Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Der Morgen. Nicht so der prächtigen Stadt. Jn ihre geöfnetenThore Zieht der Seegen des Landes, entweder auf seufzenden Achsen, Oder auch auf belastetem Rücken des emsigen Land- manns. Unruh, Getümmel und Lärm, schwirrt durch bevölkerte Strassen. Mancher Morgengesang, mit wilden Flüchen vermi- schet, Und begleitet vom langsamen Schlag des Hammers, erschallet Aus der Werkstatt des Künstlers. Von weissen Ge- zelten bedecket Steht der Markt; und Handlung und Tausch, mit der blassen Gewinnsucht, Spornen die Sterblichen an. Viel tausend verschie- dene Stimmen Füllen die Luft; sie brauset und wallt, wie Wogen des Meeres, Die mit heiserem Ton an rauhen Gestaden sich brechen. Welch ein Ueberfluß strömt in diese verschwendrischen Thore! Und was würgt nicht der Mensch, um seinem Gau- men zu schmeicheln! Siehe! hier liegt das schuldlose Lamm, erst gestern von Wiesen, Wo es spielte, der Mutter geraubt, und der Wollust geopfert. Selber
Der Morgen. Nicht ſo der praͤchtigen Stadt. Jn ihre geoͤfnetenThore Zieht der Seegen des Landes, entweder auf ſeufzenden Achſen, Oder auch auf belaſtetem Ruͤcken des emſigen Land- manns. Unruh, Getuͤmmel und Laͤrm, ſchwirrt durch bevoͤlkerte Straſſen. Mancher Morgengeſang, mit wilden Fluͤchen vermi- ſchet, Und begleitet vom langſamen Schlag des Hammers, erſchallet Aus der Werkſtatt des Kuͤnſtlers. Von weiſſen Ge- zelten bedecket Steht der Markt; und Handlung und Tauſch, mit der blaſſen Gewinnſucht, Spornen die Sterblichen an. Viel tauſend verſchie- dene Stimmen Fuͤllen die Luft; ſie brauſet und wallt, wie Wogen des Meeres, Die mit heiſerem Ton an rauhen Geſtaden ſich brechen. Welch ein Ueberfluß ſtroͤmt in dieſe verſchwendriſchen Thore! Und was wuͤrgt nicht der Menſch, um ſeinem Gau- men zu ſchmeicheln! Siehe! hier liegt das ſchuldloſe Lamm, erſt geſtern von Wieſen, Wo es ſpielte, der Mutter geraubt, und der Wolluſt geopfert. Selber
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Der Morgen.
Nicht ſo der praͤchtigen Stadt. Jn ihre geoͤfneten
Thore
Zieht der Seegen des Landes, entweder auf ſeufzenden
Achſen,
Oder auch auf belaſtetem Ruͤcken des emſigen Land-
manns.
Unruh, Getuͤmmel und Laͤrm, ſchwirrt durch bevoͤlkerte
Straſſen.
Mancher Morgengeſang, mit wilden Fluͤchen vermi-
ſchet,
Und begleitet vom langſamen Schlag des Hammers,
erſchallet
Aus der Werkſtatt des Kuͤnſtlers. Von weiſſen Ge-
zelten bedecket
Steht der Markt; und Handlung und Tauſch, mit der
blaſſen Gewinnſucht,
Spornen die Sterblichen an. Viel tauſend verſchie-
dene Stimmen
Fuͤllen die Luft; ſie brauſet und wallt, wie Wogen des
Meeres,
Die mit heiſerem Ton an rauhen Geſtaden ſich brechen.
Welch ein Ueberfluß ſtroͤmt in dieſe verſchwendriſchen
Thore!
Und was wuͤrgt nicht der Menſch, um ſeinem Gau-
men zu ſchmeicheln!
Siehe! hier liegt das ſchuldloſe Lamm, erſt geſtern
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