Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1728. Wir sitzen gleich beym Abend-Essen, (*) so reicht man uns dein Schreiben ein: Lonyse ist uns unvergessen, was kan uns angenehmer seyn? Kommt zu uns, schreibst du, liebe Kinder! kan ich nicht kommen, so kommt ihr, Der Liebe, meinem Uberwinder, ist auch das Bielitzer Revier. Jch kan nicht mehr, so gern ich schriebe; so schlossest du das theure Blat, Gnug, daß mein Hertz euch in die Liebe die mich besitzt, ergeben hat. Jch lieb euch aller End und Orten mit Schwesterlicher Zärtlichkeit. Dein Vater endigt mit den Worten: Mein Kind ist ausser Ort und Zeit. So ists! wir spielen mit dem Sterben. Die Hütte ist bald 4. B. Mos. 14, 9.abgelegt. Wenn nur das sündliche Verderben die Seele nicht mehr nie- der schlägt; Bey täglich ausgestandnem Tode, hats mit dem Tode keine Noth; Nach Josua und Calebs Mode frißt ihn ein GOttes-Mensch wie Brod. Mein Hirt! wie komm ich doch hinüber. Das ist der Helden Glaubens-Wort, Kaum ists geredt, so sind sie drüber. So gehts durchs gantze Leben fort. Gewiß! wenn einem bey dem Schmertze die Zeit und Weile lange dünckt; So wird ihm gantz geraum ums Hertze, wenn er in eine Ohn- macht sinckt. So dachten wir, indem wir lasen: Louyse hat den Lauf vollbracht, Uns war zum Abendmahl geblasen, ihr zur Vollendungs- Mitternacht. Jndem (*) Gestern am 7. Decembr.
1728. Wir ſitzen gleich beym Abend-Eſſen, (*) ſo reicht man uns dein Schreiben ein: Lonyſe iſt uns unvergeſſen, was kan uns angenehmer ſeyn? Kommt zu uns, ſchreibſt du, liebe Kinder! kan ich nicht kommen, ſo kommt ihr, Der Liebe, meinem Uberwinder, iſt auch das Bielitzer Revier. Jch kan nicht mehr, ſo gern ich ſchriebe; ſo ſchloſſeſt du das theure Blat, Gnug, daß mein Hertz euch in die Liebe die mich beſitzt, ergeben hat. Jch lieb euch aller End und Orten mit Schweſterlicher Zaͤrtlichkeit. Dein Vater endigt mit den Worten: Mein Kind iſt auſſer Ort und Zeit. So iſts! wir ſpielen mit dem Sterben. Die Huͤtte iſt bald 4. B. Moſ. 14, 9.abgelegt. Wenn nur das ſuͤndliche Verderben die Seele nicht mehr nie- der ſchlaͤgt; Bey taͤglich ausgeſtandnem Tode, hats mit dem Tode keine Noth; Nach Joſua und Calebs Mode frißt ihn ein GOttes-Menſch wie Brod. Mein Hirt! wie komm ich doch hinuͤber. Das iſt der Helden Glaubens-Wort, Kaum iſts geredt, ſo ſind ſie druͤber. So gehts durchs gantze Leben fort. Gewiß! wenn einem bey dem Schmertze die Zeit und Weile lange duͤnckt; So wird ihm gantz geraum ums Hertze, wenn er in eine Ohn- macht ſinckt. So dachten wir, indem wir laſen: Louyſe hat den Lauf vollbracht, Uns war zum Abendmahl geblaſen, ihr zur Vollendungs- Mitternacht. Jndem (*) Geſtern am 7. Decembr.
<TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0184" n="174"/> <fw place="top" type="header">1728.</fw><lb/> <lg n="4"> <l>Wir ſitzen gleich beym Abend-Eſſen, <note place="foot" n="(*)">Geſtern am 7. Decembr.</note> ſo reicht man uns dein<lb/><hi rendition="#et">Schreiben ein:</hi></l><lb/> <l><hi rendition="#fr">Lonyſe</hi> iſt uns unvergeſſen, was kan uns angenehmer ſeyn?</l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Kommt zu uns, ſchreibſt du, liebe Kinder! kan ich nicht<lb/><hi rendition="#et">kommen, ſo kommt ihr,</hi></hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Der Liebe, meinem Uberwinder, iſt auch das Bielitzer<lb/><hi rendition="#et">Revier.</hi></hi> </l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l><hi rendition="#fr">Jch kan nicht mehr, ſo gern ich ſchriebe;</hi> ſo ſchloſſeſt du das<lb/><hi rendition="#et">theure Blat,</hi><lb/><hi rendition="#fr">Gnug, daß mein Hertz euch in die Liebe die mich beſitzt,<lb/><hi rendition="#et">ergeben hat.</hi></hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Jch lieb euch aller End und Orten mit Schweſterlicher<lb/><hi rendition="#et">Zaͤrtlichkeit.</hi></hi> </l><lb/> <l>Dein Vater endigt mit den Worten: <hi rendition="#fr">Mein Kind iſt auſſer<lb/><hi rendition="#et">Ort und Zeit.</hi></hi></l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>So iſts! wir ſpielen mit dem Sterben. Die Huͤtte iſt bald<lb/><hi rendition="#et">abgelegt.</hi></l><lb/> <l>Wenn nur das ſuͤndliche Verderben die Seele nicht mehr nie-<lb/><hi rendition="#et">der ſchlaͤgt;</hi></l><lb/> <l>Bey taͤglich ausgeſtandnem Tode, hats mit dem Tode keine<lb/><hi rendition="#et">Noth;</hi></l><lb/> <l>Nach Joſua und Calebs Mode frißt ihn ein GOttes-Menſch<lb/><hi rendition="#et">wie Brod.</hi></l> </lg> <note place="right">4. B. Moſ. 14, 9.</note><lb/> <lg n="7"> <l><hi rendition="#fr">Mein Hirt! wie komm ich doch hinuͤber.</hi> Das iſt der<lb/><hi rendition="#et">Helden Glaubens-Wort,</hi></l><lb/> <l>Kaum iſts geredt, ſo ſind ſie druͤber. So gehts durchs gantze<lb/><hi rendition="#et">Leben fort.</hi></l><lb/> <l>Gewiß! wenn einem bey dem Schmertze die Zeit und Weile<lb/><hi rendition="#et">lange duͤnckt;</hi></l><lb/> <l>So wird ihm gantz geraum ums Hertze, wenn er in eine Ohn-<lb/><hi rendition="#et">macht ſinckt.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>So dachten wir, indem wir laſen: <hi rendition="#fr">Louyſe hat den Lauf<lb/><hi rendition="#et">vollbracht,</hi></hi></l><lb/> <l>Uns war zum Abendmahl geblaſen, ihr zur <hi rendition="#fr">Vollendungs-<lb/><hi rendition="#et">Mitternacht.</hi></hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Jndem</hi></fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [174/0184]
1728.
Wir ſitzen gleich beym Abend-Eſſen, (*) ſo reicht man uns dein
Schreiben ein:
Lonyſe iſt uns unvergeſſen, was kan uns angenehmer ſeyn?
Kommt zu uns, ſchreibſt du, liebe Kinder! kan ich nicht
kommen, ſo kommt ihr,
Der Liebe, meinem Uberwinder, iſt auch das Bielitzer
Revier.
Jch kan nicht mehr, ſo gern ich ſchriebe; ſo ſchloſſeſt du das
theure Blat,
Gnug, daß mein Hertz euch in die Liebe die mich beſitzt,
ergeben hat.
Jch lieb euch aller End und Orten mit Schweſterlicher
Zaͤrtlichkeit.
Dein Vater endigt mit den Worten: Mein Kind iſt auſſer
Ort und Zeit.
So iſts! wir ſpielen mit dem Sterben. Die Huͤtte iſt bald
abgelegt.
Wenn nur das ſuͤndliche Verderben die Seele nicht mehr nie-
der ſchlaͤgt;
Bey taͤglich ausgeſtandnem Tode, hats mit dem Tode keine
Noth;
Nach Joſua und Calebs Mode frißt ihn ein GOttes-Menſch
wie Brod.
Mein Hirt! wie komm ich doch hinuͤber. Das iſt der
Helden Glaubens-Wort,
Kaum iſts geredt, ſo ſind ſie druͤber. So gehts durchs gantze
Leben fort.
Gewiß! wenn einem bey dem Schmertze die Zeit und Weile
lange duͤnckt;
So wird ihm gantz geraum ums Hertze, wenn er in eine Ohn-
macht ſinckt.
So dachten wir, indem wir laſen: Louyſe hat den Lauf
vollbracht,
Uns war zum Abendmahl geblaſen, ihr zur Vollendungs-
Mitternacht.
Jndem
(*) Geſtern am 7. Decembr.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |