Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

fünftes Buch.
blieben. Ja sie salbeten sie auch überdas/ wider die
verwäsung/ mit allerhand kräftigen artzneien/ ehe sie
in gemelte Grabspitzen oder Grabgewölbe beigesetzt war-
den. Und darzu spahreten sie keine kosten.

Mit verwunderung war es zu sehen/ wie solche
Grabhöhlen so weit unter der erde hingingen. Eine war
immer grösser und köstlicher/ als die andere: und von
einer zur andern konte man allezeit durch schmahl aus-
gehauene gänge gelangen. Dieser höhlen und gänge sa-
he man so viel; auch lieffen sie so krum und so wunder-
seltzam in- und durch-einander herüm/ daß sie anders
nicht/ als ein Irgarten zu sein schienen. Sie erstrek-
ten sich nicht allein bis unter die Stadt/ derer meistes
teil auf diesen Grabgewölben stund; sondern auch/ un-
ter der Sandsee hin/ selbst bis an das Ammonische und
Serapische Götzenhaus in der Sarkischen wüste. Und
dieses kahm den Priestern sehr wohl zu statten; weil sie
ohne einiges ungemach/ vermittelst dieser höhlen/ von
beiderseits örtern zusammenkommen konten. Dan son-
sten hetten sie/ im reisen über der Sandsee hin/ nicht
allein der heftigen Sonnenhitze/ sondern auch dem über-
aus verdrüslichen sandstaube unterworfen sein müssen:
darunter die reisenden vielmahls/ wan es ein wenig
stürmet/ erstükt/ und mit sak- und pakke begraben wer-
den. Gemeiniglich waren solche Gewölbe funfzehen/
oder zwanzig füße lang/ und eben so breit; dergestalt
daß sie recht vierekkicht lagen. Auch stunden in den sel-
ben gemeiniglich vier reihen tafeln/ aus eben demselben
steine gehauen. Jede tafel war ohngefähr fünf füße
lang/ drittehalben breit/ und einen hoch. Hierauf
pflegte man die Leichen/ in höltzernen/ auch wohl stei-
nernen särgen/ zu setzen. An den seitenmauren sahe
man etliche Bilder der Egiptischen Beschirmgötzen in ei-
ner länglichrunten tafel/ mit vorwärtsgebükten gesich-
tern/ ihre aufsicht über die leichen anzudeuten/ ausge-

hauen.

fuͤnftes Buch.
blieben. Ja ſie ſalbeten ſie auch uͤberdas/ wider die
verwaͤſung/ mit allerhand kraͤftigen artzneien/ ehe ſie
in gemelte Grabſpitzen oder Grabgewoͤlbe beigeſetzt war-
den. Und darzu ſpahreten ſie keine koſten.

Mit verwunderung war es zu ſehen/ wie ſolche
Grabhoͤhlen ſo weit unter der erde hingingen. Eine war
immer groͤſſer und koͤſtlicher/ als die andere: und von
einer zur andern konte man allezeit durch ſchmahl aus-
gehauene gaͤnge gelangen. Dieſer hoͤhlen und gaͤnge ſa-
he man ſo viel; auch lieffen ſie ſo krum und ſo wunder-
ſeltzam in- und durch-einander heruͤm/ daß ſie anders
nicht/ als ein Irgarten zu ſein ſchienen. Sie erſtrek-
ten ſich nicht allein bis unter die Stadt/ derer meiſtes
teil auf dieſen Grabgewoͤlben ſtund; ſondern auch/ un-
ter der Sandſee hin/ ſelbſt bis an das Ammoniſche und
Serapiſche Goͤtzenhaus in der Sarkiſchen wuͤſte. Und
dieſes kahm den Prieſtern ſehr wohl zu ſtatten; weil ſie
ohne einiges ungemach/ vermittelſt dieſer hoͤhlen/ von
beiderſeits oͤrtern zuſammenkommen konten. Dan ſon-
ſten hetten ſie/ im reiſen uͤber der Sandſee hin/ nicht
allein der heftigen Sonnenhitze/ ſondern auch dem uͤber-
aus verdruͤslichen ſandſtaube unterworfen ſein muͤſſen:
darunter die reiſenden vielmahls/ wan es ein wenig
ſtuͤrmet/ erſtuͤkt/ und mit ſak- und pakke begraben wer-
den. Gemeiniglich waren ſolche Gewoͤlbe funfzehen/
oder zwanzig fuͤße lang/ und eben ſo breit; dergeſtalt
daß ſie recht vierekkicht lagen. Auch ſtunden in den ſel-
ben gemeiniglich vier reihen tafeln/ aus eben demſelben
ſteine gehauen. Jede tafel war ohngefaͤhr fuͤnf fuͤße
lang/ drittehalben breit/ und einen hoch. Hierauf
pflegte man die Leichen/ in hoͤltzernen/ auch wohl ſtei-
nernen ſaͤrgen/ zu ſetzen. An den ſeitenmauren ſahe
man etliche Bilder der Egiptiſchen Beſchirmgoͤtzen in ei-
ner laͤnglichrunten tafel/ mit vorwaͤrtsgebuͤkten geſich-
tern/ ihre aufſicht uͤber die leichen anzudeuten/ ausge-

hauen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0259" n="235"/><fw place="top" type="header">fu&#x0364;nftes Buch.</fw><lb/>
blieben. Ja &#x017F;ie &#x017F;albeten &#x017F;ie auch u&#x0364;berdas/ wider die<lb/>
verwa&#x0364;&#x017F;ung/ mit allerhand kra&#x0364;ftigen artzneien/ ehe &#x017F;ie<lb/>
in gemelte Grab&#x017F;pitzen oder Grabgewo&#x0364;lbe beige&#x017F;etzt war-<lb/>
den. Und darzu &#x017F;pahreten &#x017F;ie keine ko&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>Mit verwunderung war es zu &#x017F;ehen/ wie &#x017F;olche<lb/>
Grabho&#x0364;hlen &#x017F;o weit unter der erde hingingen. Eine war<lb/>
immer gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er und ko&#x0364;&#x017F;tlicher/ als die andere: und von<lb/>
einer zur andern konte man allezeit durch &#x017F;chmahl aus-<lb/>
gehauene ga&#x0364;nge gelangen. Die&#x017F;er ho&#x0364;hlen und ga&#x0364;nge &#x017F;a-<lb/>
he man &#x017F;o viel; auch lieffen &#x017F;ie &#x017F;o krum und &#x017F;o wunder-<lb/>
&#x017F;eltzam in- und durch-einander heru&#x0364;m/ daß &#x017F;ie anders<lb/>
nicht/ als ein Irgarten zu &#x017F;ein &#x017F;chienen. Sie er&#x017F;trek-<lb/>
ten &#x017F;ich nicht allein bis unter die Stadt/ derer mei&#x017F;tes<lb/>
teil auf die&#x017F;en Grabgewo&#x0364;lben &#x017F;tund; &#x017F;ondern auch/ un-<lb/>
ter der Sand&#x017F;ee hin/ &#x017F;elb&#x017F;t bis an das Ammoni&#x017F;che und<lb/>
Serapi&#x017F;che Go&#x0364;tzenhaus in der Sarki&#x017F;chen wu&#x0364;&#x017F;te. Und<lb/>
die&#x017F;es kahm den Prie&#x017F;tern &#x017F;ehr wohl zu &#x017F;tatten; weil &#x017F;ie<lb/>
ohne einiges ungemach/ vermittel&#x017F;t die&#x017F;er ho&#x0364;hlen/ von<lb/>
beider&#x017F;eits o&#x0364;rtern zu&#x017F;ammenkommen konten. Dan &#x017F;on-<lb/>
&#x017F;ten hetten &#x017F;ie/ im rei&#x017F;en u&#x0364;ber der Sand&#x017F;ee hin/ nicht<lb/>
allein der heftigen Sonnenhitze/ &#x017F;ondern auch dem u&#x0364;ber-<lb/>
aus verdru&#x0364;slichen &#x017F;and&#x017F;taube unterworfen &#x017F;ein mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en:<lb/>
darunter die rei&#x017F;enden vielmahls/ wan es ein wenig<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmet/ er&#x017F;tu&#x0364;kt/ und mit &#x017F;ak- und pakke begraben wer-<lb/>
den. Gemeiniglich waren &#x017F;olche Gewo&#x0364;lbe funfzehen/<lb/>
oder zwanzig fu&#x0364;ße lang/ und eben &#x017F;o breit; derge&#x017F;talt<lb/>
daß &#x017F;ie recht vierekkicht lagen. Auch &#x017F;tunden in den &#x017F;el-<lb/>
ben gemeiniglich vier reihen tafeln/ aus eben dem&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;teine gehauen. Jede tafel war ohngefa&#x0364;hr fu&#x0364;nf fu&#x0364;ße<lb/>
lang/ drittehalben breit/ und einen hoch. Hierauf<lb/>
pflegte man die Leichen/ in ho&#x0364;ltzernen/ auch wohl &#x017F;tei-<lb/>
nernen &#x017F;a&#x0364;rgen/ zu &#x017F;etzen. An den &#x017F;eitenmauren &#x017F;ahe<lb/>
man etliche Bilder der Egipti&#x017F;chen Be&#x017F;chirmgo&#x0364;tzen in ei-<lb/>
ner la&#x0364;nglichrunten tafel/ mit vorwa&#x0364;rtsgebu&#x0364;kten ge&#x017F;ich-<lb/>
tern/ ihre auf&#x017F;icht u&#x0364;ber die leichen anzudeuten/ ausge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hauen.</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0259] fuͤnftes Buch. blieben. Ja ſie ſalbeten ſie auch uͤberdas/ wider die verwaͤſung/ mit allerhand kraͤftigen artzneien/ ehe ſie in gemelte Grabſpitzen oder Grabgewoͤlbe beigeſetzt war- den. Und darzu ſpahreten ſie keine koſten. Mit verwunderung war es zu ſehen/ wie ſolche Grabhoͤhlen ſo weit unter der erde hingingen. Eine war immer groͤſſer und koͤſtlicher/ als die andere: und von einer zur andern konte man allezeit durch ſchmahl aus- gehauene gaͤnge gelangen. Dieſer hoͤhlen und gaͤnge ſa- he man ſo viel; auch lieffen ſie ſo krum und ſo wunder- ſeltzam in- und durch-einander heruͤm/ daß ſie anders nicht/ als ein Irgarten zu ſein ſchienen. Sie erſtrek- ten ſich nicht allein bis unter die Stadt/ derer meiſtes teil auf dieſen Grabgewoͤlben ſtund; ſondern auch/ un- ter der Sandſee hin/ ſelbſt bis an das Ammoniſche und Serapiſche Goͤtzenhaus in der Sarkiſchen wuͤſte. Und dieſes kahm den Prieſtern ſehr wohl zu ſtatten; weil ſie ohne einiges ungemach/ vermittelſt dieſer hoͤhlen/ von beiderſeits oͤrtern zuſammenkommen konten. Dan ſon- ſten hetten ſie/ im reiſen uͤber der Sandſee hin/ nicht allein der heftigen Sonnenhitze/ ſondern auch dem uͤber- aus verdruͤslichen ſandſtaube unterworfen ſein muͤſſen: darunter die reiſenden vielmahls/ wan es ein wenig ſtuͤrmet/ erſtuͤkt/ und mit ſak- und pakke begraben wer- den. Gemeiniglich waren ſolche Gewoͤlbe funfzehen/ oder zwanzig fuͤße lang/ und eben ſo breit; dergeſtalt daß ſie recht vierekkicht lagen. Auch ſtunden in den ſel- ben gemeiniglich vier reihen tafeln/ aus eben demſelben ſteine gehauen. Jede tafel war ohngefaͤhr fuͤnf fuͤße lang/ drittehalben breit/ und einen hoch. Hierauf pflegte man die Leichen/ in hoͤltzernen/ auch wohl ſtei- nernen ſaͤrgen/ zu ſetzen. An den ſeitenmauren ſahe man etliche Bilder der Egiptiſchen Beſchirmgoͤtzen in ei- ner laͤnglichrunten tafel/ mit vorwaͤrtsgebuͤkten geſich- tern/ ihre aufſicht uͤber die leichen anzudeuten/ ausge- hauen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/259
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/259>, abgerufen am 27.11.2024.