Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.
Die Treue will, daß was man hat Mit Vorsatz hingegeben werde, Und daß man Christi Hertzens-Stadt Erwehl vor Himmel und vor Erde. Geräth es nun der Sünde nicht, Daß sie uns an uns selber heffte, An unser eignes Tugend-Licht, An unsre Ruh, an unsre Kräffte; So öffnet sie das Thor Vor Aug, und Hertz, und Ohr, Daß alle auch die guten Sachen, Uns aus dem Sinne gehn, Und wir nicht mehr verstehn, Wovon man sich soll ledig machen. Die Liebe will das Hertze gantz, Da muß man nicht nur alles missen. Denn spricht sichs erst vom Sieges-Crantz, Wenn wir das rauhe Creutze küssen, Und allen Schmertz, und alle Noth, Jn unsre offne Arme fassen, Und allem was zu Christi Tod Noch mitgehört uns überlassen. Wenn nun das Hertz durch List Nicht zu bereden ist Von Ausbedingen was zu sagen; Macht Er die Wege breit, Daß sich die Seelen weit Heraus aus ihrem Ziele wagen. Die Seele soll recht innig seyn, Und an den Liebes-Brüsten trincken; Sie
Die Treue will, daß was man hat Mit Vorſatz hingegeben werde, Und daß man Chriſti Hertzens-Stadt Erwehl vor Himmel und vor Erde. Geraͤth es nun der Suͤnde nicht, Daß ſie uns an uns ſelber heffte, An unſer eignes Tugend-Licht, An unſre Ruh, an unſre Kraͤffte; So oͤffnet ſie das Thor Vor Aug, und Hertz, und Ohr, Daß alle auch die guten Sachen, Uns aus dem Sinne gehn, Und wir nicht mehr verſtehn, Wovon man ſich ſoll ledig machen. Die Liebe will das Hertze gantz, Da muß man nicht nur alles miſſen. Denn ſpricht ſichs erſt vom Sieges-Crantz, Wenn wir das rauhe Creutze kuͤſſen, Und allen Schmertz, und alle Noth, Jn unſre offne Arme faſſen, Und allem was zu Chriſti Tod Noch mitgehoͤrt uns uͤberlaſſen. Wenn nun das Hertz durch Liſt Nicht zu bereden iſt Von Ausbedingen was zu ſagen; Macht Er die Wege breit, Daß ſich die Seelen weit Heraus aus ihrem Ziele wagen. Die Seele ſoll recht innig ſeyn, Und an den Liebes-Bruͤſten trincken; Sie
<TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <lg n="62"> <l> <pb facs="#f0249" n="239"/> <fw place="top" type="header">1731.</fw> </l><lb/> <l>Jn ſeiner Werckſtat zubereit,</l><lb/> <l>Zum Aergerniß ihr vorzuhalten;</l><lb/> <l>So braucht er dieſe Liſt,</l><lb/> <l>Daß ſich der Menſch vermißt,</l><lb/> <l>Nichts mit den Blicken anzuruͤhren</l><lb/> <l>Was noch ſo noͤthig thut,</l><lb/> <l>Daruͤber wir den Muth.</l><lb/> <l>Zu aller unſrer Pflicht verlieren.</l> </lg><lb/> <lg n="63"> <l>Die Treue will, daß was man hat</l><lb/> <l>Mit Vorſatz hingegeben werde,</l><lb/> <l>Und daß man Chriſti Hertzens-Stadt</l><lb/> <l>Erwehl vor Himmel und vor Erde.</l><lb/> <l>Geraͤth es nun der Suͤnde nicht,</l><lb/> <l>Daß ſie uns an uns ſelber heffte,</l><lb/> <l>An unſer eignes Tugend-Licht,</l><lb/> <l>An unſre Ruh, an unſre Kraͤffte;</l><lb/> <l>So oͤffnet ſie das Thor</l><lb/> <l>Vor Aug, und Hertz, und Ohr,</l><lb/> <l>Daß alle auch die guten Sachen,</l><lb/> <l>Uns aus dem Sinne gehn,</l><lb/> <l>Und wir nicht mehr verſtehn,</l><lb/> <l>Wovon man ſich ſoll ledig machen.</l> </lg><lb/> <lg n="64"> <l>Die Liebe will das Hertze gantz,</l><lb/> <l>Da muß man nicht nur alles miſſen.</l><lb/> <l>Denn ſpricht ſichs erſt vom Sieges-Crantz,</l><lb/> <l>Wenn wir das rauhe Creutze kuͤſſen,</l><lb/> <l>Und allen Schmertz, und alle Noth,</l><lb/> <l>Jn unſre offne Arme faſſen,</l><lb/> <l>Und allem was zu Chriſti Tod</l><lb/> <l>Noch mitgehoͤrt uns uͤberlaſſen.</l><lb/> <l>Wenn nun das Hertz durch Liſt</l><lb/> <l>Nicht zu bereden iſt</l><lb/> <l>Von Ausbedingen was zu ſagen;</l><lb/> <l>Macht Er die Wege breit,</l><lb/> <l>Daß ſich die Seelen weit</l><lb/> <l>Heraus aus ihrem Ziele wagen.</l> </lg><lb/> <lg n="65"> <l>Die Seele ſoll recht innig ſeyn,</l><lb/> <l>Und an den Liebes-Bruͤſten trincken;<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [239/0249]
1731.
Jn ſeiner Werckſtat zubereit,
Zum Aergerniß ihr vorzuhalten;
So braucht er dieſe Liſt,
Daß ſich der Menſch vermißt,
Nichts mit den Blicken anzuruͤhren
Was noch ſo noͤthig thut,
Daruͤber wir den Muth.
Zu aller unſrer Pflicht verlieren.
Die Treue will, daß was man hat
Mit Vorſatz hingegeben werde,
Und daß man Chriſti Hertzens-Stadt
Erwehl vor Himmel und vor Erde.
Geraͤth es nun der Suͤnde nicht,
Daß ſie uns an uns ſelber heffte,
An unſer eignes Tugend-Licht,
An unſre Ruh, an unſre Kraͤffte;
So oͤffnet ſie das Thor
Vor Aug, und Hertz, und Ohr,
Daß alle auch die guten Sachen,
Uns aus dem Sinne gehn,
Und wir nicht mehr verſtehn,
Wovon man ſich ſoll ledig machen.
Die Liebe will das Hertze gantz,
Da muß man nicht nur alles miſſen.
Denn ſpricht ſichs erſt vom Sieges-Crantz,
Wenn wir das rauhe Creutze kuͤſſen,
Und allen Schmertz, und alle Noth,
Jn unſre offne Arme faſſen,
Und allem was zu Chriſti Tod
Noch mitgehoͤrt uns uͤberlaſſen.
Wenn nun das Hertz durch Liſt
Nicht zu bereden iſt
Von Ausbedingen was zu ſagen;
Macht Er die Wege breit,
Daß ſich die Seelen weit
Heraus aus ihrem Ziele wagen.
Die Seele ſoll recht innig ſeyn,
Und an den Liebes-Bruͤſten trincken;
Sie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/249 |
Zitationshilfe: | Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/249>, abgerufen am 25.07.2024. |