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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1722.
Das siehet und höret der elende Hauffe
Der Klugen, die Christus zu Narren gemacht,
Und stehet nicht still im vergeblichen Lauffe,
Bemüht sich hingegen bey Tag und bey Nacht,
Vom Abend zum Morgen vermehrt sich sein Sorgen
Und endlich bekommt er von gestern und heute
Das Warten der künfftigen Dinge zur Beute.
Die Christen sind stille und lassen den machen,
Der ihnen als Vater mit Rechte befiehlt;
Die andere sehens, und spotten, und lachen,
Daß GOtt mit den Seinen so wunderlich spielt.
Und dieser erscheinet, wenns niemand vermeynet,
Und hebt sich in seinen gemessenen Schrancken
Weit über der Menschen Vernunfft und Gedancken.
Frolocket ihr Kinder der ewigen Liebe,
Jhr werdet zum Wunder und Zeichen gesetzt:
Der Vater entbrennet vor hertzlichem Triebe,
So bald ihr die Wangen mit Thränen benetzt.
Er hört ja im Himmel der Erden Getümmel,
Dafür sich die himmlisch-gesinnete Seelen,
Die stoltze Behausung der Ruhe erwählen.
So hat sich bey Christen ein jeglicher Morgen
Auf seine Bedürffniß alleine geschickt:
Wie kommt es denn, daß man die leidige Sorgen
Bey Kindern der Menschen so häuffig erblickt?
Weil diese sich selber, und güldene Kälber,
Zu ihren ohnmächtigen Göttern erwählen,
So stehet es diesen wohl an sich zu quälen.
Die Wunderthat, die in verwichenen Tagen,
Jm Reuß- und Castellischen Hause geschehn.
Wird alle in ihrem Gewissen verklagen,
Die GOttes Werck ohne Verwunderung sehn:
Wer hätte die Sachen verwirreter machen,
Und dennoch so seliglich endigen können,
Als er, den wir Vater und Wunderbar nennen?
Er hat an dem Bräutigam Grosses bewiesen,
Die Wunder-Regierung erfreuet die Braut:
Er
1722.
Das ſiehet und hoͤret der elende Hauffe
Der Klugen, die Chriſtus zu Narren gemacht,
Und ſtehet nicht ſtill im vergeblichen Lauffe,
Bemuͤht ſich hingegen bey Tag und bey Nacht,
Vom Abend zum Morgen vermehrt ſich ſein Sorgen
Und endlich bekommt er von geſtern und heute
Das Warten der kuͤnfftigen Dinge zur Beute.
Die Chriſten ſind ſtille und laſſen den machen,
Der ihnen als Vater mit Rechte befiehlt;
Die andere ſehens, und ſpotten, und lachen,
Daß GOtt mit den Seinen ſo wunderlich ſpielt.
Und dieſer erſcheinet, wenns niemand vermeynet,
Und hebt ſich in ſeinen gemeſſenen Schrancken
Weit uͤber der Menſchen Vernunfft und Gedancken.
Frolocket ihr Kinder der ewigen Liebe,
Jhr werdet zum Wunder und Zeichen geſetzt:
Der Vater entbrennet vor hertzlichem Triebe,
So bald ihr die Wangen mit Thraͤnen benetzt.
Er hoͤrt ja im Himmel der Erden Getuͤmmel,
Dafuͤr ſich die himmliſch-geſinnete Seelen,
Die ſtoltze Behauſung der Ruhe erwaͤhlen.
So hat ſich bey Chriſten ein jeglicher Morgen
Auf ſeine Beduͤrffniß alleine geſchickt:
Wie kommt es denn, daß man die leidige Sorgen
Bey Kindern der Menſchen ſo haͤuffig erblickt?
Weil dieſe ſich ſelber, und guͤldene Kaͤlber,
Zu ihren ohnmaͤchtigen Goͤttern erwaͤhlen,
So ſtehet es dieſen wohl an ſich zu quaͤlen.
Die Wunderthat, die in verwichenen Tagen,
Jm Reuß- und Caſtelliſchen Hauſe geſchehn.
Wird alle in ihrem Gewiſſen verklagen,
Die GOttes Werck ohne Verwunderung ſehn:
Wer haͤtte die Sachen verwirreter machen,
Und dennoch ſo ſeliglich endigen koͤnnen,
Als er, den wir Vater und Wunderbar nennen?
Er hat an dem Braͤutigam Groſſes bewieſen,
Die Wunder-Regierung erfreuet die Braut:
Er
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[28/0038] 1722. Das ſiehet und hoͤret der elende Hauffe Der Klugen, die Chriſtus zu Narren gemacht, Und ſtehet nicht ſtill im vergeblichen Lauffe, Bemuͤht ſich hingegen bey Tag und bey Nacht, Vom Abend zum Morgen vermehrt ſich ſein Sorgen Und endlich bekommt er von geſtern und heute Das Warten der kuͤnfftigen Dinge zur Beute. Die Chriſten ſind ſtille und laſſen den machen, Der ihnen als Vater mit Rechte befiehlt; Die andere ſehens, und ſpotten, und lachen, Daß GOtt mit den Seinen ſo wunderlich ſpielt. Und dieſer erſcheinet, wenns niemand vermeynet, Und hebt ſich in ſeinen gemeſſenen Schrancken Weit uͤber der Menſchen Vernunfft und Gedancken. Frolocket ihr Kinder der ewigen Liebe, Jhr werdet zum Wunder und Zeichen geſetzt: Der Vater entbrennet vor hertzlichem Triebe, So bald ihr die Wangen mit Thraͤnen benetzt. Er hoͤrt ja im Himmel der Erden Getuͤmmel, Dafuͤr ſich die himmliſch-geſinnete Seelen, Die ſtoltze Behauſung der Ruhe erwaͤhlen. So hat ſich bey Chriſten ein jeglicher Morgen Auf ſeine Beduͤrffniß alleine geſchickt: Wie kommt es denn, daß man die leidige Sorgen Bey Kindern der Menſchen ſo haͤuffig erblickt? Weil dieſe ſich ſelber, und guͤldene Kaͤlber, Zu ihren ohnmaͤchtigen Goͤttern erwaͤhlen, So ſtehet es dieſen wohl an ſich zu quaͤlen. Die Wunderthat, die in verwichenen Tagen, Jm Reuß- und Caſtelliſchen Hauſe geſchehn. Wird alle in ihrem Gewiſſen verklagen, Die GOttes Werck ohne Verwunderung ſehn: Wer haͤtte die Sachen verwirreter machen, Und dennoch ſo ſeliglich endigen koͤnnen, Als er, den wir Vater und Wunderbar nennen? Er hat an dem Braͤutigam Groſſes bewieſen, Die Wunder-Regierung erfreuet die Braut: Er

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/38>, abgerufen am 28.03.2024.