Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1725. Auch hat er Grund dazu; weil Petrus ungescheut,Beym Leiden froh zu seyn, den Gläubigen gebeut. Und wenn ich von Verlust der Kinder reden solte, Verschrieb ich mich vielleicht, und spräche von Gewinn, Wenn auch ein Vater-Hertz vor Schmertzen brechen wolte, Jch fragte dennoch wohl: Wo mit den Kindern hin? Sie sollen mit der Zeit vor GOttes Throne stehn, Jsts nöthig, daß sie erst der Sünd ins Netze gehn? O seliger Verlust! So will ich stets verliehren, Wenn dadurch, daß mirs fehlt, die Liebe Zugang kriegt; Ein solcher Sieg ist werth darum zu triumphiren, Wo man den Feind zugleich gesehen und besiegt. Pflegt bey dergleichen Fall der Lust was abzugehn; So kan uns auch daraus nicht so viel Streit entstehn. Allein, wem wolte ich hiebey den Argwohn wehren, Daß dieser Ausspruch nur ein Eigenwille sey? Vielleicht beschweret es, die Kinder zu ernähren? Sie binden heftig an, man ist wohl lieber frey; Sie brauchen Sorg und Müh, man mühet sich nicht gern, Drum überläst man sie aus Trägheit an den HErrn? Wohlan! ich suche nicht dem Vorwurf auszuweichen: Jch halte, GOtt sey Danck! nichts auf Entschuldigung, Um aber meinen Zweck im Haupt-Punct zu erreichen; So ist diß eine Wort vielleicht Beweiß genung. Es setze sich ein Kind vergeblich aus der Ruh, So bald es Kummer hat, was doch der Vater thu. Gewiß, du theurer Freund, du liebes Kind der Liebe! Daß sich Jmmanuels schon lange nicht mehr schämt, Diß eben sammlet dir die ausgeschweiften Triebe; Diß macht, daß dein Gemüth sich heute nicht mehr grämt; Die Sorge presset dir kein banges Stehnen aus, Wer einen Vater hat, dem hält der Vater hauß. Du lässest deinen Sohn in allzu guten Händen, Die Schule, die er hier nur angefangen hat, Die mag er auf dem Schooß der Liebe vollends enden; Wo lernt man hurtiger? als in der neuen Stadt. Dein Auge, das bißher vor diesen Sohn gewacht, Das gebe führohin allein auf JEsum acht. Jch
1725. Auch hat er Grund dazu; weil Petrus ungeſcheut,Beym Leiden froh zu ſeyn, den Glaͤubigen gebeut. Und wenn ich von Verluſt der Kinder reden ſolte, Verſchrieb ich mich vielleicht, und ſpraͤche von Gewinn, Wenn auch ein Vater-Hertz vor Schmertzen brechen wolte, Jch fragte dennoch wohl: Wo mit den Kindern hin? Sie ſollen mit der Zeit vor GOttes Throne ſtehn, Jſts noͤthig, daß ſie erſt der Suͤnd ins Netze gehn? O ſeliger Verluſt! So will ich ſtets verliehren, Wenn dadurch, daß mirs fehlt, die Liebe Zugang kriegt; Ein ſolcher Sieg iſt werth darum zu triumphiren, Wo man den Feind zugleich geſehen und beſiegt. Pflegt bey dergleichen Fall der Luſt was abzugehn; So kan uns auch daraus nicht ſo viel Streit entſtehn. Allein, wem wolte ich hiebey den Argwohn wehren, Daß dieſer Ausſpruch nur ein Eigenwille ſey? Vielleicht beſchweret es, die Kinder zu ernaͤhren? Sie binden heftig an, man iſt wohl lieber frey; Sie brauchen Sorg und Muͤh, man muͤhet ſich nicht gern, Drum uͤberlaͤſt man ſie aus Traͤgheit an den HErrn? Wohlan! ich ſuche nicht dem Vorwurf auszuweichen: Jch halte, GOtt ſey Danck! nichts auf Entſchuldigung, Um aber meinen Zweck im Haupt-Punct zu erreichen; So iſt diß eine Wort vielleicht Beweiß genung. Es ſetze ſich ein Kind vergeblich aus der Ruh, So bald es Kummer hat, was doch der Vater thu. Gewiß, du theurer Freund, du liebes Kind der Liebe! Daß ſich Jmmanuels ſchon lange nicht mehr ſchaͤmt, Diß eben ſammlet dir die ausgeſchweiften Triebe; Diß macht, daß dein Gemuͤth ſich heute nicht mehr graͤmt; Die Sorge preſſet dir kein banges Stehnen aus, Wer einen Vater hat, dem haͤlt der Vater hauß. Du laͤſſeſt deinen Sohn in allzu guten Haͤnden, Die Schule, die er hier nur angefangen hat, Die mag er auf dem Schooß der Liebe vollends enden; Wo lernt man hurtiger? als in der neuen Stadt. Dein Auge, das bißher vor dieſen Sohn gewacht, Das gebe fuͤhrohin allein auf JEſum acht. Jch
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1725.
Auch hat er Grund dazu; weil Petrus ungeſcheut,
Beym Leiden froh zu ſeyn, den Glaͤubigen gebeut.
Und wenn ich von Verluſt der Kinder reden ſolte,
Verſchrieb ich mich vielleicht, und ſpraͤche von Gewinn,
Wenn auch ein Vater-Hertz vor Schmertzen brechen wolte,
Jch fragte dennoch wohl: Wo mit den Kindern hin?
Sie ſollen mit der Zeit vor GOttes Throne ſtehn,
Jſts noͤthig, daß ſie erſt der Suͤnd ins Netze gehn?
O ſeliger Verluſt! So will ich ſtets verliehren,
Wenn dadurch, daß mirs fehlt, die Liebe Zugang kriegt;
Ein ſolcher Sieg iſt werth darum zu triumphiren,
Wo man den Feind zugleich geſehen und beſiegt.
Pflegt bey dergleichen Fall der Luſt was abzugehn;
So kan uns auch daraus nicht ſo viel Streit entſtehn.
Allein, wem wolte ich hiebey den Argwohn wehren,
Daß dieſer Ausſpruch nur ein Eigenwille ſey?
Vielleicht beſchweret es, die Kinder zu ernaͤhren?
Sie binden heftig an, man iſt wohl lieber frey;
Sie brauchen Sorg und Muͤh, man muͤhet ſich nicht gern,
Drum uͤberlaͤſt man ſie aus Traͤgheit an den HErrn?
Wohlan! ich ſuche nicht dem Vorwurf auszuweichen:
Jch halte, GOtt ſey Danck! nichts auf Entſchuldigung,
Um aber meinen Zweck im Haupt-Punct zu erreichen;
So iſt diß eine Wort vielleicht Beweiß genung.
Es ſetze ſich ein Kind vergeblich aus der Ruh,
So bald es Kummer hat, was doch der Vater thu.
Gewiß, du theurer Freund, du liebes Kind der Liebe!
Daß ſich Jmmanuels ſchon lange nicht mehr ſchaͤmt,
Diß eben ſammlet dir die ausgeſchweiften Triebe;
Diß macht, daß dein Gemuͤth ſich heute nicht mehr graͤmt;
Die Sorge preſſet dir kein banges Stehnen aus,
Wer einen Vater hat, dem haͤlt der Vater hauß.
Du laͤſſeſt deinen Sohn in allzu guten Haͤnden,
Die Schule, die er hier nur angefangen hat,
Die mag er auf dem Schooß der Liebe vollends enden;
Wo lernt man hurtiger? als in der neuen Stadt.
Dein Auge, das bißher vor dieſen Sohn gewacht,
Das gebe fuͤhrohin allein auf JEſum acht.
Jch
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