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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

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Der Mittag.
Melancholische Klagen, die ihren Geliebten beweinet,
Den ihr der mördrische Habicht geraubt. Es picken,
und hacken

Hundert Schnäbel am mosichten Zweig, und suchen
sich Nahrung,

Oder berauben den Kopf der brennendblühenden Distel.
Jn dem sonnichten Vorholz lauscht der schimmernde
Rothschwanz,

Und schießt nach dem bunten Jnsekt. Nicht glänzende
Farben,

Noch die güldenen Schwingen, erretten den Stutzer des
Sommers.

Auch die Fürstin des Sängergeschlechts, die Nachtigall
schlüpfet

Jn den Gesträuchen herum; mit gierigfunkelnden Au-
gen

Fährt sie auf den sich krümmenden Wurm. Sie singet
nun nicht mehr

Zärtliche Lieder dem Hain; und klebt, gleich niedrigen
Seelen,

An der Erde, beschwert mit Sorgen schmutziger Nah-
rung,

Hart von Gefühl; verstummt zu edlen harmonischen
Tönen.

So sang oft, begeistert von dir, o himmlische Tugend,
Einer bewundernden Welt der Dichter erhabene Lieder:

Doch

Der Mittag.
Melancholiſche Klagen, die ihren Geliebten beweinet,
Den ihr der moͤrdriſche Habicht geraubt. Es picken,
und hacken

Hundert Schnaͤbel am moſichten Zweig, und ſuchen
ſich Nahrung,

Oder berauben den Kopf der brennendbluͤhenden Diſtel.
Jn dem ſonnichten Vorholz lauſcht der ſchimmernde
Rothſchwanz,

Und ſchießt nach dem bunten Jnſekt. Nicht glaͤnzende
Farben,

Noch die guͤldenen Schwingen, erretten den Stutzer des
Sommers.

Auch die Fuͤrſtin des Saͤngergeſchlechts, die Nachtigall
ſchluͤpfet

Jn den Geſtraͤuchen herum; mit gierigfunkelnden Au-
gen

Faͤhrt ſie auf den ſich kruͤmmenden Wurm. Sie ſinget
nun nicht mehr

Zaͤrtliche Lieder dem Hain; und klebt, gleich niedrigen
Seelen,

An der Erde, beſchwert mit Sorgen ſchmutziger Nah-
rung,

Hart von Gefuͤhl; verſtummt zu edlen harmoniſchen
Toͤnen.

So ſang oft, begeiſtert von dir, o himmliſche Tugend,
Einer bewundernden Welt der Dichter erhabene Lieder:

Doch
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[58/0066] Der Mittag. Melancholiſche Klagen, die ihren Geliebten beweinet, Den ihr der moͤrdriſche Habicht geraubt. Es picken, und hacken Hundert Schnaͤbel am moſichten Zweig, und ſuchen ſich Nahrung, Oder berauben den Kopf der brennendbluͤhenden Diſtel. Jn dem ſonnichten Vorholz lauſcht der ſchimmernde Rothſchwanz, Und ſchießt nach dem bunten Jnſekt. Nicht glaͤnzende Farben, Noch die guͤldenen Schwingen, erretten den Stutzer des Sommers. Auch die Fuͤrſtin des Saͤngergeſchlechts, die Nachtigall ſchluͤpfet Jn den Geſtraͤuchen herum; mit gierigfunkelnden Au- gen Faͤhrt ſie auf den ſich kruͤmmenden Wurm. Sie ſinget nun nicht mehr Zaͤrtliche Lieder dem Hain; und klebt, gleich niedrigen Seelen, An der Erde, beſchwert mit Sorgen ſchmutziger Nah- rung, Hart von Gefuͤhl; verſtummt zu edlen harmoniſchen Toͤnen. So ſang oft, begeiſtert von dir, o himmliſche Tugend, Einer bewundernden Welt der Dichter erhabene Lieder: Doch

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/66>, abgerufen am 17.05.2024.