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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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fünftes Buch.
wagen erblikken konte. Ja viele streueten palmenzwei-
gen vor ihm her: andere vielerlei bluhmen. Damit la-
gen alle straßen bedekt/ wo er durchhinfuhr.

Es war nun hoher mittag. Eben machte die sonne
den kürtzesten schatten/ als Josef wieder nach der Burg
zu kehrete. Unterdessen hörete doch die freude des vol-
kes nicht auf. Wer nur etwas vermochte/ der hatte
seine nachbaren und freunde zu gaste. Man teilete den
armen reichlich aus; ja etliche liessen sie speisen. Diese
algemeine freude währete bis in die sinkende nacht. Al-
le reden/ die man hörete/ waren vom Josef. Sein lob
erklung durch die gantze stadt. Eines ieden mund war
vol seines ruhmes. Sie priesen seine fürtrefliche schön-
heit/ sein über aus leutseeliges wesen. Die ihn niemahls
reden gehöret/ urteileten dannoch von seiner so volkom-
menen Tugend aus den Augen: die als zween unbetrüg-
liche verrähter des hertzens weren. Sein gantzes Ange-
sicht/ sagten sie/ da man die Seele/ als auf einem öf-
fentlichen markte/ mit den euserlichen dingen handeln
siehet/ zeigt es genug an/ was vor edle schätze sein hertz
verbürget. Wir seind glüklich/ daß wir einen solchen/
den die Götter so volkommen geschaffen/ über uns her-
schen sehen. Das gantze Egipten hat ein großes von
ihm zu hoffen. Wir alle haben dem Himmel nicht ge-
nug zu danken. An diesen und mehr dergleichen reden
war des volkes vergnügung gnugsam zu spühren. Ja
sie bezeugten/ durch ihre milde gastfreiheit/ und große
freude/ mehr als genug/ daß die worte mit dem hertzen
übereinstimmeten.

Noch zween tage blieb Josef auf der Burg. Inner-
halb dieser zeit redete er mit dem Könige von allem/
was des Reichs wohlfahrt betraf. Fort und fort wa-
ren sie beieinander. Alles/ was Josef riet/ ward be-
liebet. Seine rahtschläge hatten ein weites aussehen.
Sie gingen durch die instehenden sieben reichen jahre/

bis
N v

fuͤnftes Buch.
wagen erblikken konte. Ja viele ſtreueten palmenzwei-
gen vor ihm her: andere vielerlei bluhmen. Damit la-
gen alle ſtraßen bedekt/ wo er durchhinfuhr.

Es war nun hoher mittag. Eben machte die ſonne
den kuͤrtzeſten ſchatten/ als Joſef wieder nach der Burg
zu kehrete. Unterdeſſen hoͤrete doch die freude des vol-
kes nicht auf. Wer nur etwas vermochte/ der hatte
ſeine nachbaren und freunde zu gaſte. Man teilete den
armen reichlich aus; ja etliche lieſſen ſie ſpeiſen. Dieſe
algemeine freude waͤhrete bis in die ſinkende nacht. Al-
le reden/ die man hoͤrete/ waren vom Joſef. Sein lob
erklung durch die gantze ſtadt. Eines ieden mund war
vol ſeines ruhmes. Sie prieſen ſeine fuͤrtrefliche ſchoͤn-
heit/ ſein uͤber aus leutſeeliges weſen. Die ihn niemahls
reden gehoͤret/ urteileten dannoch von ſeiner ſo volkom-
menen Tugend aus den Augen: die als zween unbetruͤg-
liche verraͤhter des hertzens weren. Sein gantzes Ange-
ſicht/ ſagten ſie/ da man die Seele/ als auf einem oͤf-
fentlichen markte/ mit den euſerlichen dingen handeln
ſiehet/ zeigt es genug an/ was vor edle ſchaͤtze ſein hertz
verbuͤrget. Wir ſeind gluͤklich/ daß wir einen ſolchen/
den die Goͤtter ſo volkommen geſchaffen/ uͤber uns her-
ſchen ſehen. Das gantze Egipten hat ein großes von
ihm zu hoffen. Wir alle haben dem Himmel nicht ge-
nug zu danken. An dieſen und mehr dergleichen reden
war des volkes vergnuͤgung gnugſam zu ſpuͤhren. Ja
ſie bezeugten/ durch ihre milde gaſtfreiheit/ und große
freude/ mehr als genug/ daß die worte mit dem hertzen
uͤbereinſtimmeten.

Noch zween tage blieb Joſef auf der Burg. Inner-
halb dieſer zeit redete er mit dem Koͤnige von allem/
was des Reichs wohlfahrt betraf. Fort und fort wa-
ren ſie beieinander. Alles/ was Joſef riet/ ward be-
liebet. Seine rahtſchlaͤge hatten ein weites ausſehen.
Sie gingen durch die inſtehenden ſieben reichen jahre/

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[201/0225] fuͤnftes Buch. wagen erblikken konte. Ja viele ſtreueten palmenzwei- gen vor ihm her: andere vielerlei bluhmen. Damit la- gen alle ſtraßen bedekt/ wo er durchhinfuhr. Es war nun hoher mittag. Eben machte die ſonne den kuͤrtzeſten ſchatten/ als Joſef wieder nach der Burg zu kehrete. Unterdeſſen hoͤrete doch die freude des vol- kes nicht auf. Wer nur etwas vermochte/ der hatte ſeine nachbaren und freunde zu gaſte. Man teilete den armen reichlich aus; ja etliche lieſſen ſie ſpeiſen. Dieſe algemeine freude waͤhrete bis in die ſinkende nacht. Al- le reden/ die man hoͤrete/ waren vom Joſef. Sein lob erklung durch die gantze ſtadt. Eines ieden mund war vol ſeines ruhmes. Sie prieſen ſeine fuͤrtrefliche ſchoͤn- heit/ ſein uͤber aus leutſeeliges weſen. Die ihn niemahls reden gehoͤret/ urteileten dannoch von ſeiner ſo volkom- menen Tugend aus den Augen: die als zween unbetruͤg- liche verraͤhter des hertzens weren. Sein gantzes Ange- ſicht/ ſagten ſie/ da man die Seele/ als auf einem oͤf- fentlichen markte/ mit den euſerlichen dingen handeln ſiehet/ zeigt es genug an/ was vor edle ſchaͤtze ſein hertz verbuͤrget. Wir ſeind gluͤklich/ daß wir einen ſolchen/ den die Goͤtter ſo volkommen geſchaffen/ uͤber uns her- ſchen ſehen. Das gantze Egipten hat ein großes von ihm zu hoffen. Wir alle haben dem Himmel nicht ge- nug zu danken. An dieſen und mehr dergleichen reden war des volkes vergnuͤgung gnugſam zu ſpuͤhren. Ja ſie bezeugten/ durch ihre milde gaſtfreiheit/ und große freude/ mehr als genug/ daß die worte mit dem hertzen uͤbereinſtimmeten. Noch zween tage blieb Joſef auf der Burg. Inner- halb dieſer zeit redete er mit dem Koͤnige von allem/ was des Reichs wohlfahrt betraf. Fort und fort wa- ren ſie beieinander. Alles/ was Joſef riet/ ward be- liebet. Seine rahtſchlaͤge hatten ein weites ausſehen. Sie gingen durch die inſtehenden ſieben reichen jahre/ bis N v

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/225>, abgerufen am 27.04.2024.