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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
ihre unfruchtbarkeit betrübt ist. Sie wird/ nächst der
hülfe Gottes/ den ich fleissig darüm bitten wil/ wohl be-
fruchtet werden. Sie habe nur einen guhten muht. Sie
traure nicht. Sie brauche dieses mittel. Sie wird mit
einem jungen Herrlein erfreuet werden/ ehe sie sich dessen
versiehet. Ach! fing sie ihm das wort auf/ wo solte die-
se freude herkommen? Woher sol ich ein Söhnlein ge-
bähren? Mein Herr ist ein alter/ beinah sechzigjähriger
Fürst. Das Kinderzeugen ist ihm vergangen: die lust
selbsten darzu. Von ihm ist nichts zu hoffen. Kan
man von heerlingen wohl weinbeere pflükken? Kan
man aus leerem strohe wohl Korn dräschen? Es ist alles
üm sonst. Meine Frau sei getrost/ fing Josef hierauf
an. Sie verzweifle nicht. Beides/ das ihrem Herren
vergangen/ wird sich wohl wieder finden. Sie rufe nur
eifrig zu Gott/ und brauche darbei dieses mittel.

Eben als Josef diese worte redete/ ward eine tühre
über seiner schlafkammer eröfnet. Das geknarre höre-
ten sie gantz eigendlich. Darzu vernahmen sie einen
schleichenden gang. Dieses verursachte/ daß die Für-
stin/ mit der Artznei/ eilend aus der Kammer lief. Ja
sie lies selbst das licht stehen/ und lief im dunkelen. Dan
sie befahrete sich/ sie möchte verrahten werden. Man
kan ihm leichtlich einbilden/ mit was vor gedanken sie
vom Josef geschieden. Wir wollen ihre verrähter
nicht sein. Wer alhier ihre reden/ die sie dem Josef
zur antwort gegeben/ lieset/ wird sie selbsten unschweer
errahten.

Mitlerweile erfuhr Nitokris/ daß Potifar den
Josef ins gefängnüs geworfen/ und hernach gar
gekauft. Nun sahe sie den schönen Leibeigenen in Po-
tifars
Schlosse. Sie sahe ihn bei einer jungen wohllü-
stigen Fraue. Darüber schöpfte sie seltzame gedanken.
Hier/ dachte sie/ wird es auf die bedeutung unserer treu-
me ausdrehen. Hier haben wir nun den jungen Stier

und

Der Aſſenat
ihre unfruchtbarkeit betruͤbt iſt. Sie wird/ naͤchſt der
huͤlfe Gottes/ den ich fleiſſig daruͤm bitten wil/ wohl be-
fruchtet werden. Sie habe nur einen guhten muht. Sie
traure nicht. Sie brauche dieſes mittel. Sie wird mit
einem jungen Herꝛlein erfreuet werden/ ehe ſie ſich deſſen
verſiehet. Ach! fing ſie ihm das wort auf/ wo ſolte die-
ſe freude herkommen? Woher ſol ich ein Soͤhnlein ge-
baͤhren? Mein Herꝛ iſt ein alter/ beinah ſechzigjaͤhriger
Fuͤrſt. Das Kinderzeugen iſt ihm vergangen: die luſt
ſelbſten darzu. Von ihm iſt nichts zu hoffen. Kan
man von heerlingen wohl weinbeere pfluͤkken? Kan
man aus leerem ſtrohe wohl Korn draͤſchen? Es iſt alles
uͤm ſonſt. Meine Frau ſei getroſt/ fing Joſef hierauf
an. Sie verzweifle nicht. Beides/ das ihrem Herren
vergangen/ wird ſich wohl wieder finden. Sie rufe nur
eifrig zu Gott/ und brauche darbei dieſes mittel.

Eben als Joſef dieſe worte redete/ ward eine tuͤhre
uͤber ſeiner ſchlafkammer eroͤfnet. Das geknarre hoͤre-
ten ſie gantz eigendlich. Darzu vernahmen ſie einen
ſchleichenden gang. Dieſes verurſachte/ daß die Fuͤr-
ſtin/ mit der Artznei/ eilend aus der Kammer lief. Ja
ſie lies ſelbſt das licht ſtehen/ und lief im dunkelen. Dan
ſie befahrete ſich/ ſie moͤchte verrahten werden. Man
kan ihm leichtlich einbilden/ mit was vor gedanken ſie
vom Joſef geſchieden. Wir wollen ihre verraͤhter
nicht ſein. Wer alhier ihre reden/ die ſie dem Joſef
zur antwort gegeben/ lieſet/ wird ſie ſelbſten unſchweer
errahten.

Mitlerweile erfuhr Nitokris/ daß Potifar den
Joſef ins gefaͤngnuͤs geworfen/ und hernach gar
gekauft. Nun ſahe ſie den ſchoͤnen Leibeigenen in Po-
tifars
Schloſſe. Sie ſahe ihn bei einer jungen wohlluͤ-
ſtigen Fraue. Daruͤber ſchoͤpfte ſie ſeltzame gedanken.
Hier/ dachte ſie/ wird es auf die bedeutung unſerer treu-
me ausdrehen. Hier haben wir nun den jungen Stier

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[104/0128] Der Aſſenat ihre unfruchtbarkeit betruͤbt iſt. Sie wird/ naͤchſt der huͤlfe Gottes/ den ich fleiſſig daruͤm bitten wil/ wohl be- fruchtet werden. Sie habe nur einen guhten muht. Sie traure nicht. Sie brauche dieſes mittel. Sie wird mit einem jungen Herꝛlein erfreuet werden/ ehe ſie ſich deſſen verſiehet. Ach! fing ſie ihm das wort auf/ wo ſolte die- ſe freude herkommen? Woher ſol ich ein Soͤhnlein ge- baͤhren? Mein Herꝛ iſt ein alter/ beinah ſechzigjaͤhriger Fuͤrſt. Das Kinderzeugen iſt ihm vergangen: die luſt ſelbſten darzu. Von ihm iſt nichts zu hoffen. Kan man von heerlingen wohl weinbeere pfluͤkken? Kan man aus leerem ſtrohe wohl Korn draͤſchen? Es iſt alles uͤm ſonſt. Meine Frau ſei getroſt/ fing Joſef hierauf an. Sie verzweifle nicht. Beides/ das ihrem Herren vergangen/ wird ſich wohl wieder finden. Sie rufe nur eifrig zu Gott/ und brauche darbei dieſes mittel. Eben als Joſef dieſe worte redete/ ward eine tuͤhre uͤber ſeiner ſchlafkammer eroͤfnet. Das geknarre hoͤre- ten ſie gantz eigendlich. Darzu vernahmen ſie einen ſchleichenden gang. Dieſes verurſachte/ daß die Fuͤr- ſtin/ mit der Artznei/ eilend aus der Kammer lief. Ja ſie lies ſelbſt das licht ſtehen/ und lief im dunkelen. Dan ſie befahrete ſich/ ſie moͤchte verrahten werden. Man kan ihm leichtlich einbilden/ mit was vor gedanken ſie vom Joſef geſchieden. Wir wollen ihre verraͤhter nicht ſein. Wer alhier ihre reden/ die ſie dem Joſef zur antwort gegeben/ lieſet/ wird ſie ſelbſten unſchweer errahten. Mitlerweile erfuhr Nitokris/ daß Potifar den Joſef ins gefaͤngnuͤs geworfen/ und hernach gar gekauft. Nun ſahe ſie den ſchoͤnen Leibeigenen in Po- tifars Schloſſe. Sie ſahe ihn bei einer jungen wohlluͤ- ſtigen Fraue. Daruͤber ſchoͤpfte ſie ſeltzame gedanken. Hier/ dachte ſie/ wird es auf die bedeutung unſerer treu- me ausdrehen. Hier haben wir nun den jungen Stier und

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/128>, abgerufen am 08.05.2024.