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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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vierdes Buch.
fenster in ihrem hof ausging/ gesessen. Alhier hatte sie
sich bei nächtlicher weile vielmahls finden laßen/ einen
versuch zu tuhn/ ob sie den gefangenen Josef nicht itzund
bewegen könte. Sie hatte ihm angebohten/ ihn aus
diesem loche zu erlösen/ so bald er nur angelobte ihren
willen zu volbringen. Aber Josef liebte seine fessel und
bande mehr/ als eine solche freiheit/ die er durch den
verlust seiner keuschheit erlangen solte. Nicht einen
einigen trieb/ der darnach zu wolte/ empfand er in sei-
ner seele. Und also stellete sie dem Keuschen Josef selbst
in seinem gefängnüsse nach. Aber die treue vorsorge der
liebreichen Nitokris benahm ihr diesen weg. Sie ret-
tete den Josef aus diesem loche. Und hiermit hatte
Sefira alle ihre hofnung verlohren. Hiermit verän-
derte sich ihre Liebeskrankheit in eine rechte Leibeskrank-
heit. Ja sie ward so krank/ daß die Aertzte an ihrem le-
ben zu zweifeln begunten.

Als nun Sefira sahe/ daß ihr ende vor handen/ so
dachte sie auf mittel den Josef aus dem wege zu reu-
men; damit er ja keiner andern zu teil würde. Ihre
eifersucht trieb sie so weit/ daß sie beschlos/ ihm einen
gifttrank beibringen zu laßen. Solchen giftigen an-
schlag entdekte sie ihrer Kammerjungfrau. Aber diese
war viel zu ehrlich solches schandstükke zu verschweigen.
Viel weniger wolte sie damit zu schaffen haben. Sie
offenbahrte es der Nitokris. Diese schrieb an den Ge-
fängnüs meister straks einen Brief; welcher also lau-
tete:

Diejenige hand/ welche neulich den König-
lichen Gefängnusmeister gewürdiget an ihn zu
schreiben/ befielet ihm noch einmahl den
Josef
wohl in acht zu nehmen. Auch wird ihm in ge-
heim berichtet/ daß man vorhat gemelten Ge-
fangenen mit gifte zu tödten. Darüm wil ich/
daß er zur stunde gewarnet/ und wohl bewah-

ret
K v

vierdes Buch.
fenſter in ihrem hof ausging/ geſeſſen. Alhier hatte ſie
ſich bei naͤchtlicher weile vielmahls finden laßen/ einen
verſuch zu tuhn/ ob ſie den gefangenen Joſef nicht itzund
bewegen koͤnte. Sie hatte ihm angebohten/ ihn aus
dieſem loche zu erloͤſen/ ſo bald er nur angelobte ihren
willen zu volbringen. Aber Joſef liebte ſeine feſſel und
bande mehr/ als eine ſolche freiheit/ die er durch den
verluſt ſeiner keuſchheit erlangen ſolte. Nicht einen
einigen trieb/ der darnach zu wolte/ empfand er in ſei-
ner ſeele. Und alſo ſtellete ſie dem Keuſchen Joſef ſelbſt
in ſeinem gefaͤngnuͤſſe nach. Aber die treue vorſorge der
liebreichen Nitokris benahm ihr dieſen weg. Sie ret-
tete den Joſef aus dieſem loche. Und hiermit hatte
Sefira alle ihre hofnung verlohren. Hiermit veraͤn-
derte ſich ihre Liebeskrankheit in eine rechte Leibeskrank-
heit. Ja ſie ward ſo krank/ daß die Aertzte an ihrem le-
ben zu zweifeln begunten.

Als nun Sefira ſahe/ daß ihr ende vor handen/ ſo
dachte ſie auf mittel den Joſef aus dem wege zu reu-
men; damit er ja keiner andern zu teil wuͤrde. Ihre
eiferſucht trieb ſie ſo weit/ daß ſie beſchlos/ ihm einen
gifttrank beibringen zu laßen. Solchen giftigen an-
ſchlag entdekte ſie ihrer Kammerjungfrau. Aber dieſe
war viel zu ehrlich ſolches ſchandſtuͤkke zu verſchweigen.
Viel weniger wolte ſie damit zu ſchaffen haben. Sie
offenbahrte es der Nitokris. Dieſe ſchrieb an den Ge-
faͤngnuͤs meiſter ſtraks einen Brief; welcher alſo lau-
tete:

Diejenige hand/ welche neulich den Koͤnig-
lichen Gefaͤngnůsmeiſter gewuͤrdiget an ihn zu
ſchreiben/ befielet ihm noch einmahl den
Joſef
wohl in acht zu nehmen. Auch wird ihm in ge-
heim berichtet/ daß man vorhat gemelten Ge-
fangenen mit gifte zu toͤdten. Daruͤm wil ich/
daß er zur ſtunde gewarnet/ und wohl bewah-

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[153/0177] vierdes Buch. fenſter in ihrem hof ausging/ geſeſſen. Alhier hatte ſie ſich bei naͤchtlicher weile vielmahls finden laßen/ einen verſuch zu tuhn/ ob ſie den gefangenen Joſef nicht itzund bewegen koͤnte. Sie hatte ihm angebohten/ ihn aus dieſem loche zu erloͤſen/ ſo bald er nur angelobte ihren willen zu volbringen. Aber Joſef liebte ſeine feſſel und bande mehr/ als eine ſolche freiheit/ die er durch den verluſt ſeiner keuſchheit erlangen ſolte. Nicht einen einigen trieb/ der darnach zu wolte/ empfand er in ſei- ner ſeele. Und alſo ſtellete ſie dem Keuſchen Joſef ſelbſt in ſeinem gefaͤngnuͤſſe nach. Aber die treue vorſorge der liebreichen Nitokris benahm ihr dieſen weg. Sie ret- tete den Joſef aus dieſem loche. Und hiermit hatte Sefira alle ihre hofnung verlohren. Hiermit veraͤn- derte ſich ihre Liebeskrankheit in eine rechte Leibeskrank- heit. Ja ſie ward ſo krank/ daß die Aertzte an ihrem le- ben zu zweifeln begunten. Als nun Sefira ſahe/ daß ihr ende vor handen/ ſo dachte ſie auf mittel den Joſef aus dem wege zu reu- men; damit er ja keiner andern zu teil wuͤrde. Ihre eiferſucht trieb ſie ſo weit/ daß ſie beſchlos/ ihm einen gifttrank beibringen zu laßen. Solchen giftigen an- ſchlag entdekte ſie ihrer Kammerjungfrau. Aber dieſe war viel zu ehrlich ſolches ſchandſtuͤkke zu verſchweigen. Viel weniger wolte ſie damit zu ſchaffen haben. Sie offenbahrte es der Nitokris. Dieſe ſchrieb an den Ge- faͤngnuͤs meiſter ſtraks einen Brief; welcher alſo lau- tete: Diejenige hand/ welche neulich den Koͤnig- lichen Gefaͤngnůsmeiſter gewuͤrdiget an ihn zu ſchreiben/ befielet ihm noch einmahl den Joſef wohl in acht zu nehmen. Auch wird ihm in ge- heim berichtet/ daß man vorhat gemelten Ge- fangenen mit gifte zu toͤdten. Daruͤm wil ich/ daß er zur ſtunde gewarnet/ und wohl bewah- ret K v

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/177>, abgerufen am 30.12.2024.