Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Assenat
als junge Fürsten. Sie hatten ihr anteil an der herlig-
keit ihres Vaters. Sie zogen auf in köstlichen kleidern.
Sie waren ohne einige sorge. Sie lebten in höchster
glükseeligkeit. Sie hatten überal einen freien zutrit.
Die schönheit/ die ihnen von beiden Eltern angebohren/
machte sie beliebt. Die tugend/ die geschikligkeit/ die
liebseeligkeit/ die alle ihr eigentuhm waren/ brachten sie
in gunst. Daher war auch kein Frauenzimmer/ das
ihnen nicht mit liebesblikken begegnete. Und davor flo-
hen sie keinesweges. Sie waren nicht schüchtern. Sie
durften ihnen wohl unter augen trähten.

Asanel/ eine einige Tochter und erbin des Reichs-
schatzmeisters/ war dem Manasse mit liebe sehr zuge-
tahn/ und er ihr auch nicht weniger. Lange zeit lag diese
liebes gluht unter der lodderasche verborgen. Techos/
des Reichskantzlers Sohn/ kahm endlich darzwischen.
Er begunte bei der Asanel auch haken anzuschlagen. Er
gab ihr seine liebe zu erkennen. Sie aber wiese ihn ab.
Sie gab vor/ daß sie ihrem Vater auf seinem todbette
versprochen/ unverehligt zu bleiben. Daher möchte er
seine liebe nur auf eine andere werfen. Bei ihr were
nichts auszurichten. Sie hette gäntzlich beschlossen in
ewiger keuschheit zu leben. Sie hette ihr festiglich vor-
gesetzt keinen ihre lebetage zu lieben. Das sei ihr schlus;
den wolte sie nicht ümstoßen. Das sei ihr vorsatz; der
stünde nimmermehr zu verändern. Techos hörete die-
ses mit traurigem hertzen an. Er verstumte so gar/ daß
eine guhte weile kein wort aus seinem munde ging.
Doch schöpfte er endlich wieder muht. Er hielt aber-
mahl an. Und dieses anhalten währete so lange und
mit solcher ungestühmigkeit/ bis Asanel ihm endlich
geboht nimmermehr wieder vor ihr angesicht zu
kommen.

Inzwischen hatte Manasse einen freien zutrit.
In dessen gegenwart war Asanel viel anders gesinnet.

Viel

Der Aſſenat
als junge Fuͤrſten. Sie hatten ihr anteil an der herlig-
keit ihres Vaters. Sie zogen auf in koͤſtlichen kleidern.
Sie waren ohne einige ſorge. Sie lebten in hoͤchſter
gluͤkſeeligkeit. Sie hatten uͤberal einen freien zutrit.
Die ſchoͤnheit/ die ihnen von beiden Eltern angebohren/
machte ſie beliebt. Die tugend/ die geſchikligkeit/ die
liebſeeligkeit/ die alle ihr eigentuhm waren/ brachten ſie
in gunſt. Daher war auch kein Frauenzimmer/ das
ihnen nicht mit liebesblikken begegnete. Und davor flo-
hen ſie keinesweges. Sie waren nicht ſchuͤchtern. Sie
durften ihnen wohl unter augen traͤhten.

Aſanel/ eine einige Tochter und erbin des Reichs-
ſchatzmeiſters/ war dem Manaſſe mit liebe ſehr zuge-
tahn/ und er ihr auch nicht weniger. Lange zeit lag dieſe
liebes gluht unter der lodderaſche verborgen. Techos/
des Reichskantzlers Sohn/ kahm endlich darzwiſchen.
Er begunte bei der Aſanel auch haken anzuſchlagen. Er
gab ihr ſeine liebe zu erkennen. Sie aber wieſe ihn ab.
Sie gab vor/ daß ſie ihrem Vater auf ſeinem todbette
verſprochen/ unverehligt zu bleiben. Daher moͤchte er
ſeine liebe nur auf eine andere werfen. Bei ihr were
nichts auszurichten. Sie hette gaͤntzlich beſchloſſen in
ewiger keuſchheit zu leben. Sie hette ihr feſtiglich vor-
geſetzt keinen ihre lebetage zu lieben. Das ſei ihr ſchlus;
den wolte ſie nicht uͤmſtoßen. Das ſei ihr vorſatz; der
ſtuͤnde nimmermehr zu veraͤndern. Techos hoͤrete die-
ſes mit traurigem hertzen an. Er verſtumte ſo gar/ daß
eine guhte weile kein wort aus ſeinem munde ging.
Doch ſchoͤpfte er endlich wieder muht. Er hielt aber-
mahl an. Und dieſes anhalten waͤhrete ſo lange und
mit ſolcher ungeſtuͤhmigkeit/ bis Aſanel ihm endlich
geboht nimmermehr wieder vor ihr angeſicht zu
kommen.

Inzwiſchen hatte Manaſſe einen freien zutrit.
In deſſen gegenwart war Aſanel viel anders geſinnet.

Viel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0334" n="310"/><fw place="top" type="header">Der A&#x017F;&#x017F;enat</fw><lb/>
als junge Fu&#x0364;r&#x017F;ten. Sie hatten ihr anteil an der herlig-<lb/>
keit ihres Vaters. Sie zogen auf in ko&#x0364;&#x017F;tlichen kleidern.<lb/>
Sie waren ohne einige &#x017F;orge. Sie lebten in ho&#x0364;ch&#x017F;ter<lb/>
glu&#x0364;k&#x017F;eeligkeit. Sie hatten u&#x0364;beral einen freien zutrit.<lb/>
Die &#x017F;cho&#x0364;nheit/ die ihnen von beiden Eltern angebohren/<lb/>
machte &#x017F;ie beliebt. Die tugend/ die ge&#x017F;chikligkeit/ die<lb/>
lieb&#x017F;eeligkeit/ die alle ihr eigentuhm waren/ brachten &#x017F;ie<lb/>
in gun&#x017F;t. Daher war auch kein Frauenzimmer/ das<lb/>
ihnen nicht mit liebesblikken begegnete. Und davor flo-<lb/>
hen &#x017F;ie keinesweges. Sie waren nicht &#x017F;chu&#x0364;chtern. Sie<lb/>
durften ihnen wohl unter augen tra&#x0364;hten.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">A&#x017F;anel/</hi> eine einige Tochter und erbin des Reichs-<lb/>
&#x017F;chatzmei&#x017F;ters/ war dem <hi rendition="#fr">Mana&#x017F;&#x017F;e</hi> mit liebe &#x017F;ehr zuge-<lb/>
tahn/ und er ihr auch nicht weniger. Lange zeit lag die&#x017F;e<lb/>
liebes gluht unter der loddera&#x017F;che verborgen. <hi rendition="#fr">Techos/</hi><lb/>
des Reichskantzlers Sohn/ kahm endlich darzwi&#x017F;chen.<lb/>
Er begunte bei der <hi rendition="#fr">A&#x017F;anel</hi> auch haken anzu&#x017F;chlagen. Er<lb/>
gab ihr &#x017F;eine liebe zu erkennen. Sie aber wie&#x017F;e ihn ab.<lb/>
Sie gab vor/ daß &#x017F;ie ihrem Vater auf &#x017F;einem todbette<lb/>
ver&#x017F;prochen/ unverehligt zu bleiben. Daher mo&#x0364;chte er<lb/>
&#x017F;eine liebe nur auf eine andere werfen. Bei ihr were<lb/>
nichts auszurichten. Sie hette ga&#x0364;ntzlich be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en in<lb/>
ewiger keu&#x017F;chheit zu leben. Sie hette ihr fe&#x017F;tiglich vor-<lb/>
ge&#x017F;etzt keinen ihre lebetage zu lieben. Das &#x017F;ei ihr &#x017F;chlus;<lb/>
den wolte &#x017F;ie nicht u&#x0364;m&#x017F;toßen. Das &#x017F;ei ihr vor&#x017F;atz; der<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;nde nimmermehr zu vera&#x0364;ndern. <hi rendition="#fr">Techos</hi> ho&#x0364;rete die-<lb/>
&#x017F;es mit traurigem hertzen an. Er ver&#x017F;tumte &#x017F;o gar/ daß<lb/>
eine guhte weile kein wort aus &#x017F;einem munde ging.<lb/>
Doch &#x017F;cho&#x0364;pfte er endlich wieder muht. Er hielt aber-<lb/>
mahl an. Und die&#x017F;es anhalten wa&#x0364;hrete &#x017F;o lange und<lb/>
mit &#x017F;olcher unge&#x017F;tu&#x0364;hmigkeit/ bis <hi rendition="#fr">A&#x017F;anel</hi> ihm endlich<lb/>
geboht nimmermehr wieder vor ihr ange&#x017F;icht zu<lb/>
kommen.</p><lb/>
        <p>Inzwi&#x017F;chen hatte <hi rendition="#fr">Mana&#x017F;&#x017F;e</hi> einen freien zutrit.<lb/>
In de&#x017F;&#x017F;en gegenwart war <hi rendition="#fr">A&#x017F;anel</hi> viel anders ge&#x017F;innet.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Viel</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0334] Der Aſſenat als junge Fuͤrſten. Sie hatten ihr anteil an der herlig- keit ihres Vaters. Sie zogen auf in koͤſtlichen kleidern. Sie waren ohne einige ſorge. Sie lebten in hoͤchſter gluͤkſeeligkeit. Sie hatten uͤberal einen freien zutrit. Die ſchoͤnheit/ die ihnen von beiden Eltern angebohren/ machte ſie beliebt. Die tugend/ die geſchikligkeit/ die liebſeeligkeit/ die alle ihr eigentuhm waren/ brachten ſie in gunſt. Daher war auch kein Frauenzimmer/ das ihnen nicht mit liebesblikken begegnete. Und davor flo- hen ſie keinesweges. Sie waren nicht ſchuͤchtern. Sie durften ihnen wohl unter augen traͤhten. Aſanel/ eine einige Tochter und erbin des Reichs- ſchatzmeiſters/ war dem Manaſſe mit liebe ſehr zuge- tahn/ und er ihr auch nicht weniger. Lange zeit lag dieſe liebes gluht unter der lodderaſche verborgen. Techos/ des Reichskantzlers Sohn/ kahm endlich darzwiſchen. Er begunte bei der Aſanel auch haken anzuſchlagen. Er gab ihr ſeine liebe zu erkennen. Sie aber wieſe ihn ab. Sie gab vor/ daß ſie ihrem Vater auf ſeinem todbette verſprochen/ unverehligt zu bleiben. Daher moͤchte er ſeine liebe nur auf eine andere werfen. Bei ihr were nichts auszurichten. Sie hette gaͤntzlich beſchloſſen in ewiger keuſchheit zu leben. Sie hette ihr feſtiglich vor- geſetzt keinen ihre lebetage zu lieben. Das ſei ihr ſchlus; den wolte ſie nicht uͤmſtoßen. Das ſei ihr vorſatz; der ſtuͤnde nimmermehr zu veraͤndern. Techos hoͤrete die- ſes mit traurigem hertzen an. Er verſtumte ſo gar/ daß eine guhte weile kein wort aus ſeinem munde ging. Doch ſchoͤpfte er endlich wieder muht. Er hielt aber- mahl an. Und dieſes anhalten waͤhrete ſo lange und mit ſolcher ungeſtuͤhmigkeit/ bis Aſanel ihm endlich geboht nimmermehr wieder vor ihr angeſicht zu kommen. Inzwiſchen hatte Manaſſe einen freien zutrit. In deſſen gegenwart war Aſanel viel anders geſinnet. Viel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/334
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/334>, abgerufen am 21.12.2024.