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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1733.
Wie denckt ein weichlich Hertz von Wollust aufgeschwemmt,
Auf Mord und Blut-Gedicht? Mit Zittern und mit Be-
ben.

Wo ist ein stoltzer Mund, der ohne Rüge schlemmt?
Welch tieff-Sinn ist gemeint der Faulheit Recht zu geben?
Ein Lenden-lahmer Mensch ist aller Sorge feind.
So, daß auch der Natur manch Böses böse scheint.
Und dieses ist so wahr, daß, wenn sichs etwa fügt,
Daß Geitz und Ruh und Stoltz und Weichlichkeit sich
gatten,

Und eins ums andere bald ob-bald unten liegt,
So wird derselbe Mensch ein falscher Tugend-Schatten,
Darum ists offenbahr, daß nach des Schöpffers Rath,
Der Mensch zum Gutes-thun den freyen Willen hat.
So lehrt, so macht er uns nach seinem guten Sinn.
Wie daß die Menschen doch im Grunde gar nichts taugen,
Und warum giebt der HErr sie ihnen selber hin,
Und läst sie so viel Gifft aus ihrem Willen saugen?
Das macht das Grund-Gesetz zum Seegen und zum Bann
Jst diß: Man Liebt nicht recht, wann man nicht Has-
sen kan.
Das unbedungne Muß gehört vor Stein und Holtz,
Vor Cörper, die nur bloß getriebene Machinen,
Daß auch so gar ein Thier entdeckt Verdruß und Stoltz,
Und Faulheit, Zorn und Brunst, und Neid durch seine Mi-
nen.

Bey einem Thiere geht die Sclaven-Zucht noch gut;
Weils endlich nur darff thun, wenns gleich nicht gerne
thut.
All ein, du edler Mensch, der Creatur ein Herr,
Des Schöpffers Augenmerck, das Lust-Spiel guter Gei-
ster,

Du sehnliches Object der finstern Wanderer,1. Pet. 5, 8.
Dir offenbahrt sich GOtt als Freund, nicht nur als Mei-
ster:

GOtt braucht dein Machen nicht, er will geliebet seyn,
GOtt hassen bringt die Höll ins Paradiß hinein.
Drum
S 2
1733.
Wie denckt ein weichlich Hertz von Wolluſt aufgeſchwemmt,
Auf Mord und Blut-Gedicht? Mit Zittern und mit Be-
ben.

Wo iſt ein ſtoltzer Mund, der ohne Ruͤge ſchlemmt?
Welch tieff-Sinn iſt gemeint der Faulheit Recht zu geben?
Ein Lenden-lahmer Menſch iſt aller Sorge feind.
So, daß auch der Natur manch Boͤſes boͤſe ſcheint.
Und dieſes iſt ſo wahr, daß, wenn ſichs etwa fuͤgt,
Daß Geitz und Ruh und Stoltz und Weichlichkeit ſich
gatten,

Und eins ums andere bald ob-bald unten liegt,
So wird derſelbe Menſch ein falſcher Tugend-Schatten,
Darum iſts offenbahr, daß nach des Schoͤpffers Rath,
Der Menſch zum Gutes-thun den freyen Willen hat.
So lehrt, ſo macht er uns nach ſeinem guten Sinn.
Wie daß die Menſchen doch im Grunde gar nichts taugen,
Und warum giebt der HErr ſie ihnen ſelber hin,
Und laͤſt ſie ſo viel Gifft aus ihrem Willen ſaugen?
Das macht das Grund-Geſetz zum Seegen und zum Bann
Jſt diß: Man Liebt nicht recht, wann man nicht Haſ-
ſen kan.
Das unbedungne Muß gehoͤrt vor Stein und Holtz,
Vor Coͤrper, die nur bloß getriebene Machinen,
Daß auch ſo gar ein Thier entdeckt Verdruß und Stoltz,
Und Faulheit, Zorn und Brunſt, und Neid durch ſeine Mi-
nen.

Bey einem Thiere geht die Sclaven-Zucht noch gut;
Weils endlich nur darff thun, wenns gleich nicht gerne
thut.
All ein, du edler Menſch, der Creatur ein Herr,
Des Schoͤpffers Augenmerck, das Luſt-Spiel guter Gei-
ſter,

Du ſehnliches Object der finſtern Wanderer,1. Pet. 5, 8.
Dir offenbahrt ſich GOtt als Freund, nicht nur als Mei-
ſter:

GOtt braucht dein Machen nicht, er will geliebet ſeyn,
GOtt haſſen bringt die Hoͤll ins Paradiß hinein.
Drum
S 2
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[275/0285] 1733. Wie denckt ein weichlich Hertz von Wolluſt aufgeſchwemmt, Auf Mord und Blut-Gedicht? Mit Zittern und mit Be- ben. Wo iſt ein ſtoltzer Mund, der ohne Ruͤge ſchlemmt? Welch tieff-Sinn iſt gemeint der Faulheit Recht zu geben? Ein Lenden-lahmer Menſch iſt aller Sorge feind. So, daß auch der Natur manch Boͤſes boͤſe ſcheint. Und dieſes iſt ſo wahr, daß, wenn ſichs etwa fuͤgt, Daß Geitz und Ruh und Stoltz und Weichlichkeit ſich gatten, Und eins ums andere bald ob-bald unten liegt, So wird derſelbe Menſch ein falſcher Tugend-Schatten, Darum iſts offenbahr, daß nach des Schoͤpffers Rath, Der Menſch zum Gutes-thun den freyen Willen hat. So lehrt, ſo macht er uns nach ſeinem guten Sinn. Wie daß die Menſchen doch im Grunde gar nichts taugen, Und warum giebt der HErr ſie ihnen ſelber hin, Und laͤſt ſie ſo viel Gifft aus ihrem Willen ſaugen? Das macht das Grund-Geſetz zum Seegen und zum Bann Jſt diß: Man Liebt nicht recht, wann man nicht Haſ- ſen kan. Das unbedungne Muß gehoͤrt vor Stein und Holtz, Vor Coͤrper, die nur bloß getriebene Machinen, Daß auch ſo gar ein Thier entdeckt Verdruß und Stoltz, Und Faulheit, Zorn und Brunſt, und Neid durch ſeine Mi- nen. Bey einem Thiere geht die Sclaven-Zucht noch gut; Weils endlich nur darff thun, wenns gleich nicht gerne thut. All ein, du edler Menſch, der Creatur ein Herr, Des Schoͤpffers Augenmerck, das Luſt-Spiel guter Gei- ſter, Du ſehnliches Object der finſtern Wanderer, Dir offenbahrt ſich GOtt als Freund, nicht nur als Mei- ſter: GOtt braucht dein Machen nicht, er will geliebet ſeyn, GOtt haſſen bringt die Hoͤll ins Paradiß hinein. Drum S 2

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/285>, abgerufen am 25.11.2024.