Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

1732.

Auf die ertäglich trifft:
Denn was haben wir vor Gaben
Die nicht auch die Thiere haben?

Die Menschen sehen das:
Den einen greifft es an,
Der andre weiß nicht, was
Und wo er helffen kan,
Und der dritte Theil der Thoren
Geht mit gutem Muth verlohren.
Ein unansehnlich Volck
Von gantz geringer Zahl,
Genannt die Zeugen-Wolck,
Zerstreut durchs Jammerthal,
Führt von einem höhern Bilde
Etwas sichtbarlichs im Schilde.
Es bildet sich nichts ein,
Verachtet das Gefühl,
Begehret arm zu seyn,
Und müht sich dennoch viel;
Und da möcht ein Kluger dencken:
Wer wird solche Leute kräncken.
Allein so bald ein Hauß
Dergleichen sehen läst,
So ruffet alles aus:
Hierinnen ist die Pest,
Und der Mensch von GOttes Gnaden
Wird mit Schmach und Trug beladen.
Fragt einen Meister nur,
Der alles rathen kan,
Der selbsten der Natur
Die Qvellen aufgethan:
Warum ist den Tygern Frieden,
Und den Schafen Krieg beschieden?
Jch sage ohne Scheu:
Man weiß die Ursach nicht;
Hört aber nur, wie frey
Der Hirt der Schaafe spricht:
Daß

1732.

Auf die ertaͤglich trifft:
Denn was haben wir vor Gaben
Die nicht auch die Thiere haben?

Die Menſchen ſehen das:
Den einen greifft es an,
Der andre weiß nicht, was
Und wo er helffen kan,
Und der dritte Theil der Thoren
Geht mit gutem Muth verlohren.
Ein unanſehnlich Volck
Von gantz geringer Zahl,
Genannt die Zeugen-Wolck,
Zerſtreut durchs Jammerthal,
Fuͤhrt von einem hoͤhern Bilde
Etwas ſichtbarlichs im Schilde.
Es bildet ſich nichts ein,
Verachtet das Gefuͤhl,
Begehret arm zu ſeyn,
Und muͤht ſich dennoch viel;
Und da moͤcht ein Kluger dencken:
Wer wird ſolche Leute kraͤncken.
Allein ſo bald ein Hauß
Dergleichen ſehen laͤſt,
So ruffet alles aus:
Hierinnen iſt die Peſt,
Und der Menſch von GOttes Gnaden
Wird mit Schmach und Trug beladen.
Fragt einen Meiſter nur,
Der alles rathen kan,
Der ſelbſten der Natur
Die Qvellen aufgethan:
Warum iſt den Tygern Frieden,
Und den Schafen Krieg beſchieden?
Jch ſage ohne Scheu:
Man weiß die Urſach nicht;
Hoͤrt aber nur, wie frey
Der Hirt der Schaafe ſpricht:
Daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <lg type="poem">
          <lg n="25">
            <l>
              <pb facs="#f0260" n="250"/>
              <fw place="top" type="header">1732.</fw>
            </l><lb/>
            <l>Auf die erta&#x0364;glich trifft:</l><lb/>
            <l>Denn was haben wir vor Gaben</l><lb/>
            <l>Die nicht auch die Thiere haben?</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="26">
            <l>Die Men&#x017F;chen &#x017F;ehen das:</l><lb/>
            <l>Den einen greifft es an,</l><lb/>
            <l>Der andre weiß nicht, was</l><lb/>
            <l>Und wo er helffen kan,</l><lb/>
            <l>Und der dritte Theil der Thoren</l><lb/>
            <l>Geht mit gutem Muth verlohren.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="27">
            <l>Ein unan&#x017F;ehnlich Volck</l><lb/>
            <l>Von gantz geringer Zahl,</l><lb/>
            <l>Genannt die Zeugen-Wolck,</l><lb/>
            <l>Zer&#x017F;treut durchs Jammerthal,</l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;hrt von einem ho&#x0364;hern Bilde</l><lb/>
            <l>Etwas &#x017F;ichtbarlichs im Schilde.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="28">
            <l>Es bildet &#x017F;ich nichts ein,</l><lb/>
            <l>Verachtet das Gefu&#x0364;hl,</l><lb/>
            <l>Begehret arm zu &#x017F;eyn,</l><lb/>
            <l>Und mu&#x0364;ht &#x017F;ich dennoch viel;</l><lb/>
            <l>Und da mo&#x0364;cht ein Kluger dencken:</l><lb/>
            <l>Wer wird &#x017F;olche Leute kra&#x0364;ncken.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="29">
            <l>Allein &#x017F;o bald ein Hauß</l><lb/>
            <l>Dergleichen &#x017F;ehen la&#x0364;&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>So ruffet alles aus:</l><lb/>
            <l>Hierinnen i&#x017F;t die Pe&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Und der Men&#x017F;ch von GOttes Gnaden</l><lb/>
            <l>Wird mit Schmach und Trug beladen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="30">
            <l>Fragt einen Mei&#x017F;ter nur,</l><lb/>
            <l>Der alles rathen kan,</l><lb/>
            <l>Der &#x017F;elb&#x017F;ten der Natur</l><lb/>
            <l>Die Qvellen aufgethan:</l><lb/>
            <l>Warum i&#x017F;t den Tygern Frieden,</l><lb/>
            <l>Und den Schafen Krieg be&#x017F;chieden?</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="31">
            <l>Jch &#x017F;age ohne Scheu:</l><lb/>
            <l>Man weiß die Ur&#x017F;ach nicht;</l><lb/>
            <l>Ho&#x0364;rt aber nur, wie frey</l><lb/>
            <l>Der Hirt der Schaafe &#x017F;pricht:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Daß</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0260] 1732. Auf die ertaͤglich trifft: Denn was haben wir vor Gaben Die nicht auch die Thiere haben? Die Menſchen ſehen das: Den einen greifft es an, Der andre weiß nicht, was Und wo er helffen kan, Und der dritte Theil der Thoren Geht mit gutem Muth verlohren. Ein unanſehnlich Volck Von gantz geringer Zahl, Genannt die Zeugen-Wolck, Zerſtreut durchs Jammerthal, Fuͤhrt von einem hoͤhern Bilde Etwas ſichtbarlichs im Schilde. Es bildet ſich nichts ein, Verachtet das Gefuͤhl, Begehret arm zu ſeyn, Und muͤht ſich dennoch viel; Und da moͤcht ein Kluger dencken: Wer wird ſolche Leute kraͤncken. Allein ſo bald ein Hauß Dergleichen ſehen laͤſt, So ruffet alles aus: Hierinnen iſt die Peſt, Und der Menſch von GOttes Gnaden Wird mit Schmach und Trug beladen. Fragt einen Meiſter nur, Der alles rathen kan, Der ſelbſten der Natur Die Qvellen aufgethan: Warum iſt den Tygern Frieden, Und den Schafen Krieg beſchieden? Jch ſage ohne Scheu: Man weiß die Urſach nicht; Hoͤrt aber nur, wie frey Der Hirt der Schaafe ſpricht: Daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/260
Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/260>, abgerufen am 29.11.2024.