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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
net. Mein übermuht hat es verschuldet. Du tuhst
wohl/ daß du mich züchtigest. Es war dein Väterlicher
wille/ daß mich meine Brüder verkauften. Und dar-
üm bitte ich für sie/ daß du ihnen ihre missetaht ver-
gebest/ und ihre sünde nicht zurechnest. Ja ich flöhe
vor meinem Vater. Dan er ist trostloß/ das weis ich.
Erscheine ihm mit deinem göttlichen troste: Ach! er
ächtzet und grähmet sich üm meinet willen. Er ist
unruhig in seinem hertzen; ja betrübt ist er/ betrübt
bis in den tod: und darüm laß ihn deinen frieden
befriedigen/ und deine freude erfreuen. Ach! mich
deucht/ ich sehe ihn vor wehleiden zerschmeltzen; vor
hertzlichen schmertzen in trähnen zerfliessen. Mich
dünkt/ ich höre ihn vor trauren wimmerleichen/ und
rufen: ach! mein Sohn/ mein Sohn/ mein lieber
Sohn/ wo bistu? Wie kan es auch anders sein? Er
liebte mich/ als seine seele. Ich war sein einiger trost.
Ich war seine einige freude; der einige stab seines alters.
Aber ach siehe! was hat er nun. Dieser stab ist ihm
entrükket: diese freude ist ihm entzogen: dieser trost ist
ihm geraubet. Ich bin nunmehr so weit von seinen au-
gen entfernet. Ach! es jammert mich meines lieben
Vaters/ meines frommen Vaters/ meines traurigen
Vaters. Das hertz bricht mir/ wan ich an ihn gedenke:
ja es bricht mir in tausend stükke/ wan mir in den sin
kommet/ daß dieses mein unglük sein graues haar
in die grube wird bringen.

Indem er also erseufzete/ gelangte die Ismaelische
Gespanschaft vor das haus/ da sie ein zu kehren pflegte.
Josef stieg vom Elefanten herunter. Die Kaufwah-
ren warden abgelöset: die lasttiere in ihre ställe ge-
bracht/ und alles auf die seite geschaffet. Mitler weile
versamlete sich üm die Ismaeler herüm eine große män-
ge volkes. Fast iederman/ der in dieser gegend sich be-
sand/ vergaß des Buß- und bäht-tages. Alle Jung-

frauen

Der Aſſenat
net. Mein uͤbermuht hat es verſchuldet. Du tuhſt
wohl/ daß du mich zuͤchtigeſt. Es war dein Vaͤterlicher
wille/ daß mich meine Bruͤder verkauften. Und dar-
uͤm bitte ich fuͤr ſie/ daß du ihnen ihre miſſetaht ver-
gebeſt/ und ihre ſuͤnde nicht zurechneſt. Ja ich floͤhe
vor meinem Vater. Dan er iſt troſtloß/ das weis ich.
Erſcheine ihm mit deinem goͤttlichen troſte: Ach! er
aͤchtzet und graͤhmet ſich uͤm meinet willen. Er iſt
unruhig in ſeinem hertzen; ja betruͤbt iſt er/ betruͤbt
bis in den tod: und daruͤm laß ihn deinen frieden
befriedigen/ und deine freude erfreuen. Ach! mich
deucht/ ich ſehe ihn vor wehleiden zerſchmeltzen; vor
hertzlichen ſchmertzen in traͤhnen zerflieſſen. Mich
duͤnkt/ ich hoͤre ihn vor trauren wimmerleichen/ und
rufen: ach! mein Sohn/ mein Sohn/ mein lieber
Sohn/ wo biſtu? Wie kan es auch anders ſein? Er
liebte mich/ als ſeine ſeele. Ich war ſein einiger troſt.
Ich war ſeine einige freude; der einige ſtab ſeines alters.
Aber ach ſiehe! was hat er nun. Dieſer ſtab iſt ihm
entruͤkket: dieſe freude iſt ihm entzogen: dieſer troſt iſt
ihm geraubet. Ich bin nunmehr ſo weit von ſeinen au-
gen entfernet. Ach! es jammert mich meines lieben
Vaters/ meines frommen Vaters/ meines traurigen
Vaters. Das hertz bricht mir/ wan ich an ihn gedenke:
ja es bricht mir in tauſend ſtuͤkke/ wan mir in den ſin
kommet/ daß dieſes mein ungluͤk ſein graues haar
in die grube wird bringen.

Indem er alſo erſeufzete/ gelangte die Iſmaeliſche
Geſpanſchaft vor das haus/ da ſie ein zu kehren pflegte.
Joſef ſtieg vom Elefanten herunter. Die Kaufwah-
ren warden abgeloͤſet: die laſttiere in ihre ſtaͤlle ge-
bracht/ und alles auf die ſeite geſchaffet. Mitler weile
verſamlete ſich uͤm die Ismaeler heruͤm eine große maͤn-
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ſand/ vergaß des Buß- und baͤht-tages. Alle Jung-

frauen
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[4/0028] Der Aſſenat net. Mein uͤbermuht hat es verſchuldet. Du tuhſt wohl/ daß du mich zuͤchtigeſt. Es war dein Vaͤterlicher wille/ daß mich meine Bruͤder verkauften. Und dar- uͤm bitte ich fuͤr ſie/ daß du ihnen ihre miſſetaht ver- gebeſt/ und ihre ſuͤnde nicht zurechneſt. Ja ich floͤhe vor meinem Vater. Dan er iſt troſtloß/ das weis ich. Erſcheine ihm mit deinem goͤttlichen troſte: Ach! er aͤchtzet und graͤhmet ſich uͤm meinet willen. Er iſt unruhig in ſeinem hertzen; ja betruͤbt iſt er/ betruͤbt bis in den tod: und daruͤm laß ihn deinen frieden befriedigen/ und deine freude erfreuen. Ach! mich deucht/ ich ſehe ihn vor wehleiden zerſchmeltzen; vor hertzlichen ſchmertzen in traͤhnen zerflieſſen. Mich duͤnkt/ ich hoͤre ihn vor trauren wimmerleichen/ und rufen: ach! mein Sohn/ mein Sohn/ mein lieber Sohn/ wo biſtu? Wie kan es auch anders ſein? Er liebte mich/ als ſeine ſeele. Ich war ſein einiger troſt. Ich war ſeine einige freude; der einige ſtab ſeines alters. Aber ach ſiehe! was hat er nun. Dieſer ſtab iſt ihm entruͤkket: dieſe freude iſt ihm entzogen: dieſer troſt iſt ihm geraubet. Ich bin nunmehr ſo weit von ſeinen au- gen entfernet. Ach! es jammert mich meines lieben Vaters/ meines frommen Vaters/ meines traurigen Vaters. Das hertz bricht mir/ wan ich an ihn gedenke: ja es bricht mir in tauſend ſtuͤkke/ wan mir in den ſin kommet/ daß dieſes mein ungluͤk ſein graues haar in die grube wird bringen. Indem er alſo erſeufzete/ gelangte die Iſmaeliſche Geſpanſchaft vor das haus/ da ſie ein zu kehren pflegte. Joſef ſtieg vom Elefanten herunter. Die Kaufwah- ren warden abgeloͤſet: die laſttiere in ihre ſtaͤlle ge- bracht/ und alles auf die ſeite geſchaffet. Mitler weile verſamlete ſich uͤm die Ismaeler heruͤm eine große maͤn- ge volkes. Faſt iederman/ der in dieſer gegend ſich be- ſand/ vergaß des Buß- und baͤht-tages. Alle Jung- frauen

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/28>, abgerufen am 28.11.2024.