
Dann heute ist ein Hochzeit-Tag.
Stimmt aber auch der Freund der Seelen
Mit diesem ihren Vorsatz ein,
Daß sie sich anderwärts vermählen,
Sie, die schon lange feine seyn?
Es
C
1722.
Wie ſuͤß iſt doch des HErren Liebe!
Wie unerforſchlich iſt ſein Rath!
Wie maͤchtig ſeines Zuges Triebe!
Wie wuͤrckſam ſeiner Haͤnde That!
Gluͤckſeliger!

Dich ſtoͤſt der HErr
Nicht ferne von des Vaters Hauß
Jn eine reiche Erndte aus.
Nur mich, das aͤrmſte ſeiner Kinder,
Mich ſeinen matten Saͤugeling,
Mich heiſt der holde Freund der Suͤnder
Bey nah ein unbeqvemes Ding.
Jch nahe kaum
Zum engen Raum,
Und auf die ſchmale Pforte zu,
So unterbricht er mir die Ruh.
Wohlan, es iſt ja ſeine Weiſe,
Er wuͤrckt, wir ſind nur Handwercks-Zeug:
Er zieh mich nur gemach und leiſe,
Denn ich bin gar ein ſchwacher Zweig;
Soll ſolch ein Reiß
Zu ſeinem Preiß
Mit Fruchten angefuͤllet ſeyn,
So pfropf ers in ſich ſelber ein.
Wie komm ich nur auf ſolche Sachen?
Was ſchreib ich oͤffentlich davon?
Das iſt ja nur der Welt ihr Lachen,
Das lieſet Jſmael mit Hohn.
Jſt wahr? Allein
Jetzt kan es ſeyn,
Daß man ſich laut ergoͤtzen mag;
Dann heute iſt ein Hochzeit-Tag.
Stimmt aber auch der Freund der Seelen
Mit dieſem ihren Vorſatz ein,
Daß ſie ſich anderwaͤrts vermaͤhlen,
Sie, die ſchon lange feine ſeyn?
Es
C
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[33/0043] 1722. Wie ſuͤß iſt doch des HErren Liebe! Wie unerforſchlich iſt ſein Rath! Wie maͤchtig ſeines Zuges Triebe! Wie wuͤrckſam ſeiner Haͤnde That! Gluͤckſeliger! Dich ſtoͤſt der HErr Nicht ferne von des Vaters Hauß Jn eine reiche Erndte aus. Nur mich, das aͤrmſte ſeiner Kinder, Mich ſeinen matten Saͤugeling, Mich heiſt der holde Freund der Suͤnder Bey nah ein unbeqvemes Ding. Jch nahe kaum Zum engen Raum, Und auf die ſchmale Pforte zu, So unterbricht er mir die Ruh. Wohlan, es iſt ja ſeine Weiſe, Er wuͤrckt, wir ſind nur Handwercks-Zeug: Er zieh mich nur gemach und leiſe, Denn ich bin gar ein ſchwacher Zweig; Soll ſolch ein Reiß Zu ſeinem Preiß Mit Fruchten angefuͤllet ſeyn, So pfropf ers in ſich ſelber ein. Wie komm ich nur auf ſolche Sachen? Was ſchreib ich oͤffentlich davon? Das iſt ja nur der Welt ihr Lachen, Das lieſet Jſmael mit Hohn. Jſt wahr? Allein Jetzt kan es ſeyn, Daß man ſich laut ergoͤtzen mag; Dann heute iſt ein Hochzeit-Tag. Stimmt aber auch der Freund der Seelen Mit dieſem ihren Vorſatz ein, Daß ſie ſich anderwaͤrts vermaͤhlen, Sie, die ſchon lange feine ſeyn? Es C

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/43>, abgerufen am 28.03.2024.