Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
1728.
Von dannen gieng sein Trieb in zweyen Sprossen aus,
Die biß ins Mähren-Land (e) und biß in (f) Ungarn reichen.
Der Andre (g) suchete bey denen Francken Raum,
Und auf der Ober-Birg bestreut' er seinen Boden:
Er war zu seiner Zeit ein Schatten-reicher Baum,
Die Reiser deckten drey (h) der ältesten Pagoden.
Zwey Aeste (i) rageten ins Sächsische Gebiet,
Und dieser Erde Herr (k) ergrif sie bey den Spitzen,
Um an demselben Ort, wo seine Raute blüht,
Jhr schwebend es Gewicht mit Macht zu unterstützen.
Der Erste bäumte sich biß an der Wolcken Bau,
Er machte seinem Plan ein prächtiges Gesichte,
Sein Schatten traf ein Theil der Ens beströmten Au: (l)
Doch, diesen Ast zerbrach sein eigenes Gewichte.
Der Andre neigete sich seinem Boden zu.
Sein wohlbelebtes Holtz gewann viel neue Sprossen,
Und barg sich unverhoft (m) ins Häynes stille Ruh,
Nachdem sich über ihm ein Kleeblatt zugeschlossen.
Der Blätter-reiche Zweig ward bald darauf versetzt,
Das alte Grafen-Hauß von Ortenburg zu zieren:
Allein, er hatte da die Augen kaum ergötzt,
So muste man ihn schon aus dem Gesicht verlieren.
Zwey Reiser waren noch die ausgeschlagne Bluth,
Des mit dem Seculo verdorrten Asts in Sachsen,
Auf
(e) Graf Ludwig von Zinzendorf, Käyserlicher würcklicher Geh. Rath,
General und Commendant auf dem Spielberge in Mähren.
(f) Graf Ferdinand, biß daher gewesener General zu Erlau in
Ungarn.
(g) Maximilianus Erasmus, Graf und Herr von Zin-
zendorf und Pottendorf.
(h) Alt-Ortenburg, Castell und Pol-
heim.
(i) Otto Christian, Konigl. Geh. Rath und General-Feld-
Zeugmeister, der ohne Erben verstorben, und Georg Ludwig,
würckl. Geh. Rath, der 1700. gar jung, mit Zurücklassung einer
Comtesse und zweyer Söhne verstorben.
(k) Chur-Fürst Joh.
Georg der Dritte.
(l) Er bekam den Gräfl. Zinzendorffischen
Lehen-Hof, dahin verschiedene Fürsten, Grafen und Herren ge-
hören.
(m) Graf Georgius Ludwig starb 6. Wochen nach der
Geburt des Autoris, und hinterließ nebst ihm Graf Friedrich
Christianen, und Gräfin Susannam Louysen, die einige Jahre dar-
auf als Gemahlin des regierenden Grafen zu Ortenburg und Cri-
chingen verstorben ist.
1728.
Von dannen gieng ſein Trieb in zweyen Sproſſen aus,
Die biß ins Maͤhren-Land (e) und biß in (f) Ungarn reichen.
Der Andre (g) ſuchete bey denen Francken Raum,
Und auf der Ober-Birg beſtreut’ er ſeinen Boden:
Er war zu ſeiner Zeit ein Schatten-reicher Baum,
Die Reiſer deckten drey (h) der aͤlteſten Pagoden.
Zwey Aeſte (i) rageten ins Saͤchſiſche Gebiet,
Und dieſer Erde Herr (k) ergrif ſie bey den Spitzen,
Um an demſelben Ort, wo ſeine Raute bluͤht,
Jhr ſchwebend es Gewicht mit Macht zu unterſtuͤtzen.
Der Erſte baͤumte ſich biß an der Wolcken Bau,
Er machte ſeinem Plan ein praͤchtiges Geſichte,
Sein Schatten traf ein Theil der Ens beſtroͤmten Au: (l)
Doch, dieſen Aſt zerbrach ſein eigenes Gewichte.
Der Andre neigete ſich ſeinem Boden zu.
Sein wohlbelebtes Holtz gewann viel neue Sproſſen,
Und barg ſich unverhoft (m) ins Haͤynes ſtille Ruh,
Nachdem ſich uͤber ihm ein Kleeblatt zugeſchloſſen.
Der Blaͤtter-reiche Zweig ward bald darauf verſetzt,
Das alte Grafen-Hauß von Ortenburg zu zieren:
Allein, er hatte da die Augen kaum ergoͤtzt,
So muſte man ihn ſchon aus dem Geſicht verlieren.
Zwey Reiſer waren noch die ausgeſchlagne Bluth,
Des mit dem Seculo verdorrten Aſts in Sachſen,
Auf
(e) Graf Ludwig von Zinzendorf, Kaͤyſerlicher wuͤrcklicher Geh. Rath,
General und Commendant auf dem Spielberge in Maͤhren.
(f) Graf Ferdinand, biß daher geweſener General zu Erlau in
Ungarn.
(g) Maximilianus Eraſmus, Graf und Herr von Zin-
zendorf und Pottendorf.
(h) Alt-Ortenburg, Caſtell und Pol-
heim.
(i) Otto Chriſtian, Konigl. Geh. Rath und General-Feld-
Zeugmeiſter, der ohne Erben verſtorben, und Georg Ludwig,
wuͤrckl. Geh. Rath, der 1700. gar jung, mit Zuruͤcklaſſung einer
Comteſſe und zweyer Soͤhne verſtorben.
(k) Chur-Fuͤrſt Joh.
Georg der Dritte.
(l) Er bekam den Graͤfl. Zinzendorffiſchen
Lehen-Hof, dahin verſchiedene Fuͤrſten, Grafen und Herren ge-
hoͤren.
(m) Graf Georgius Ludwig ſtarb 6. Wochen nach der
Geburt des Autoris, und hinterließ nebſt ihm Graf Friedrich
Chriſtianen, und Graͤfin Suſannam Louyſen, die einige Jahre dar-
auf als Gemahlin des regierenden Grafen zu Ortenburg und Cri-
chingen verſtorben iſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0152" n="142"/>
          <fw place="top" type="header">1728.</fw><lb/>
          <l>Von dannen gieng &#x017F;ein Trieb in zweyen Spro&#x017F;&#x017F;en aus,</l><lb/>
          <l>Die biß ins Ma&#x0364;hren-Land <note place="foot" n="(e)">Graf Ludwig von Zinzendorf, Ka&#x0364;y&#x017F;erlicher wu&#x0364;rcklicher Geh. Rath,<lb/>
General und Commendant auf dem Spielberge in Ma&#x0364;hren.</note> und biß in <note place="foot" n="(f)">Graf Ferdinand, biß daher gewe&#x017F;ener General zu Erlau in<lb/>
Ungarn.</note> Ungarn reichen.</l><lb/>
          <l>Der <hi rendition="#fr">Andre</hi> <note place="foot" n="(g)">Maximilianus Era&#x017F;mus, Graf und Herr von Zin-<lb/>
zendorf und Pottendorf.</note> &#x017F;uchete bey denen Francken Raum,</l><lb/>
          <l>Und auf der <hi rendition="#fr">Ober-Birg</hi> be&#x017F;treut&#x2019; er &#x017F;einen Boden:</l><lb/>
          <l>Er war zu &#x017F;einer Zeit ein Schatten-reicher Baum,</l><lb/>
          <l>Die Rei&#x017F;er deckten drey <note place="foot" n="(h)">Alt-Ortenburg, Ca&#x017F;tell und Pol-<lb/>
heim.</note> der a&#x0364;lte&#x017F;ten Pagoden.</l><lb/>
          <l>Zwey Ae&#x017F;te <note place="foot" n="(i)">Otto Chri&#x017F;tian, Konigl. Geh. Rath und General-Feld-<lb/>
Zeugmei&#x017F;ter, der ohne Erben ver&#x017F;torben, und Georg Ludwig,<lb/>
wu&#x0364;rckl. Geh. Rath, der 1700. gar jung, mit Zuru&#x0364;ckla&#x017F;&#x017F;ung einer<lb/>
Comte&#x017F;&#x017F;e und zweyer So&#x0364;hne ver&#x017F;torben.</note> rageten ins Sa&#x0364;ch&#x017F;i&#x017F;che Gebiet,</l><lb/>
          <l>Und die&#x017F;er Erde Herr <note place="foot" n="(k)">Chur-Fu&#x0364;r&#x017F;t Joh.<lb/>
Georg der Dritte.</note> ergrif &#x017F;ie bey den Spitzen,</l><lb/>
          <l>Um an dem&#x017F;elben Ort, wo &#x017F;eine Raute blu&#x0364;ht,</l><lb/>
          <l>Jhr &#x017F;chwebend es Gewicht mit Macht zu unter&#x017F;tu&#x0364;tzen.</l><lb/>
          <l>Der <hi rendition="#fr">Er&#x017F;te</hi> ba&#x0364;umte &#x017F;ich biß an der Wolcken Bau,</l><lb/>
          <l>Er machte &#x017F;einem Plan ein pra&#x0364;chtiges Ge&#x017F;ichte,</l><lb/>
          <l>Sein <hi rendition="#fr">Schatten</hi> traf ein Theil <hi rendition="#fr">der Ens be&#x017F;tro&#x0364;mten Au:</hi> <note place="foot" n="(l)">Er bekam den Gra&#x0364;fl. Zinzendorffi&#x017F;chen<lb/>
Lehen-Hof, dahin ver&#x017F;chiedene Fu&#x0364;r&#x017F;ten, Grafen und Herren ge-<lb/>
ho&#x0364;ren.</note></l><lb/>
          <l>Doch, die&#x017F;en A&#x017F;t zerbrach &#x017F;ein eigenes Gewichte.</l><lb/>
          <l>Der <hi rendition="#fr">Andre</hi> neigete &#x017F;ich &#x017F;einem Boden zu.</l><lb/>
          <l>Sein wohlbelebtes Holtz gewann viel neue Spro&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Und barg &#x017F;ich unverhoft <note place="foot" n="(m)">Graf Georgius Ludwig &#x017F;tarb 6. Wochen nach der<lb/>
Geburt des Autoris, und hinterließ neb&#x017F;t ihm Graf Friedrich<lb/>
Chri&#x017F;tianen, und Gra&#x0364;fin Su&#x017F;annam Louy&#x017F;en, die einige Jahre dar-<lb/>
auf als Gemahlin des regierenden Grafen zu Ortenburg und Cri-<lb/>
chingen ver&#x017F;torben i&#x017F;t.</note> ins Ha&#x0364;ynes &#x017F;tille Ruh,</l><lb/>
          <l>Nachdem &#x017F;ich u&#x0364;ber ihm <hi rendition="#fr">ein Kleeblatt</hi> zuge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Der <hi rendition="#fr">Bla&#x0364;tter-reiche Zweig</hi> ward bald darauf ver&#x017F;etzt,</l><lb/>
          <l>Das <hi rendition="#fr">alte Grafen-Hauß von Ortenburg</hi> zu zieren:</l><lb/>
          <l>Allein, er hatte da die Augen kaum ergo&#x0364;tzt,</l><lb/>
          <l>So mu&#x017F;te man ihn &#x017F;chon aus dem Ge&#x017F;icht verlieren.</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">Zwey Rei&#x017F;er</hi> waren noch die ausge&#x017F;chlagne Bluth,</l><lb/>
          <l>Des mit dem Seculo verdorrten A&#x017F;ts in Sach&#x017F;en,</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Auf</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0152] 1728. Von dannen gieng ſein Trieb in zweyen Sproſſen aus, Die biß ins Maͤhren-Land (e) und biß in (f) Ungarn reichen. Der Andre (g) ſuchete bey denen Francken Raum, Und auf der Ober-Birg beſtreut’ er ſeinen Boden: Er war zu ſeiner Zeit ein Schatten-reicher Baum, Die Reiſer deckten drey (h) der aͤlteſten Pagoden. Zwey Aeſte (i) rageten ins Saͤchſiſche Gebiet, Und dieſer Erde Herr (k) ergrif ſie bey den Spitzen, Um an demſelben Ort, wo ſeine Raute bluͤht, Jhr ſchwebend es Gewicht mit Macht zu unterſtuͤtzen. Der Erſte baͤumte ſich biß an der Wolcken Bau, Er machte ſeinem Plan ein praͤchtiges Geſichte, Sein Schatten traf ein Theil der Ens beſtroͤmten Au: (l) Doch, dieſen Aſt zerbrach ſein eigenes Gewichte. Der Andre neigete ſich ſeinem Boden zu. Sein wohlbelebtes Holtz gewann viel neue Sproſſen, Und barg ſich unverhoft (m) ins Haͤynes ſtille Ruh, Nachdem ſich uͤber ihm ein Kleeblatt zugeſchloſſen. Der Blaͤtter-reiche Zweig ward bald darauf verſetzt, Das alte Grafen-Hauß von Ortenburg zu zieren: Allein, er hatte da die Augen kaum ergoͤtzt, So muſte man ihn ſchon aus dem Geſicht verlieren. Zwey Reiſer waren noch die ausgeſchlagne Bluth, Des mit dem Seculo verdorrten Aſts in Sachſen, Auf (e) Graf Ludwig von Zinzendorf, Kaͤyſerlicher wuͤrcklicher Geh. Rath, General und Commendant auf dem Spielberge in Maͤhren. (f) Graf Ferdinand, biß daher geweſener General zu Erlau in Ungarn. (g) Maximilianus Eraſmus, Graf und Herr von Zin- zendorf und Pottendorf. (h) Alt-Ortenburg, Caſtell und Pol- heim. (i) Otto Chriſtian, Konigl. Geh. Rath und General-Feld- Zeugmeiſter, der ohne Erben verſtorben, und Georg Ludwig, wuͤrckl. Geh. Rath, der 1700. gar jung, mit Zuruͤcklaſſung einer Comteſſe und zweyer Soͤhne verſtorben. (k) Chur-Fuͤrſt Joh. Georg der Dritte. (l) Er bekam den Graͤfl. Zinzendorffiſchen Lehen-Hof, dahin verſchiedene Fuͤrſten, Grafen und Herren ge- hoͤren. (m) Graf Georgius Ludwig ſtarb 6. Wochen nach der Geburt des Autoris, und hinterließ nebſt ihm Graf Friedrich Chriſtianen, und Graͤfin Suſannam Louyſen, die einige Jahre dar- auf als Gemahlin des regierenden Grafen zu Ortenburg und Cri- chingen verſtorben iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/152
Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/152>, abgerufen am 24.11.2024.