Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

Bild:
<< vorherige Seite

Der Morgen.
Zitternd verschwinden die Sterne; der helle Bote des
Morgens,

Luzifer, blinket allein mit matten verlöschenden Stra-
len

Durch den unendlichen Raum des weiten ätherischen
Reiches.

Vom Gefolge der Nacht entwischen indessen die
Träume

Gauckelnd zurück, und schwärmen auf bunten flattern-
den Flügeln

Ueber den Häuptern der Menschen herum in zahllosen
Schaaren.

Denn der Morgen, der ietzt den sanftesten Schlummer
verstreuet,

Schafft in der leichteren Seele den freyen mittleren Zu-
stand,

Zwischen dem tiefesten Schlaf und dem ersten leichten
Erwachen,

Jhrer bemeistert sich ietzt die Phantasey. Von dem
Haupte

Weht ihr der wallende Federbusch hin; die goldenen
Locken

Wallen mit Blumen gekränzt in die Luft; ihr Kleid ist
besäet

Mit viel blitzenden Flittern, und tausend wechselnden
Farben,

Wild und plötzlich schießt sie umher. Bald steiget ihr
Fittich

Jn die Gesilde der Lust; bald stürzt sie von Felsen her-
unter,

Und

Der Morgen.
Zitternd verſchwinden die Sterne; der helle Bote des
Morgens,

Luzifer, blinket allein mit matten verloͤſchenden Stra-
len

Durch den unendlichen Raum des weiten aͤtheriſchen
Reiches.

Vom Gefolge der Nacht entwiſchen indeſſen die
Traͤume

Gauckelnd zuruͤck, und ſchwaͤrmen auf bunten flattern-
den Fluͤgeln

Ueber den Haͤuptern der Menſchen herum in zahlloſen
Schaaren.

Denn der Morgen, der ietzt den ſanfteſten Schlummer
verſtreuet,

Schafft in der leichteren Seele den freyen mittleren Zu-
ſtand,

Zwiſchen dem tiefeſten Schlaf und dem erſten leichten
Erwachen,

Jhrer bemeiſtert ſich ietzt die Phantaſey. Von dem
Haupte

Weht ihr der wallende Federbuſch hin; die goldenen
Locken

Wallen mit Blumen gekraͤnzt in die Luft; ihr Kleid iſt
beſaͤet

Mit viel blitzenden Flittern, und tauſend wechſelnden
Farben,

Wild und ploͤtzlich ſchießt ſie umher. Bald ſteiget ihr
Fittich

Jn die Geſilde der Luſt; bald ſtuͤrzt ſie von Felſen her-
unter,

Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0014" n="6"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Morgen.</hi> </fw><lb/>
          <l>Zitternd ver&#x017F;chwinden die Sterne; der helle Bote des<lb/><hi rendition="#et">Morgens,</hi></l><lb/>
          <l>Luzifer, blinket allein mit matten verlo&#x0364;&#x017F;chenden Stra-<lb/><hi rendition="#et">len</hi></l><lb/>
          <l>Durch den unendlichen Raum des weiten a&#x0364;theri&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#et">Reiches.</hi></l><lb/>
          <l>Vom Gefolge der Nacht entwi&#x017F;chen inde&#x017F;&#x017F;en die<lb/><hi rendition="#et">Tra&#x0364;ume</hi></l><lb/>
          <l>Gauckelnd zuru&#x0364;ck, und &#x017F;chwa&#x0364;rmen auf bunten flattern-<lb/><hi rendition="#et">den Flu&#x0364;geln</hi></l><lb/>
          <l>Ueber den Ha&#x0364;uptern der Men&#x017F;chen herum in zahllo&#x017F;en<lb/><hi rendition="#et">Schaaren.</hi></l><lb/>
          <l>Denn der Morgen, der ietzt den &#x017F;anfte&#x017F;ten Schlummer<lb/><hi rendition="#et">ver&#x017F;treuet,</hi></l><lb/>
          <l>Schafft in der leichteren Seele den freyen mittleren Zu-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tand,</hi></l><lb/>
          <l>Zwi&#x017F;chen dem tiefe&#x017F;ten Schlaf und dem er&#x017F;ten leichten<lb/><hi rendition="#et">Erwachen,</hi></l><lb/>
          <l>Jhrer bemei&#x017F;tert &#x017F;ich ietzt die Phanta&#x017F;ey. Von dem<lb/><hi rendition="#et">Haupte</hi></l><lb/>
          <l>Weht ihr der wallende Federbu&#x017F;ch hin; die goldenen<lb/><hi rendition="#et">Locken</hi></l><lb/>
          <l>Wallen mit Blumen gekra&#x0364;nzt in die Luft; ihr Kleid i&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">be&#x017F;a&#x0364;et</hi></l><lb/>
          <l>Mit viel blitzenden Flittern, und tau&#x017F;end wech&#x017F;elnden<lb/><hi rendition="#et">Farben,</hi></l><lb/>
          <l>Wild und plo&#x0364;tzlich &#x017F;chießt &#x017F;ie umher. Bald &#x017F;teiget ihr<lb/><hi rendition="#et">Fittich</hi></l><lb/>
          <l>Jn die Ge&#x017F;ilde der Lu&#x017F;t; bald &#x017F;tu&#x0364;rzt &#x017F;ie von Fel&#x017F;en her-<lb/><hi rendition="#et">unter,</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0014] Der Morgen. Zitternd verſchwinden die Sterne; der helle Bote des Morgens, Luzifer, blinket allein mit matten verloͤſchenden Stra- len Durch den unendlichen Raum des weiten aͤtheriſchen Reiches. Vom Gefolge der Nacht entwiſchen indeſſen die Traͤume Gauckelnd zuruͤck, und ſchwaͤrmen auf bunten flattern- den Fluͤgeln Ueber den Haͤuptern der Menſchen herum in zahlloſen Schaaren. Denn der Morgen, der ietzt den ſanfteſten Schlummer verſtreuet, Schafft in der leichteren Seele den freyen mittleren Zu- ſtand, Zwiſchen dem tiefeſten Schlaf und dem erſten leichten Erwachen, Jhrer bemeiſtert ſich ietzt die Phantaſey. Von dem Haupte Weht ihr der wallende Federbuſch hin; die goldenen Locken Wallen mit Blumen gekraͤnzt in die Luft; ihr Kleid iſt beſaͤet Mit viel blitzenden Flittern, und tauſend wechſelnden Farben, Wild und ploͤtzlich ſchießt ſie umher. Bald ſteiget ihr Fittich Jn die Geſilde der Luſt; bald ſtuͤrzt ſie von Felſen her- unter, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/14
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/14>, abgerufen am 24.11.2024.