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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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drittes Buch.
so ein köstlicher schatz ihr dermahleins solte zu eigen
werden.

Eine zeit darnach fing Sefira ihr altes Lied wieder
an. Sie bestürmte das keusche hertz Josefs aufs neue.
Sie gab ihm ihr begehren noch deutlicher zu verstehen.
Ach! sagte sie/ ist dan euer hertz so gar hart und unbe-
weglich/ daß es mit meinen schmertzen kein einiges mit-
leiden haben kan? Ist es dan lauter demant? Ist es dan
lauter stahl? Oder ist es von der ahrt der grimmigen
tiere? Einen demant kan man mit boksbluhte/ wie man
saget/ bearbeiten. Das stahl wird durch das feuer
schmeidig: und das wildeste und grimmigste tier mit
guhten worten gezähmet. Aber bei euch verfangen keine
worte/ wie guht und freundlich sie seind. Das feuer
der liebe/ wie heftig es flakkert/ kan euch nicht entzün-
den. Meine trähnen/ wie heuffig sie fliessen/ können
euch nicht erweichen. Meine seustzer/ wie jämmerlich
sie ächtzen/ können euch nicht bewegen. Ich elende! ich
trübseelige! was sol ich beginnen?

Hierauf stund sie eine weile/ als entzükt. Sie sprach
kein wort. Sie bewegte sich auch nicht. Endlich fing sie
plötzlich wieder an. Neulich klagtet ihr über mich/ als
wan ich euch versuchen wolte/ als wan ich euch in mei-
nes Herrn ungnade zu bringen trachtete. Aber es wa-
ren nur nichtige ausflüchte. Ach! liebster Josef/ ich
versichere euch/ ja ich schwöre euch bei den höchsten Göt-
tern/ daß ich euch wahrhaftig liebe/ daß ich euch hertzlich
meine. Eure schönheit/ eure tugend liebe ich über alles/
was in der welt ist. Diese seind es/ die mir meine schmer-
tzen verursachen/ ach! die allererschröklichsten schmertzen!
die allerunerträglichsten schmertzen! Und darüm bitte
ich/ ja ich flöhe euch an/ mir/ durch einige gegenliebe/
lindrung zu schaffen. Sonst mus ich sterben. Ich sehe
sonst keine andere auskunft/ wo ich eurer liebe nicht ge-
niesse. Und hiermit sank sie in ohnmacht zur erde nieder.

Jo-
H v

drittes Buch.
ſo ein koͤſtlicher ſchatz ihr dermahleins ſolte zu eigen
werden.

Eine zeit darnach fing Sefira ihr altes Lied wieder
an. Sie beſtuͤrmte das keuſche hertz Joſefs aufs neue.
Sie gab ihm ihr begehren noch deutlicher zu verſtehen.
Ach! ſagte ſie/ iſt dan euer hertz ſo gar hart und unbe-
weglich/ daß es mit meinen ſchmertzen kein einiges mit-
leiden haben kan? Iſt es dan lauter demant? Iſt es dan
lauter ſtahl? Oder iſt es von der ahrt der grimmigen
tiere? Einen demant kan man mit boksbluhte/ wie man
ſaget/ bearbeiten. Das ſtahl wird durch das feuer
ſchmeidig: und das wildeſte und grimmigſte tier mit
guhten worten gezaͤhmet. Aber bei euch verfangen keine
worte/ wie guht und freundlich ſie ſeind. Das feuer
der liebe/ wie heftig es flakkert/ kan euch nicht entzuͤn-
den. Meine traͤhnen/ wie heuffig ſie flieſſen/ koͤnnen
euch nicht erweichen. Meine ſeuſtzer/ wie jaͤmmerlich
ſie aͤchtzen/ koͤnnen euch nicht bewegen. Ich elende! ich
truͤbſeelige! was ſol ich beginnen?

Hierauf ſtund ſie eine weile/ als entzuͤkt. Sie ſprach
kein wort. Sie bewegte ſich auch nicht. Endlich fing ſie
ploͤtzlich wieder an. Neulich klagtet ihr uͤber mich/ als
wan ich euch verſuchen wolte/ als wan ich euch in mei-
nes Herꝛn ungnade zu bringen trachtete. Aber es wa-
ren nur nichtige ausfluͤchte. Ach! liebſter Joſef/ ich
verſichere euch/ ja ich ſchwoͤre euch bei den hoͤchſten Goͤt-
tern/ daß ich euch wahrhaftig liebe/ daß ich euch hertzlich
meine. Eure ſchoͤnheit/ eure tugend liebe ich uͤber alles/
was in der welt iſt. Dieſe ſeind es/ die mir meine ſchmer-
tzen verurſachen/ ach! die allererſchroͤklichſten ſchmertzen!
die allerunertraͤglichſten ſchmertzen! Und daruͤm bitte
ich/ ja ich floͤhe euch an/ mir/ durch einige gegenliebe/
lindrung zu ſchaffen. Sonſt mus ich ſterben. Ich ſehe
ſonſt keine andere auskunft/ wo ich eurer liebe nicht ge-
nieſſe. Und hiermit ſank ſie in ohnmacht zur erde nieder.

Jo-
H v
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[121/0145] drittes Buch. ſo ein koͤſtlicher ſchatz ihr dermahleins ſolte zu eigen werden. Eine zeit darnach fing Sefira ihr altes Lied wieder an. Sie beſtuͤrmte das keuſche hertz Joſefs aufs neue. Sie gab ihm ihr begehren noch deutlicher zu verſtehen. Ach! ſagte ſie/ iſt dan euer hertz ſo gar hart und unbe- weglich/ daß es mit meinen ſchmertzen kein einiges mit- leiden haben kan? Iſt es dan lauter demant? Iſt es dan lauter ſtahl? Oder iſt es von der ahrt der grimmigen tiere? Einen demant kan man mit boksbluhte/ wie man ſaget/ bearbeiten. Das ſtahl wird durch das feuer ſchmeidig: und das wildeſte und grimmigſte tier mit guhten worten gezaͤhmet. Aber bei euch verfangen keine worte/ wie guht und freundlich ſie ſeind. Das feuer der liebe/ wie heftig es flakkert/ kan euch nicht entzuͤn- den. Meine traͤhnen/ wie heuffig ſie flieſſen/ koͤnnen euch nicht erweichen. Meine ſeuſtzer/ wie jaͤmmerlich ſie aͤchtzen/ koͤnnen euch nicht bewegen. Ich elende! ich truͤbſeelige! was ſol ich beginnen? Hierauf ſtund ſie eine weile/ als entzuͤkt. Sie ſprach kein wort. Sie bewegte ſich auch nicht. Endlich fing ſie ploͤtzlich wieder an. Neulich klagtet ihr uͤber mich/ als wan ich euch verſuchen wolte/ als wan ich euch in mei- nes Herꝛn ungnade zu bringen trachtete. Aber es wa- ren nur nichtige ausfluͤchte. Ach! liebſter Joſef/ ich verſichere euch/ ja ich ſchwoͤre euch bei den hoͤchſten Goͤt- tern/ daß ich euch wahrhaftig liebe/ daß ich euch hertzlich meine. Eure ſchoͤnheit/ eure tugend liebe ich uͤber alles/ was in der welt iſt. Dieſe ſeind es/ die mir meine ſchmer- tzen verurſachen/ ach! die allererſchroͤklichſten ſchmertzen! die allerunertraͤglichſten ſchmertzen! Und daruͤm bitte ich/ ja ich floͤhe euch an/ mir/ durch einige gegenliebe/ lindrung zu ſchaffen. Sonſt mus ich ſterben. Ich ſehe ſonſt keine andere auskunft/ wo ich eurer liebe nicht ge- nieſſe. Und hiermit ſank ſie in ohnmacht zur erde nieder. Jo- H v

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/145>, abgerufen am 08.05.2024.