Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1726. Jhr Seelen um den Stuhl, mit Palmen in den Händen, Wißt: Daß der neue Gast aus grosser Trübsal kömmt, Und daß der Feinde Drang sein Säiten-Spiel gehemmt; Drum helft des Lammes Lied ihm seliglich vollenden. Jhr Alten nehmet nun die theure Jüngerin, Den Preiß des Alterthums in diesem Jammerthale, Und bringt sie mit Gepräng zum Königlichen Saale, Auf den erhabnen Thron, vor euren Alten hin. Mein König! hast du nicht vom Creutz zum Stuhl der Ehren, Als Beyspiel deiner Schaar dich selbst zuerst erhöht: Weil diese Tochter nun vom Creutze heimwarts geht, So wird der Vater auch ihr deinen Stuhl nicht wehren. Jhr Geister! die ihr noch in leimern Hütten wohnt, Und habt die sel'ge Frau, als Aelteste, gekennet, Wie? daß nicht euer Hertz von heilgen Eifer brennet, Zu thun, wie sie gethan, zu bleiben wo sie thront? Jhr, dieser Edelsteu geehrteste Verwandte, Laßt euch ihr Glaubens-Licht nicht aus den Augen gehn, Jhr mögt ihr nahe seyn, ihr mögt von ihr entstehn, Gleicht dem entwichenen so hellen Diamante. Euch Armen dieser Welt schallt in die Jammer-Kluft: Jhr hätter euren Schatz auf einmal eingebüsset. Kein Wunder (wenn euch GOtt das Leiden nicht versüsset,) Es stürtzete der Gram euch mit ihr in die Gruft. Euch ruft ihr Wandel zu, ihr sogenannte Christen, Die ihr so GOtt-als Pflicht- und Ehr-vergessen seyd, Daß ihr mit lauter Stimm HErr HErr und Vater schreyt, Und dient doch heydnischen ja thierischen Gelüsten: Wie ist es immermehr mit eurem Thun bewandt, Wolt ihr nicht Christen seyn, was last ihr euch so nennen? Wie möcht ihr euch so gern von eurem Meister trennen, Da ich bald achzig Jahr mich wohl bey ihm befand. Du aber, sel'ger Geist, gedencke deiner Lieben, Und mahle sie dem HErrn in sein verwundtes Hertz: Das
1726. Jhr Seelen um den Stuhl, mit Palmen in den Haͤnden, Wißt: Daß der neue Gaſt aus groſſer Truͤbſal koͤmmt, Und daß der Feinde Drang ſein Saͤiten-Spiel gehemmt; Drum helft des Lammes Lied ihm ſeliglich vollenden. Jhr Alten nehmet nun die theure Juͤngerin, Den Preiß des Alterthums in dieſem Jammerthale, Und bringt ſie mit Gepraͤng zum Koͤniglichen Saale, Auf den erhabnen Thron, vor euren Alten hin. Mein Koͤnig! haſt du nicht vom Creutz zum Stuhl der Ehren, Als Beyſpiel deiner Schaar dich ſelbſt zuerſt erhoͤht: Weil dieſe Tochter nun vom Creutze heimwarts geht, So wird der Vater auch ihr deinen Stuhl nicht wehren. Jhr Geiſter! die ihr noch in leimern Huͤtten wohnt, Und habt die ſel’ge Frau, als Aelteſte, gekennet, Wie? daß nicht euer Hertz von heilgen Eifer brennet, Zu thun, wie ſie gethan, zu bleiben wo ſie thront? Jhr, dieſer Edelſteu geehrteſte Verwandte, Laßt euch ihr Glaubens-Licht nicht aus den Augen gehn, Jhr moͤgt ihr nahe ſeyn, ihr moͤgt von ihr entſtehn, Gleicht dem entwichenen ſo hellen Diamante. Euch Armen dieſer Welt ſchallt in die Jammer-Kluft: Jhr haͤtter euren Schatz auf einmal eingebuͤſſet. Kein Wunder (wenn euch GOtt das Leiden nicht verſuͤſſet,) Es ſtuͤrtzete der Gram euch mit ihr in die Gruft. Euch ruft ihr Wandel zu, ihr ſogenannte Chriſten, Die ihr ſo GOtt-als Pflicht- und Ehr-vergeſſen ſeyd, Daß ihr mit lauter Stimm HErr HErr und Vater ſchreyt, Und dient doch heydniſchen ja thieriſchen Geluͤſten: Wie iſt es immermehr mit eurem Thun bewandt, Wolt ihr nicht Chriſten ſeyn, was laſt ihr euch ſo nennen? Wie moͤcht ihr euch ſo gern von eurem Meiſter trennen, Da ich bald achzig Jahr mich wohl bey ihm befand. Du aber, ſel’ger Geiſt, gedencke deiner Lieben, Und mahle ſie dem HErrn in ſein verwundtes Hertz: Das
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1726.
Jhr Seelen um den Stuhl, mit Palmen in den Haͤnden,
Wißt: Daß der neue Gaſt aus groſſer Truͤbſal koͤmmt,
Und daß der Feinde Drang ſein Saͤiten-Spiel gehemmt;
Drum helft des Lammes Lied ihm ſeliglich vollenden.
Jhr Alten nehmet nun die theure Juͤngerin,
Den Preiß des Alterthums in dieſem Jammerthale,
Und bringt ſie mit Gepraͤng zum Koͤniglichen Saale,
Auf den erhabnen Thron, vor euren Alten hin.
Mein Koͤnig! haſt du nicht vom Creutz zum Stuhl der Ehren,
Als Beyſpiel deiner Schaar dich ſelbſt zuerſt erhoͤht:
Weil dieſe Tochter nun vom Creutze heimwarts geht,
So wird der Vater auch ihr deinen Stuhl nicht wehren.
Jhr Geiſter! die ihr noch in leimern Huͤtten wohnt,
Und habt die ſel’ge Frau, als Aelteſte, gekennet,
Wie? daß nicht euer Hertz von heilgen Eifer brennet,
Zu thun, wie ſie gethan, zu bleiben wo ſie thront?
Jhr, dieſer Edelſteu geehrteſte Verwandte,
Laßt euch ihr Glaubens-Licht nicht aus den Augen gehn,
Jhr moͤgt ihr nahe ſeyn, ihr moͤgt von ihr entſtehn,
Gleicht dem entwichenen ſo hellen Diamante.
Euch Armen dieſer Welt ſchallt in die Jammer-Kluft:
Jhr haͤtter euren Schatz auf einmal eingebuͤſſet.
Kein Wunder (wenn euch GOtt das Leiden nicht verſuͤſſet,)
Es ſtuͤrtzete der Gram euch mit ihr in die Gruft.
Euch ruft ihr Wandel zu, ihr ſogenannte Chriſten,
Die ihr ſo GOtt-als Pflicht- und Ehr-vergeſſen ſeyd,
Daß ihr mit lauter Stimm HErr HErr und Vater ſchreyt,
Und dient doch heydniſchen ja thieriſchen Geluͤſten:
Wie iſt es immermehr mit eurem Thun bewandt,
Wolt ihr nicht Chriſten ſeyn, was laſt ihr euch ſo nennen?
Wie moͤcht ihr euch ſo gern von eurem Meiſter trennen,
Da ich bald achzig Jahr mich wohl bey ihm befand.
Du aber, ſel’ger Geiſt, gedencke deiner Lieben,
Und mahle ſie dem HErrn in ſein verwundtes Hertz:
Das
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