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Zetkin, Clara: Das Frauenstimmrecht [Begründung zur Resolution: Das Frauenstimmrecht], in: Internationaler Sozialisten-Kongreß zu Stuttgart 18. bis 24. August 1907. Berlin, 1907, S. 40–48.

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muß von den Frauen geteilt werden. Die Verschärfung des Klassenkampfes
zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten steigert die Bedeutung, die der Er¬
weckung der Frau zum Klassenbewußtsein und ihrer Beteiligung an der prole¬
tarischen Emanzipationsbewegung zukommt. Das Erstarken der Gewerkschafts¬
organisation hat nicht -- wie bürgerliche hoffnungsvolle Toren erwarteten --
den sozialen Frieden gebracht, sondern die Aera der Riesenaussperrungen und
Riesenstreiks. Die zielbewußte Mitarbeit des Proletariats am politischen
Leben hat die schärfste Zuspitzung der politischen Kämpfe zur Folge, eine Zu¬
spitzung, die zu neuen Kampfesmethoden und Kampfesmitteln führt. Jn
Belgien und Holland hat das Proletariat seinen parlamentarischen Kampf durch
den politischen Massenstreik ergänzen müssen. Jn Rußland hat es die gleiche
Waffe in der Revolution mit höchstem Erfolge erprobt. Um die Wahlrechts¬
reform in Oesterreich den Gegnern zu entreißen, mußte das österreichische
Proletariat Gewehr bei Fuß stehen, das revolutionäre Kampfmittel des Massen¬
streiks bereit halten. Riesenstreiks und Riesenaussperrungen, vor allem aber re¬
volutionäre Massenstreiks legen dem Proletariat die höchsten Opfer auf. Und
diese Opfer kann es nicht, den besitzenden Klassen gleich, auf Mietlinge ab¬
wälzen, es kann sie nicht aus einem wohlgefüllten Geldsack bestreiten. Es
sind Opfer, die jedes einzelne kämpfende Glied der Klasse persönlich tragen
muß. Daher können sie nur gebracht werden, wann auch die Frauen des
Proletariats mit geschichtlicher Einsicht von der Notwendigkeit und der Be¬
deutung der Opfer erfüllt sind. Wie bedeutsam, ja unerläßlich die Durch¬
tränkung des weiblichen Proletariats mit sozialistischer Gesinnung ist, aus
der Opferfreudigkeit und Heldenmut fließt, hat gerade der glänzende öster¬
reichische Wahlrechtskampf gezeigt. Er hätte nicht siegreich durchgeführt werden
können, ohne die tätige Mitwirkung der proletarischen Frauen. Es muß be¬
sonders hervorgehoben werden, daß der Erfolg unserer österreichischen Brüder
ganz wesentlich mit ist eine Folge der Treue, der Arbeits- und Opferfreudigkeit
und des Mutes, als der Kampfestugenden, die unser österreichischen Ge¬
nossinnen im Kampfe bewiesen haben. (Bravo!)

Aus der kurz skizzierten Sachlage folgt, daß das Proletariat ein
praktisches Lebensinteresse an der politischen Gleichberechtigung des weiblichen
Geschlechts hat und zum Kampfe für das volle Bürgerrecht der Frau gedrängt
wird. Dieser Kampf rüttelt die Massen der Frauen auf und hilft sie zum
Klassenbewußtsein erziehen. Die Zuerkennung des Wahlrechts an die Frauen
ist die Voraussetzung für die zielbewußte Anteilnahme der Proletarierinnen
am proletarischen Klassenkampfe. Zugleich schafft sie den stärksten Anreiz, die
Erweckung, Sammlung und Schulung des weiblichen Proletariats mit dem
gleichen Eifer zu betreiben, wie die Aufklärung und Organisierung des männ¬
lichen Proletariats. Solange die Frau politisch eine Rechtlose ist, gilt sie auch
vielfach für eine Machtlose, der Einfluß, den sie trotzdem auf das politische Leben
zu üben vermag, wird unterschätzt. An der Börse des parlamentarischen Lebens
hat nur der Stimmzettel Kurswert. Die Kurzsichtigen, die im politischen
Kampf nur mit Mandaten und Stimmenzahlen rechnen, betrachten die Be¬
mühungen, das weibliche Proletariat zum klassenbewußten Leben zu erwecken,
als eine Art Kurzweil, als einen Luxus, den die Sozialdemokratie sich nur
gestatten dürfe, wenn sie Ueberfluß an Zeit, Kraft und Mitteln habe. Sie
übersehen das zwingende Klasseninteresse, welches das Proletariat dran hat,
daß der Klassenkampf auch in der Frauenwelt zur Entfaltung kommt und die
Proletarierin ihn zielbewußt an der Seite ihrer Brüder ausficht. Von dem
Augenblick an, wo die Frau politisch emanzipiert ist, eine Stimme für ein
Mandat zu vergeben hat, wird dieses Jnteresse auch den Kurzsichtigsten in
unseren Reihen klar. Es beginnt das Wettrennen aller Parteien um die
Stimmen der Proletarierinnen, denn diese bilden die Mehrheit des weiblichen
Geschlechts. Die sozialistischen Parteien müssen aber dafür sorgen, daß sie


muß von den Frauen geteilt werden. Die Verschärfung des Klassenkampfes
zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten steigert die Bedeutung, die der Er¬
weckung der Frau zum Klassenbewußtsein und ihrer Beteiligung an der prole¬
tarischen Emanzipationsbewegung zukommt. Das Erstarken der Gewerkschafts¬
organisation hat nicht — wie bürgerliche hoffnungsvolle Toren erwarteten —
den sozialen Frieden gebracht, sondern die Aera der Riesenaussperrungen und
Riesenstreiks. Die zielbewußte Mitarbeit des Proletariats am politischen
Leben hat die schärfste Zuspitzung der politischen Kämpfe zur Folge, eine Zu¬
spitzung, die zu neuen Kampfesmethoden und Kampfesmitteln führt. Jn
Belgien und Holland hat das Proletariat seinen parlamentarischen Kampf durch
den politischen Massenstreik ergänzen müssen. Jn Rußland hat es die gleiche
Waffe in der Revolution mit höchstem Erfolge erprobt. Um die Wahlrechts¬
reform in Oesterreich den Gegnern zu entreißen, mußte das österreichische
Proletariat Gewehr bei Fuß stehen, das revolutionäre Kampfmittel des Massen¬
streiks bereit halten. Riesenstreiks und Riesenaussperrungen, vor allem aber re¬
volutionäre Massenstreiks legen dem Proletariat die höchsten Opfer auf. Und
diese Opfer kann es nicht, den besitzenden Klassen gleich, auf Mietlinge ab¬
wälzen, es kann sie nicht aus einem wohlgefüllten Geldsack bestreiten. Es
sind Opfer, die jedes einzelne kämpfende Glied der Klasse persönlich tragen
muß. Daher können sie nur gebracht werden, wann auch die Frauen des
Proletariats mit geschichtlicher Einsicht von der Notwendigkeit und der Be¬
deutung der Opfer erfüllt sind. Wie bedeutsam, ja unerläßlich die Durch¬
tränkung des weiblichen Proletariats mit sozialistischer Gesinnung ist, aus
der Opferfreudigkeit und Heldenmut fließt, hat gerade der glänzende öster¬
reichische Wahlrechtskampf gezeigt. Er hätte nicht siegreich durchgeführt werden
können, ohne die tätige Mitwirkung der proletarischen Frauen. Es muß be¬
sonders hervorgehoben werden, daß der Erfolg unserer österreichischen Brüder
ganz wesentlich mit ist eine Folge der Treue, der Arbeits- und Opferfreudigkeit
und des Mutes, als der Kampfestugenden, die unser österreichischen Ge¬
nossinnen im Kampfe bewiesen haben. (Bravo!)

Aus der kurz skizzierten Sachlage folgt, daß das Proletariat ein
praktisches Lebensinteresse an der politischen Gleichberechtigung des weiblichen
Geschlechts hat und zum Kampfe für das volle Bürgerrecht der Frau gedrängt
wird. Dieser Kampf rüttelt die Massen der Frauen auf und hilft sie zum
Klassenbewußtsein erziehen. Die Zuerkennung des Wahlrechts an die Frauen
ist die Voraussetzung für die zielbewußte Anteilnahme der Proletarierinnen
am proletarischen Klassenkampfe. Zugleich schafft sie den stärksten Anreiz, die
Erweckung, Sammlung und Schulung des weiblichen Proletariats mit dem
gleichen Eifer zu betreiben, wie die Aufklärung und Organisierung des männ¬
lichen Proletariats. Solange die Frau politisch eine Rechtlose ist, gilt sie auch
vielfach für eine Machtlose, der Einfluß, den sie trotzdem auf das politische Leben
zu üben vermag, wird unterschätzt. An der Börse des parlamentarischen Lebens
hat nur der Stimmzettel Kurswert. Die Kurzsichtigen, die im politischen
Kampf nur mit Mandaten und Stimmenzahlen rechnen, betrachten die Be¬
mühungen, das weibliche Proletariat zum klassenbewußten Leben zu erwecken,
als eine Art Kurzweil, als einen Luxus, den die Sozialdemokratie sich nur
gestatten dürfe, wenn sie Ueberfluß an Zeit, Kraft und Mitteln habe. Sie
übersehen das zwingende Klasseninteresse, welches das Proletariat dran hat,
daß der Klassenkampf auch in der Frauenwelt zur Entfaltung kommt und die
Proletarierin ihn zielbewußt an der Seite ihrer Brüder ausficht. Von dem
Augenblick an, wo die Frau politisch emanzipiert ist, eine Stimme für ein
Mandat zu vergeben hat, wird dieses Jnteresse auch den Kurzsichtigsten in
unseren Reihen klar. Es beginnt das Wettrennen aller Parteien um die
Stimmen der Proletarierinnen, denn diese bilden die Mehrheit des weiblichen
Geschlechts. Die sozialistischen Parteien müssen aber dafür sorgen, daß sie

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[43/0005] muß von den Frauen geteilt werden. Die Verschärfung des Klassenkampfes zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten steigert die Bedeutung, die der Er¬ weckung der Frau zum Klassenbewußtsein und ihrer Beteiligung an der prole¬ tarischen Emanzipationsbewegung zukommt. Das Erstarken der Gewerkschafts¬ organisation hat nicht — wie bürgerliche hoffnungsvolle Toren erwarteten — den sozialen Frieden gebracht, sondern die Aera der Riesenaussperrungen und Riesenstreiks. Die zielbewußte Mitarbeit des Proletariats am politischen Leben hat die schärfste Zuspitzung der politischen Kämpfe zur Folge, eine Zu¬ spitzung, die zu neuen Kampfesmethoden und Kampfesmitteln führt. Jn Belgien und Holland hat das Proletariat seinen parlamentarischen Kampf durch den politischen Massenstreik ergänzen müssen. Jn Rußland hat es die gleiche Waffe in der Revolution mit höchstem Erfolge erprobt. Um die Wahlrechts¬ reform in Oesterreich den Gegnern zu entreißen, mußte das österreichische Proletariat Gewehr bei Fuß stehen, das revolutionäre Kampfmittel des Massen¬ streiks bereit halten. Riesenstreiks und Riesenaussperrungen, vor allem aber re¬ volutionäre Massenstreiks legen dem Proletariat die höchsten Opfer auf. Und diese Opfer kann es nicht, den besitzenden Klassen gleich, auf Mietlinge ab¬ wälzen, es kann sie nicht aus einem wohlgefüllten Geldsack bestreiten. Es sind Opfer, die jedes einzelne kämpfende Glied der Klasse persönlich tragen muß. Daher können sie nur gebracht werden, wann auch die Frauen des Proletariats mit geschichtlicher Einsicht von der Notwendigkeit und der Be¬ deutung der Opfer erfüllt sind. Wie bedeutsam, ja unerläßlich die Durch¬ tränkung des weiblichen Proletariats mit sozialistischer Gesinnung ist, aus der Opferfreudigkeit und Heldenmut fließt, hat gerade der glänzende öster¬ reichische Wahlrechtskampf gezeigt. Er hätte nicht siegreich durchgeführt werden können, ohne die tätige Mitwirkung der proletarischen Frauen. Es muß be¬ sonders hervorgehoben werden, daß der Erfolg unserer österreichischen Brüder ganz wesentlich mit ist eine Folge der Treue, der Arbeits- und Opferfreudigkeit und des Mutes, als der Kampfestugenden, die unser österreichischen Ge¬ nossinnen im Kampfe bewiesen haben. (Bravo!) Aus der kurz skizzierten Sachlage folgt, daß das Proletariat ein praktisches Lebensinteresse an der politischen Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts hat und zum Kampfe für das volle Bürgerrecht der Frau gedrängt wird. Dieser Kampf rüttelt die Massen der Frauen auf und hilft sie zum Klassenbewußtsein erziehen. Die Zuerkennung des Wahlrechts an die Frauen ist die Voraussetzung für die zielbewußte Anteilnahme der Proletarierinnen am proletarischen Klassenkampfe. Zugleich schafft sie den stärksten Anreiz, die Erweckung, Sammlung und Schulung des weiblichen Proletariats mit dem gleichen Eifer zu betreiben, wie die Aufklärung und Organisierung des männ¬ lichen Proletariats. Solange die Frau politisch eine Rechtlose ist, gilt sie auch vielfach für eine Machtlose, der Einfluß, den sie trotzdem auf das politische Leben zu üben vermag, wird unterschätzt. An der Börse des parlamentarischen Lebens hat nur der Stimmzettel Kurswert. Die Kurzsichtigen, die im politischen Kampf nur mit Mandaten und Stimmenzahlen rechnen, betrachten die Be¬ mühungen, das weibliche Proletariat zum klassenbewußten Leben zu erwecken, als eine Art Kurzweil, als einen Luxus, den die Sozialdemokratie sich nur gestatten dürfe, wenn sie Ueberfluß an Zeit, Kraft und Mitteln habe. Sie übersehen das zwingende Klasseninteresse, welches das Proletariat dran hat, daß der Klassenkampf auch in der Frauenwelt zur Entfaltung kommt und die Proletarierin ihn zielbewußt an der Seite ihrer Brüder ausficht. Von dem Augenblick an, wo die Frau politisch emanzipiert ist, eine Stimme für ein Mandat zu vergeben hat, wird dieses Jnteresse auch den Kurzsichtigsten in unseren Reihen klar. Es beginnt das Wettrennen aller Parteien um die Stimmen der Proletarierinnen, denn diese bilden die Mehrheit des weiblichen Geschlechts. Die sozialistischen Parteien müssen aber dafür sorgen, daß sie

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Zitationshilfe: Zetkin, Clara: Das Frauenstimmrecht [Begründung zur Resolution: Das Frauenstimmrecht], in: Internationaler Sozialisten-Kongreß zu Stuttgart 18. bis 24. August 1907. Berlin, 1907, S. 40–48, hier S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zetkin_frauenstimmrecht_1907/5>, abgerufen am 23.11.2024.