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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1721.


Der Thau, der alles feuchtet,
Dringt in die Erden ein.
Das Wild in wüsten Wäldern
Geht hungrig auf den Raub;
Das Vieh in stillen Feldern
Sucht Ruh in Busch und Laub;
Der Mensch von schweren Lasten
Der Arbeit unterdrückt,
Begehret auszurasten,
Steht schläffrig und gebückt.

Der Winde Ungeheuer
Stürmt auf die Häuser an,
Wo ein verschloßnes Feuer
Sich kaum erhalten kan:
Wenn sich die Nebel sencken,
Verliehrt man alle Spuhr,
Die Regen Ströhm' erträncken
Der flachen Felder Fluhr.
Da fällt man billig nieder
Vor GOttes Majestät,
Und übergibt ihm wieder,
Was man von ihm empfäht:
Die gantze Krafft der Sinnen
Senckt sich in den hinein,
Durch welchen sie beginnen,
Und dem sie eigen seyn.
Das heist den Tag vollenden,
Das heist sich wohl gelegt:
Man ruht in dessen Händen,
Der alles hebt und trägt.
Die Himmel mögen zittern,
Daß unsre Veste kracht,
Die Elemente wittern;
So sind wir wol bewacht.
XI.

1721.


Der Thau, der alles feuchtet,
Dringt in die Erden ein.
Das Wild in wuͤſten Waͤldern
Geht hungrig auf den Raub;
Das Vieh in ſtillen Feldern
Sucht Ruh in Buſch und Laub;
Der Menſch von ſchweren Laſten
Der Arbeit unterdruͤckt,
Begehret auszuraſten,
Steht ſchlaͤffrig und gebuͤckt.

Der Winde Ungeheuer
Stuͤrmt auf die Haͤuſer an,
Wo ein verſchloßnes Feuer
Sich kaum erhalten kan:
Wenn ſich die Nebel ſencken,
Verliehrt man alle Spuhr,
Die Regen Stroͤhm’ ertraͤncken
Der flachen Felder Fluhr.
Da faͤllt man billig nieder
Vor GOttes Majeſtaͤt,
Und uͤbergibt ihm wieder,
Was man von ihm empfaͤht:
Die gantze Krafft der Sinnen
Senckt ſich in den hinein,
Durch welchen ſie beginnen,
Und dem ſie eigen ſeyn.
Das heiſt den Tag vollenden,
Das heiſt ſich wohl gelegt:
Man ruht in deſſen Haͤnden,
Der alles hebt und traͤgt.
Die Himmel moͤgen zittern,
Daß unſre Veſte kracht,
Die Elemente wittern;
So ſind wir wol bewacht.
XI.
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[16/0026] 1721. Der Thau, der alles feuchtet, Dringt in die Erden ein. Das Wild in wuͤſten Waͤldern Geht hungrig auf den Raub; Das Vieh in ſtillen Feldern Sucht Ruh in Buſch und Laub; Der Menſch von ſchweren Laſten Der Arbeit unterdruͤckt, Begehret auszuraſten, Steht ſchlaͤffrig und gebuͤckt. Der Winde Ungeheuer Stuͤrmt auf die Haͤuſer an, Wo ein verſchloßnes Feuer Sich kaum erhalten kan: Wenn ſich die Nebel ſencken, Verliehrt man alle Spuhr, Die Regen Stroͤhm’ ertraͤncken Der flachen Felder Fluhr. Da faͤllt man billig nieder Vor GOttes Majeſtaͤt, Und uͤbergibt ihm wieder, Was man von ihm empfaͤht: Die gantze Krafft der Sinnen Senckt ſich in den hinein, Durch welchen ſie beginnen, Und dem ſie eigen ſeyn. Das heiſt den Tag vollenden, Das heiſt ſich wohl gelegt: Man ruht in deſſen Haͤnden, Der alles hebt und traͤgt. Die Himmel moͤgen zittern, Daß unſre Veſte kracht, Die Elemente wittern; So ſind wir wol bewacht. XI.

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/26>, abgerufen am 24.11.2024.