Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

Bild:
<< vorherige Seite

Das Schnupftuch.
Gebrauche dieser Zeit; sey kühn, du wirst Belinden
Jn einem sanften Schlaf auf ihrem Zimmer finden.
Sie ist allein und jung; o Graf, der Sieg ist dein!
Wenn sie dein Kuß erweckt, wird sie noch zornig seyn?
Doch, holde Nacht, dein Schutz wird meinen Helden
leiten;
Du wirst den tiefsten Schlaf auf seine Diener breiten;
Gieß auf Belindens Haus die angenehmste Ruh,
Und schließ insonderheit der Mutter Augen zu.

So sprach der holde Geist, und küsset ehrerbietig
Der Nacht den schwarzen Rock; sie aber reicht ihm
gütig
Die schöne braune Hand, und sprach mit sanftem Blick:
Geh, und beschleunige des jungen Grafen Glück.
Sie sprachs; und kehrte sich zu ihren schwarzen Schaa-
ren.
Was jemals Aberglaub, und Vorurtheil gebahren;
So manches grause Bild, so manch sechsfüßig Kalb;
So

Das Schnupftuch.
Gebrauche dieſer Zeit; ſey kuͤhn, du wirſt Belinden
Jn einem ſanften Schlaf auf ihrem Zimmer finden.
Sie iſt allein und jung; o Graf, der Sieg iſt dein!
Wenn ſie dein Kuß erweckt, wird ſie noch zornig ſeyn?
Doch, holde Nacht, dein Schutz wird meinen Helden
leiten;
Du wirſt den tiefſten Schlaf auf ſeine Diener breiten;
Gieß auf Belindens Haus die angenehmſte Ruh,
Und ſchließ inſonderheit der Mutter Augen zu.

So ſprach der holde Geiſt, und kuͤſſet ehrerbietig
Der Nacht den ſchwarzen Rock; ſie aber reicht ihm
guͤtig
Die ſchoͤne braune Hand, und ſprach mit ſanftem Blick:
Geh, und beſchleunige des jungen Grafen Gluͤck.
Sie ſprachs; und kehrte ſich zu ihren ſchwarzen Schaa-
ren.
Was jemals Aberglaub, und Vorurtheil gebahren;
So manches grauſe Bild, ſo manch ſechsfuͤßig Kalb;
So
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="4">
              <pb facs="#f0098" n="90"/>
              <fw place="top" type="header">Das Schnupftuch.</fw><lb/>
              <l>Gebrauche die&#x017F;er Zeit; &#x017F;ey ku&#x0364;hn, du wir&#x017F;t Belinden</l><lb/>
              <l>Jn einem &#x017F;anften Schlaf auf ihrem Zimmer finden.</l><lb/>
              <l>Sie i&#x017F;t allein und jung; o Graf, der Sieg i&#x017F;t dein!</l><lb/>
              <l>Wenn &#x017F;ie dein Kuß erweckt, wird &#x017F;ie noch zornig &#x017F;eyn?</l><lb/>
              <l>Doch, holde Nacht, dein Schutz wird meinen Helden</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">leiten;</hi> </l><lb/>
              <l>Du wir&#x017F;t den tief&#x017F;ten Schlaf auf &#x017F;eine Diener breiten;</l><lb/>
              <l>Gieß auf Belindens Haus die angenehm&#x017F;te Ruh,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;chließ in&#x017F;onderheit der Mutter Augen zu.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>So &#x017F;prach der holde Gei&#x017F;t, und ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;et ehrerbietig</l><lb/>
              <l>Der Nacht den &#x017F;chwarzen Rock; &#x017F;ie aber reicht ihm</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">gu&#x0364;tig</hi> </l><lb/>
              <l>Die &#x017F;cho&#x0364;ne braune Hand, und &#x017F;prach mit &#x017F;anftem Blick:</l><lb/>
              <l>Geh, und be&#x017F;chleunige des jungen Grafen Glu&#x0364;ck.</l><lb/>
              <l>Sie &#x017F;prachs; und kehrte &#x017F;ich zu ihren &#x017F;chwarzen Schaa-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">ren.</hi> </l><lb/>
              <l>Was jemals Aberglaub, und Vorurtheil gebahren;</l><lb/>
              <l>So manches grau&#x017F;e Bild, &#x017F;o manch &#x017F;echsfu&#x0364;ßig Kalb;</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0098] Das Schnupftuch. Gebrauche dieſer Zeit; ſey kuͤhn, du wirſt Belinden Jn einem ſanften Schlaf auf ihrem Zimmer finden. Sie iſt allein und jung; o Graf, der Sieg iſt dein! Wenn ſie dein Kuß erweckt, wird ſie noch zornig ſeyn? Doch, holde Nacht, dein Schutz wird meinen Helden leiten; Du wirſt den tiefſten Schlaf auf ſeine Diener breiten; Gieß auf Belindens Haus die angenehmſte Ruh, Und ſchließ inſonderheit der Mutter Augen zu. So ſprach der holde Geiſt, und kuͤſſet ehrerbietig Der Nacht den ſchwarzen Rock; ſie aber reicht ihm guͤtig Die ſchoͤne braune Hand, und ſprach mit ſanftem Blick: Geh, und beſchleunige des jungen Grafen Gluͤck. Sie ſprachs; und kehrte ſich zu ihren ſchwarzen Schaa- ren. Was jemals Aberglaub, und Vorurtheil gebahren; So manches grauſe Bild, ſo manch ſechsfuͤßig Kalb; So

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/98
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/98>, abgerufen am 05.05.2024.